Ähh nein, ich schulde keinem Mann was
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Was tun, wenn ein Mann nach der Handynummer fragt? Und man sie nicht geben will? Denn manchmal helfen selbst Büsibilder nichts. Die neueste «Isa, garantiert kompliziert»-Kolumne.
«Vielleicht ist das Schicksal.» Er sei mir nicht hinterhergelaufen, sagt der Typ vor mir. Zuvor habe er mich schon gesehen, wie ich über die Strasse spaziert sei. Und jetzt stehen wir hier, umgeben von Gläsern voller Essiggurken, Kichererbsen, Maiskolben und Oliven, in einem Lebensmittelgeschäft in der Luzerner Neustadt. Schicksal nennt er das. Und fragt mich nach meiner Nummer.
Ein paar Stunden später erzähle ich meinen Kolleginnen beim Feierabendbierchen davon. Kollegin 1 gibt aus Prinzip immer die Nummer. Weil das megaviel Mut brauche, einen fremden Menschen anzusprechen, am helllichten Tag, auf der Strasse oder zwischen Essiggurkenregalen. Das müsse eine Frau belohnen, auch wenn das Gegenüber einem vielleicht nicht so gefalle. Der Mann in der Runde meinte, ich solle mich geschmeichelt fühlen. Kollegin 2 meinte, ich sollte «halt mal offener» werden. Und der zweite Mann in der Runde würde als Frau prinzipiell keinem Fremden die Nummer geben.
Ausreden
Nein, ich hab ihm die Nummer nicht gegeben. Weil ich einfach nicht wollte. Was ich ihm stattdessen sagte «Sorry, aber äääh … da hätte mein Freund nicht so Freude dran.» Mein imaginärer fester Freund, jaja.
Immerhin akzeptierte er mein Nein. «Schade», sagte das Gegenüber, wir sagten «Tschüss», er zog von dannen, in Richtung Bierregal.
Tage später, zu einer anderen Zeit, an einem anderen Ort, ein anderer Mann, wurde ich erneut angesprochen. Meine Augen seien «voooll krass», meinte er, die habe er «schon von Weitem» gesehen. Klar. In einem stockdunklen Club. Wo manche Pupillen sicherlich etwas grösser sind als die anderen, die Iris der Augen aber alle blau und rot getunkt sind, je nach Farbe der Scheinwerfer.
Dieses Mal wollte ich ehrlich bleiben. Und scheiterte fast gnadenlos.
- Fahr zur Hölle – ich kaufe nichts.
- Unbedingt! Bestimmt ist da mein Traummann darunter.
- Wenn wir vorher Blickkontakt hatten … warum nicht.
- Bitte nicht.
Ehrlichsein
Wir tauschten ein paar Sätze, bis er dann nach meiner Nummer fragte. «Nein, sorry, die gebe ich nicht», sagte ich. Warum nicht, wollte er wissen. «Weil ich nicht möchte.» Wieder hakte er nach. Schliesslich suchte er selbst nach Gründen für mein Nein. Ob ich vergeben sei. Ob ich verletzt worden sei. Ob ich zu wenig freie Megabytes hätte für seine Nummer. Ich sagte, dass ich mich nicht rechtfertigen will und auch nicht muss. Er zeigte Bilder seiner Katzen. Ich war nicht mal semibeeindruckt. Schliesslich fragte er wieder wegen der Nummer. Wir könnten ja Freunde werden. Ich suchte das Weite.
Ich bin niemandem was schuldig. Weder meine Handynummer noch eine Rechtfertigung. Aber zum Glück gibts Google. Da verraten selbst ernannte Flirtcoaches Masterpläne à la «Dein 15-Schritte-Plan», um Frauen auf der Strasse anzusprechen. Denn Frauen WOLLEN angesprochen werden, heisst es da. Weil es ja viel romantischer sei, als jemanden auf Tinder kennenzulernen. Und für Männer sei das super praktisch. Strassen kennen keine Öffnungszeiten wie Clubs, und die Konkurrenz sei auch nicht so gross, weil sich dies fast niemand trauen würde. Und wenn eine Frau einen miesen Korb gebe, dann würde man eine «solche Furie» ja eh nicht kennenlernen wollen.
Nöö – ohne Sorry und scharf
Mich tschuderets. Natürlich kann man fremde Menschen auf der Strasse ansprechen. Ob eine Frau die Nummer wirklich gibt? Ich bezweifle es. Vor allem, wenn aus dem Nichts ein Mann vor dir steht und nach einem «Hey» bereits nach der Nummer fragt. Das ist nicht weniger oberflächlich wie ein Swipe auf Tinder. Wenn man zuvor mal einen Blick ausgetauscht hat, sich angelächelt hat, Interesse von beiden Seiten signalisiert wurde, stünde wohl weniger im Wege, wenn man nach der Nummer fragt. Aber aus dem Nichts?
Es braucht Mut, einen fremden Menschen im realen Leben aus dem Nichts nach der Nummer zu fragen? Ja, definitiv. Aber ich bin doch nicht hier, um diesen zu belohnen. Ehrlichkeit ist doch besser, als fehlendes Interesse vorzugaukeln. Ich solle mich geschmeichelt fühlen? Nein. Ich hab ja nicht danach gefragt, angequatscht zu werden. Werde ich höflich angesprochen, gebe ich höflich einen Korb. Werde ich plump angemacht, schnauze ich zurück. So oder so: Wenn jemand nicht will, muss das Gegenüber das akzeptieren. Wer fragt, riskiert einen Korb.