23 Schwachstellen im Stadtzuger Velonetz

Knatsch um Schwellen, die Fussgänger vor Velofahrern schützen

Bodenschwellen beim Brüggli-Camping sollen Velofahrer zum langsam Fahren bewegen. (Bild: Markus Mathis)

Velofahrer in der Stadt Zug sehen sich mit Schikanen konfrontiert. Vor allem die neu montierten Bodenschwellen bei der Durchfahrt durch den Campingplatz Brüggli bringen manche in Schwierigkeiten. Einige Politiker wollen sie sofort entfernen. Doch das geht nicht so einfach.

Wer derzeit in Zug ein billiges Spektakel verfolgen will, begibt sich an einem schönen Sommertag an den Chamer Fussweg zum TCS-Camping am Brüggli. Dort gibt es zahlreiche Velofahrer zu beobachten. Mit grosser Wahrscheinlichkeit sieht man nach einer gewissen Zeit Körbe oder auf den Packträger geschnallte Rucksäcke durch die Luft fliegen.

Seit einiger Zeit sind dort nämlich drei schwarz-gelbe Schwellen aus Kunststoff auf den Boden montiert. Man kennt sie aus andern Ländern. Objektiv gesehen sind sie nicht sehr hoch – höchstens 3 Zentimeter. Aber sie haben einen spürbaren Effekt auf Velofahrer, die sie nicht kennen und daher mit zu grosser Geschwindigkeit darüberfahren. Wer nicht auf Schritttempo abbremst, wird ordentlich durchgeschüttelt.

Dringliche Behandlung gefordert

Empört verlangten daher mehrere alternative Politiker an der letzten Sitzung des Stadtparlaments vor den Ferien, dass diese «Schikanen» für Velofahrer sofort entfernt werden.

Der parteilose Gemeinderat Patrick Steinle reichte für die Fraktion der ALG/CSP eine Motion ein, die «Grundlagen für die Veloförderung schaffen» will. Zusammen mit zwei Grünen verlangte er, dass dieser Vorstoss für dringlich erklärt werde – also gerade an Ort und Stelle beraten und verabschiedet wird. Was das Parlament allerdings mit 21 zu 8 Stimmen ablehnte.

Sorgfältige Analyse des kantonalen Radnetzes

Anlass für die Motion ist allerdings nicht, dass Steinles eigene Mutter bei der Durchfahrt durch den Brüggli-Camping fast ihr Velokörbchen verlor, wie er im Parlament beklagte. Sondern eine Analyse von Pro Velo Zug zum Radnetz im Kanton Zug.

Die Organisation, die sich als parteiübergreifend versteht, hat die Radwege des ganzen Kantons sorgfältig auf Schwachstellen und Chancen untersucht – und dabei allein in der Stadt Zug 23 Probleme erkannt. Teilweise betreffen sie schwach befahrene Quartierstrassen. Auch wird beschrieben, wo Autofahrer bei Stau auf Velostreifen halten. Daneben werden mehrere bekannte und gefährliche Hotspots kritisiert.

Gubelstrasse: Viel Platz, schlechte Streckenführung

Zwei Schwachstellen waren den Alternativen wichtig genug, um sie in ihren parlamentarischen Vorstoss zu packen: Zum einen die Situation auf der Gubelstrasse. Wegen der Bauarbeiten fürs Wärme- und Kältenetz Circulago war der Quasi-Boulevard jahrelang eine Baustelle. Für das Eidgenössische Schwing- und Älplerfest wurde er letztes Jahr vorübergehend instand gestellt, dann folgten wieder monatelange Sanierungsarbeiten.

Dass die Ingenieure dabei nicht instande waren, auf der sehr breiten Strasse eine vernünftige Verkehrsführung für Velofahrer zu schaffen, sorgte bereits an der letzten Zuger Fasnacht für lauten Spott. Und wird nun eben von Steinle und den Alternativen moniert.

Nutzungskonflikte im Brüggli

Der zweite Zankapfel ist von noch grösserer Bedeutung: das Brüggli. Es ist ein vielbesuchter Badepark neben einem Campingplatz, erschlossen durch eine Strasse, die auf einen Parkplatz führt und gleichzeitig nationale Veloroute ist. Immer wieder gibt es dort Nutzungskonflikte.

Einfahrt auf der nationalen Veloroute ins Brüggli-Camping – rechts dahinter der Food-Truck. (Bild: Markus Mathis)

In den letzten Jahren sorgte der Ärger von Autofahrern für Schlagzeilen, die an gut frequentierten Tagen von Parkwächtern daran gehindert wurden, motorisiert zum See zu gelangen.

Dann wurden Steinklötze auf der Wiese deponiert, weil es einen Unfall gab, bei dem ein falsch parkierendes Auto ein Kind verletzte. Doch dieses Jahr machen die Autos weniger Probleme.

Polizei verteilt Bussen

Dafür sind Velofahrer in den Zeiten seit Ausbruch der Corona-Pandemie besonders oft unterwegs (zentralplus berichtete). Was die Zuger Polizei bei einer kürzlichen Schwerpunktkontrolle veranlasste, am Zuger Seeufer ein knappes Dutzend Bussen zu verteilen.

«Verbote bringen nicht den gewünschten Erfolg.»

Eliane Birchmeier (FDP), Bauvorsteherin, Zug

Die Schwellen beim Brüggli gehen allerdings auf Erfahrungen des vergangenen Sommers zurück, wie Stadträtin Eliane Birchmeier (FDP) gegenüber zentralplus sagt. «Es wurde klar, dass das Tempo der Verkehrsteilnehmenden reduziert werden muss, um Unfälle zu vermeiden.»

Nur Schwellen helfen

Es handle sich um einen unübersichtlichen Kreuzungspunkt. Fahrzeuge verschiedenster Art, Spaziergänger und Gäste des Campingplatzes träfen zusammen. Langsamere Geschwindigkeiten könnten dort nur durch Schwellen erreicht werden, ist Bauvorsteherin Birchmeier überzeugt, die sich darauf mit Sicherheitsvorsteher Urs Raschle (CVP) verständigt hat. «Verbote bringen nicht den gewünschten Erfolg», sagt sie.

Noch delikater geworden ist die Situation, weil sich auf dem Camping die  Verpflegungssituation geändert hat. Vergangenes Jahr gab es einige Male pro Woche Thaiküche, die neben dem eigentlichen Campingbeizli bei der Grillstation serviert wurde. Heuer nun wird das Beizli von einem Food-Truck ergänzt, der aber auf der gegenüberliegenden Seite der Strasse parkiert, wo die Hungrigen nun Schlange stehen.

Schlange stehen auf der Strasse

Das ist für Pro Velo Zug unverständlich. «Ausgerechnet an dieser unübersichtlichen Engstelle wird die Ausweichbucht permanent mit dem Pizzawagen verstellt, der zu noch mehr unaufmerksam die Strasse querenden Fussgängern führt», sagt Co-Präsident Victor Zoller. Verkehrssicherheit sollte auch hier Vorrang haben. «Der Wagen lässt sich sicher auch anderswo, etwa auf dem Parkplatz, aufstellen.»

«Hoffen wir, dass die Stadt reagiert, bevor noch weitere Unfälle passieren.»

Victor Zoller, Co-Präsident, Pro Velo Zug

Pro Velo Zug hatte der Stadtverwaltung schon zuvor Meldungen von stolpernden Fussgängern, beschädigten Velos und aus Velokörben geschleuderten und verlorenen Gegenstände geschickt. Der Verein verlangt, dass die Schwellen durch breitere und niedrigere Exemplare ersetzt werden, wie sie etwa in Belp zum Einsatz kommen. Oder aber, dass die spitzen Schwellen halbiert und versetzt angeordnet werden.

Mit gebrochenen Rippen ins Spital

«Wir prüfen diese baulichen Massnahmen», sagt Eliane Birchmeier. «Mit einer Versetzung der Schwellen könnten Velofahrer, aber auch Personen im Rollstuhl oder mit Trottinetts die Strasse komfortabler passieren.»

Zu spät kommt dies allerdings für einen pensionierten ehemaligen Sportlehrer, der vergangenen Freitag am Brüggli mit seinem Velo stürzte und mit drei gebrochenen Rippen ins Spital musste. «Hoffen wir, dass die Stadt jetzt reagiert, bevor noch weitere, noch schwerere Unfälle passieren», sagt Zoller.

Neue Fahrzeuge sorgen für mehr Konflikte

Nutzungskonflikte auf den Stadtzuger Strassen hätten in den vergangenen Jahren durchaus zugenommen, sagt Birchmeier. Schuld sei aber nicht der gestiegene Veloverkehr – sondern dass neue Fahrzeuge im Verkehr auftauchen wie schnelle E-Bikes oder Trottinetts mit und ohne Motor. «Für eine getrennte Verkehrsführung steht aber nicht genügend Platz zur Verfügung», sagt die Stadträtin.

Sieht ähnlich aus, wurde aber von Velosachverständigen ausgewählt: Schwelle in Belp. (Bild zvg)

Mit dieser uneingeschränkten Aussage ist Zoller nicht einverstanden. «Auf der Vorstadtbrücke etwa haben wir schon mehrfach erfolglos die bewährte Lösung der Zürcher Quaibrücke verlangt», sagt Zoller. «Dort werden die Flächen für Fuss- und Veloverkehr mit einer leicht profilierten Linie getrennt.»

Durchgehende Velobahn gefordert

Pro Velo Zug fordert zudem schon lange eine durchgehende Veloroute von der Badi Cham bis zum Zuger Landsgemeindeplatz. Vom Schiessstand im Choller bis zum Zuger Strandbad könnte eine Velobahn entlang der Geleise mit zwei kleinen Brücken bei den Unterführungen Choller und Camping die Verkehrsströme entflechten. Die Spaziergänger und Wanderer möchte man möglichst auf den Uferweg verweisen.

Schwieriger wird’s stadteinwärts. Vom Strandbad bis zum Alpenquai könnten die Fussgänger am Seeufer entlang geführt werden, wie dies in Plänen schon seit über 20 Jahren vorgesehen ist. Da die Oeschwiese, die sich dazwischen befindet, aber immer noch nicht im Besitz der Stadt ist, wird die Lösung dieses Problems auf sich warten lassen.

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3 Kommentare
  • Profilfoto von Hans Peter Roth
    Hans Peter Roth, 16.07.2020, 21:33 Uhr

    Wer sich nachhaltig bewegt ohne die Umwelt und Mitmenschen mit Abgasen zu vergiften und mit Lärm zu terrorisieren, darf staatliche Förderung erwarten. Auf einer nationalen Veloroute sollten VelofahrerInnen nicht mit gefährlichen Schwellen rechnen müssen.

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  • Profilfoto von transit
    transit, 16.07.2020, 14:43 Uhr

    Was gibts da zu motzen? Solange Velofahrer nicht wissen wie sie sich zu verhalten haben und sich immer wieder zwischen Fussgängern durchschlängeln ist das genau die richtige Lösung.
    Auch Autofahrer müssen mit solchen Schwellen leben wie, um nur ein Beispiel zu nennen, an der Loretostrasse.

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  • Profilfoto von Marc
    Marc, 16.07.2020, 11:12 Uhr

    Typisch für diese Klientel. Immer nur fordern. Ist ja wohl nicht zu viel verlangt mal kurz abzubremsen. Bin sicher jeder der zu schnell darüber gefahren ist hat was daraus gelernt und bremst beim nächsten Mal. Also erfüllen die Schwellen ihren Zweck.

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