Scheitern Luzerner an 126-jährigem Staatsvertrag?

Knatsch um Namensrecht: Für Otto’s könnte es eng werden

Versuchte am Mittwoch das Gericht von seinem Anliegen zu überzeugen: Otto's-CEO Mark Ineichen.

(Bild: Bildmontage bic)

Der Luzerner Discounter Otto’s will einem deutschen Onlinehändler verbieten, unter fast gleichem Namen in den Schweizer Online-Handel einzusteigen. Am Mittwoch traf man sich deshalb vor dem Luzerner Kantonsgericht. Doch ein fast 130-jähriger Staatsvertrag schmälert die Chancen der Schweizer.

Der Luzerner Restpostenhändler Otto’s und das deutsche Versandhandelsunternehmen Otto Group liegen sich in den Haaren. Die Deutschen wollen unter dem Namen «Otto» ins Geschäft des Schweizer Online-Versandes einsteigen. Dies möchte die Firma aus Sursee jedoch verhindern.

Der Grund: Aufgrund von Verwechslungsgefahr befürchten die Luzerner Umsatzeinbussen. Am Mittwoch trafen sich die Parteien nun vor dem Luzerner Kantonsgericht. Es ging um die Frage, ob die Luzerner dem deutschen Online-Giganten den Markteintritt unter dem entsprechenden Namen überhaupt verbieten können. Die Otto Group ist laut eigener Aussagen nach Amazon der zweitgrösste Online-Händler.

Keine aussergerichtliche Einigung

Bislang scheiterten sämtliche Vergleichsverhandlungen zwischen dem hiesigen Unternehmen und dem Riesen aus Hamburg, der einen Jahresumsatz von mehr als 13 Milliarden Franken erwirtschaftet. Unter anderem hatte Otto’s angeboten, die Hamburger könnten ihr Schweizer Onlinegeschäft über die deutsche Internetadresse www.otto.de/ch betreiben. Die Otto Group lehnte ab (zentralplus berichtete). 

In einem ersten Verfahren hatten sowohl das Luzerner Kantonsgericht als auch das Bundesgericht den Innerschweizern Recht gegeben. Die Begründung der Lausanner Richter: Die Otto Group habe ihre Marke in der Schweiz zwar geschützt, aber nie verwendet. Den Luzernern war es immerhin gelungen, bis zur heutigen Hauptverhandlung ein vorsorgliches Verbot für die Hamburger zu erwirken. Ob dieser rechtliche Zustand auch langfristig haltbar ist, musste das Gericht nun am Mittwoch entscheiden.  

Otto’s in der Schweiz viel bekannter

Im Kern drehte sich die Verhandlung um zwei Fragen. Erstens: Ist es tatsächlich so, dass die deutsche Otto Group ihren Namen in der Schweiz nie verwendet hatte? Und zweitens: Bildet ein Staatsvertrag zwischen Deutschland und der Schweiz von 1892 die heute noch geltende Rechtsgrundlage?

Der Vertreter der Luzerner machte geltend, dass der Name Otto’s in der Schweiz weitläufig bekannt sei. Das Unternehmen liess dafür extra eine Strassenumfrage durchführen. Das Resultat: 96 Prozent der Teilnehmer kannten das Logo mit dem gestreckten Zeigefinger, lediglich acht Prozent erkannten hingegen die Hamburger Otto Group.

«Otto’s gehört die Schweiz, der Otto Group der Rest der Welt.»

Anwalt von Otto’s

Das Fazit des Anwalts: «Otto’s hat sich in der Schweiz in den vergangenen Jahren durch konsequente und redliche Arbeit einen entscheidenden Marktvorsprung erarbeitet.» Ein Namensverbot für die deutsche Otto Group sei deshalb zulässig und angemessen. Oder anders gesagt: «Otto’s gehört die Schweiz, der Otto Group der Rest der Welt», so der Anwalt.

Otto Group ist auch in der Schweiz tätig

Die Gegenseite hob stattdessen hervor, dass sie auch in der Schweiz seit Jahren durchaus präsent sei. So hätten zwischen 2017 und 2018 sechs Millionen Schweizer die Website besucht, 39’000 Bestellungen getätigt und Waren für elf Millionen Euro gekauft. Zudem habe die Otto Group in der Schweiz zwischen 2000 und 2012 rund zehn Marken schützen lassen. Die deutsche Marke Otto ist weiter bereits seit 1959 in der Schweiz eingetragen, während der Name Otto’s erst seit 1998 in dieser Form existiert.

«Alles läuft auf eine Koexistenz hinaus.»

Anwalt der Otto Group

Hinzu komme, dass die Luzerner bisher hauptsächlich mit stationären Filialen operiert hätten und erst seit vergleichsweise kurzer Zeit die Ware auch online vertrieben. Das Geschäft der Otto Group hingegen basiere zu rund 97 Prozent auf dem Handel im Netz. «Die Otto Group hat auch nicht vor, in der Schweiz dereinst stationäre Shops zu eröffnen. Denn auch in Österreich gibt es keinen einzigen Laden, obwohl wir dort schon lange tätig sind», so der Anwalt der Deutschen.

Man bewege sich also in unterschiedlichen Geschäftszweigen. Summa summarum gehe es rechtlich nicht an, dass ein jüngerer Player einem älteren die Verwendung eines Namens verbieten könne. «Alles läuft auf eine Koexistenz hinaus», lautete das Verdikt der Deutschen. 

Kommt 126-jähriger Staatsvertrag der Otto Group zugute?

Als Pfeiler für die Argumentation der Otto Group diente vor Gericht ein Staatsvertrag zwischen Deutschland und der Schweiz von 1892. Dieser besagt, dass eine Marke, die in einem der beiden Staaten aktiv verwendet wird, auch im anderen Land automatisch geschützt ist.

Weil die Otto Group in Deutschland seit jeher wirtschaftlich aktiv ist, könnten die Luzerner folglich kein Verbot erwirken. «Auch wenn das Schweizer Recht ein Verbot vorsehen kann, so ist dieses dem internationalen, völkerrechtlichen Vertrag untergeordnet. Daran gibt es nichts zu rütteln», sagte der Anwalt der Deutschen.

«Staatsvertrag beruht auf fiktiver Tätigkeit»

Die Surseer sahen dies logischerweise anders: «Die Argumentation mit dem Staatsvertrag hängt an einem seidenen Faden», sagte deren Anwalt. Denn dieser sei vor ein paar Jahren in einem ähnlich gelagerten Fall vom europäischen Gerichtshof als irrelevant beurteilt worden. Damals ging es darum, ob ein Schweizer Unternehmen ein Produkt in Deutschland und der EU vertreiben darf, das den gleichen Namen trägt wie ein bereits in der EU vertriebenes Produkt.

Weiter sei das schweizerische Markengesetz viel jünger. Zudem definiere es präziser, was genau unter einer geschäftlichen Tätigkeit verstanden wird. Der Staatsvertrag gehe davon aus, dass eine Firma automatisch auch in der Schweiz tätig ist, wenn sie in Deutschland aktiv ist. Die Geschäftstätigkeit beruhe daher auf einer reinen juristischen Definition und habe mit der Realität nur bedingt etwas zu tun. 

Wie sich das Gericht entscheiden wird, ist noch nicht geklärt. Das Urteil wird in den kommenden Tagen schriftlich eröffnet.

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