Lohndeckel sorgt für Unmut – Mediator soll helfen

Knatsch im Krienser Gemeinderat: Alle gegen Präsident Wiget

Die Idylle beim Krienser Gemeinderat trügt (von links): Lothar Sidler, Cyrill Wiget, Franco Faé, Judith Luthiger-Senn, Guido Solari (Gemeindeschreiber) und Matthias Senn.

(Bild: Benedikt Anderes)

Dürfen die Krienser Gemeinderäte Entschädigungen aus Zusatzmandaten ins eigene Portemonnaie stecken oder muss das Geld in die Gemeindekasse fliessen? Die Frage spaltet das Gremium – so sehr, dass ein Mediator beigezogen wurde. Erfolglos: Der Gemeinderat wirft dem eigenen Präsidenten nun öffentlich vor, gegen das Kollegialitätsprinzip zu verstossen.

Geht es ums eigene Portemonnaie, ist es vorbei mit der Harmonie. Das kann man zurzeit in Kriens beobachten. Der Gemeinderat liegt sich wegen seines Lohnes in den Haaren.

Was ist passiert? Das Parlament hat im Herbst entschieden, dass die Löhne der Gemeinderäte auf 160’000 Franken gekürzt werden – und sie aus ihren zusätzlichen Mandaten nur noch 5000 Franken pro Jahr behalten dürfen. Das stiess manch einem sauer auf, denn besonders für Matthias Senn (FDP) und Lothar Sidler (CVP) war es bereits die zweite Lohnreduktion innert Kürze.

Sie mussten im Zuge der Departementsreform 2016 ihr Pensum reduzieren, womit natürlich auch ihr Salär sank. Um das zu kompensieren, entstand damals ein «Geheim-Deal»: Noch unter dem damaligen Gemeindepräsidenten und heutigen Regierungsrat Paul Winiker wurde im Gemeinderat vereinbart, dass Senn und Sidler teilweise das Geld behalten dürfen, das sie aus Nebenämtern bekommen.

Das hielt der Gemeinderat allerdings unter Verschluss – und rückte erst letzten Herbst damit raus. Von diesem «Akt der Fairness», wie es der Gemeinderat damals nannte, wollte der Einwohnerrat jedoch nichts wissen. Er machte dem Plan einen Strich durch die Rechnung und sprach sich für eine Obergrenze von 5000 Franken aus.

Nun hat der Gemeinderat diesen Entscheid teilweise umgesetzt und einen Kompromiss vorgelegt: Er beinhaltet eine Übergangslösung bis ins Jahr 2020 (zentralplus berichtete).

Die Lösung führt zum Konflikt

So weit, so gut, könnte man meinen. Doch die vorgeschlagene Lösung hat ein neues Zerwürfnis ausgelöst. Denn wie der Gemeinderat mitteilt, weigert sich Gemeindepräsident Cyrill Wiget, das Geschäft im Parlament zu vertreten. Und das stösst bei den vier Anderen auf Unverständnis. Sie bezeichnen Wigets Verhalten als «Verstoss gegen das Kollegialitätsprinzip», wie es in der Mitteilung heisst.

«Dieser Entscheid ist überhaupt nicht illoyal von mir und ich falle dem Gemeinderat auch nicht in den Rücken.»

Cyrill Wiget, Gemeindepräsident Kriens

Rein theoretisch darf ein Mitglied des Gemeinderates davon abweichen, wenn es sich einer «ausserordentlichen Konfliktsituation ausgesetzt» sieht. Darauf beruft sich Cyrill Wiget. Er argumentiert, dass er dem Parlament gegenüber beteuert hat, die Forderung umzusetzen.

Der Gemeinderat hält aber dagegen, dass diese Gründe keine ausserordentliche Konfliktsituation darstellten. «Es gibt Gründe, die ein Abweichen vom Kollegialitätsprinzip rechtfertigen», sagt Vizepräsident Matthias Senn (FDP). «Beispielsweise, wenn ein Grüner ein Projekt vertreten muss, das den Naturschutz komplett torpediert und jeder weiss, dass er in einem Gewissenskonflikt steht. Das ist hier aber nicht der Fall», sagt Bauvorsteher Senn, der nun gezwungenermassen das Lohndossier übernimmt.

Nicht einer Meinung: Vizepräsident Matthias Senn (FDP, links) und Gemeindepräsident Cyrill Wiget (Grüne).

Nicht einer Meinung: Vizepräsident Matthias Senn (FDP, links) und Gemeindepräsident Cyrill Wiget (Grüne).

(Bild: zvg)

Eine andere Perspektive hat erwartungsgemäss Cyrill Wiget. «Dieser Entscheid ist überhaupt nicht illoyal von mir und ich falle dem Gemeinderat auch nicht in den Rücken», sagt der Gemeindepräsident. Er habe keine abweichende Haltung in der Öffentlichkeit vertreten, «sondern transparent mitgeteilt, dass ich die Haltung des Gemeinderates mit meinem Gewissen nicht vereinbaren kann und dass ich deshalb das Dossiers freiwillig abtreten möchte». Weil er dem Parlament sein Wort gegeben habe, «ging es mir danach um meine Glaubwürdigkeit». Dass der Gemeinderat seinen Gewissenskonflikt nun in die Öffentlichkeit trage, finde er nicht in Ordnung.

Wiget spielt den Ball zurück

Isoliert fühle er sich wegen des Vorgehens des restlichen Gemeinderates nicht, sagt Wiget. «Als Politiker gehört es zum täglichen Brot, dass man mit seiner Meinung auch mal alleine dastehen kann.»

«Wir müssen es ja publik machen, denn am 8. März wäre es eh ausgekommen.»

Matthias Senn, FDP-Gemeinderat

Doch Wiget geht in die Offensive – und spielt den Ball zurück. «Ich finde es hingegen problematisch, wenn man nun ein Internum, wie zum Beispiel das Abstimmungsverhältnis im Gemeinderat, an die Öffentlichkeit trägt und zu einem öffentlichen Konflikt macht und ein Mitglied des Gemeinderates damit desavouiert.» Der Gemeindepräsident geht gar noch einen Schritt weiter. «Ich frage mich, ob nicht vielmehr das ein Verstoss gegen das Kollegialitätsprinzip sein könnte.»

Genau das kritisiert auch seine Partei, die Grünen. Der Gemeinderat spiele auf den Mann, statt den Konflikt intern zu regeln (siehe Box am Textende). Diesen Vorwurf lässt Matthias Senn aber nur bedingt gelten. «Vier von fünf Gemeinderatsmitgliedern sind der Meinung, dass Cyrill Wiget gegen das Kollegialitätsprinzip verstösst. Insofern ist es legitim, dass der Gemeinderat das öffentlich kommentiert.» Unter den Tisch kehren hätte der Gemeinderat die Affiche ohnehin nicht können: «Wir müssen es ja publik machen», wehrt sich Senn, «am 8. März wäre es eh ausgekommen.» Dann tagt der Einwohnerrat und dieser wäre sicherlich stutzig geworden, wenn nicht Cyrill Wiget das Dossier präsentiert hätte.

Krise im Gemeinderat?

Trotzdem lässt die Wortwahl aufhorchen: «Der Gemeinderat Kriens ist sehr besorgt. Mit seinem Vorgehen offenbart Gemeindepräsident Cyrill Wiget, dass das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und den weiteren Mitgliedern des Gemeinderates zur Zeit belastet ist», schreibt der Gemeinderat in einer Mitteilung.

Die Krienser Lohndebatte
  • Seit 2016 sind alle fünf Krienser Gemeinderäte in einem 80-Prozent-Pensum angestellt.
  • Letzten Herbst hat der Einwohnerrat ein Lohndach für den Gemeinderat beschlossen: Bei 80 Prozent gibt es noch 160'000 Franken pro Jahr statt wie bisher 171'200.
  • Zudem hat der Einwohnerrat klargemacht: Aus ihren zusätzlichen Mandaten sollen die Gemeinderäte jährlich maximal 5000 Franken behalten dürfen – der Rest fliesst in die Gemeindekasse.
  • Der Gemeinderat hat nun eine Übergangslösung bis zu den nächsten Wahlen 2020 beschlossen: Entschädigungen aus «hauptberuflichen» Engagements gehen vollumfänglich aufs Konto der Gemeinde. Bei freiwilligen Mandaten dürfen die Gemeinderäte hingegen mindestens 60 Prozent behalten. Die restlichen 40 Prozent sollen in einen Pool fliessen, der unbezahlte Engagements aufwertet.

Von einer Regierungskrise wollen aber weder Wiget noch Senn sprechen, die sich 2016 ein ultraknappes Rennen ums Gemeindepräsidium lieferten. «Wir hoffen natürlich, dass wir den Rank wieder finden», sagt Matthias Senn. Auch Wiget ist überzeugt, dass der Gemeinderat die Situation wieder in den Griff bekommt.

Das Gremium hat bereits konkrete Massnahmen ergriffen und einen Mediator eingesetzt. Laut Wiget ist das durchaus üblich. «Die Person hat bereits früher mit dem Gemeinderat zusammengearbeitet.» Bei der Frage der Nebenmandate hat die Mediation zwar nicht den gewünschten Kompromiss gebracht. Trotzdem spricht Wiget von einem Erfolg: «Es ist nicht so, dass wir nicht mehr miteinander sprechen oder zusammenarbeiten. Die Mediation hat dazu geführt, dass wir – abgesehen von diesem Geschäft – ganz normal weiter tagen.»

Während Wiget den Konflikt also herunterspielt, ist für Matthias Senn klar, dass es eine «100-prozentige Loyalität» braucht, um das Vertrauen wieder herzustellen. «Auch der Gemeindepräsident muss einen Mehrheitsentscheid nach aussen tragen, ohne Abstriche und eigene Interpretationen.»

Dass seine Weigerung nun Schule machen kann, findet Wiget indes völlig unrealistisch. In seinen 14 Jahren im Gemeinderat habe er nie von diesem Instrument Gebrauch gemacht. Der Grüne erhofft sich nun politische Klärung durch das Parlament, das am 8. März über das Thema diskutiert.

Grüne kritisieren «Lex Senn und Sidler»

Bei den Grünen kommt der Gemeinderat gar nicht gut weg. Die Partei kritisiert, dass der Gemeinderat aus Eigennutz handle, statt den Entscheid des Parlaments zu respektieren. Besonders die Gemeinderäte Matthias Senn und Lothar Sidler müssen Kritik einstecken. Die Übergangslösung sei «nichts anderes als eine Lex Senn und Sidler, profitieren doch diese beiden Gemeinderäte von hohen Entschädigungen», schreiben die Grünen Kriens in einer Mitteilung. «Der Gemeinde entgehen so mehrere zehntausend Franken pro Jahr und die Argumentation des Gemeinderates dazu ist geradezu hanebüchen.»

Handelt es sich tatsächlich um so lukrative Mandate? Bauvorsteher Matthias Senn legt offen: «Als Verwaltungsrat beim Verbundrat öffentlicher Verkehr erhalte ich pro Jahr 10’000 Franken.» Wie viel Lothar Sidler als Verwaltungsrat der Heime Kriens erhalten wird, steht noch nicht fest. Der Sozialvorsteher wollte auf Anfrage von zentralplus nicht Stellung nehmen und verwies an Senn.

Gefragt, wie viel die Gemeinderäte insgesamt mit ihren Mandaten verdienen, zögert Senn hingegen einen Moment. Und schweigt dann. «Wir erarbeiten zurzeit eine Auflistung, die nächste Woche der Kommission zugestellt wird.» Die Liste zu veröffentlichen, sei bisher nicht geplant. Auch der Einwohnerrat werde die Liste nicht direkt respektive nur über die Kommissionsmitglieder zu Gesicht bekommen, so Senn.

Senn streitet nicht ab, dass der Gemeinderat nicht gewillt ist, den Gürtel noch enger zu schnallen. «Wir haben die heutige Regelung 2016 einstimmig beschlossen und wollen nun nicht inmitten der Legislatur plötzlich auf diese Entschädigungen verzichten», sagt der Krienser Vizepräsident. Die Spielregeln mitten im Spiel ändern, das passt dem Gemeinderat nicht. Senn findet es «überhaupt unschön, dass die ganze Lohnfrage selbst über Nebenerwerbstätigkeiten in der Öffentlichkeit ausgetragen wird».

Problem der frei verfügbaren 20 Prozent

Das Grundproblem in Kriens besteht, weil die Gemeinderäte nicht Vollzeit angestellt sind, dies beispielsweise im Unterschied zur Stadt Luzern. Denn so bleibt ihnen ein Tag pro Woche für andere Arbeiten. Das wäre nicht weiter tragisch, wenn jeder in einer privaten Firma tätig wäre. Aber oft kommen die Gemeinderäte dank ihrem Amt zu Jobs in verwaltungsnahen Betrieben, wie beispielsweise dem Städteverband oder dem Verbundrat öffentlicher Verkehr.

Da stellt sich die Frage: Engagieren sie sich dort als Privatperson oder als Gemeinderat? Der Krienser Gemeinderat legt klar, dass oft Ersteres der Fall ist. «Zwar dienen solche Tätigkeiten auch dazu, den Einfluss der Gemeinde in solchen Verbänden und Organisationen geltend zu machen. Es ist aber nicht die primäre Aufgabe, sondern ein wünschbarer und gewollter Nebeneffekt», schreibt er in seinem Bericht an das Parlament. Dort versucht er abzugrenzen, welche Arbeiten zum Amt des Gemeinderates gehören und welche er freiwillig – ausserhalb des 80-Prozent-Pensums – macht.

Ein Lohndach für diese nebenamtlichen Arbeiten ist für den Gemeinderat keine Option. «Eine Beschränkung wäre rechtlich gar nicht zulässig», sagt Gemeinderat Matthias Senn. Der Gemeinderat spricht von Rechtsungleichheit und Willkür, wenn man freiwilliges Engagement in Organisationen und Institutionen mit einem Lohndeckel bestrafe, aber nicht die Arbeit in der Privatwirtschaft. «Zudem kommt es der Gemeinde Kriens ja zugute, wenn wir in unserer Freizeit in verwaltungsnahen Organisationen arbeiten und nicht irgendwo in der Privatwirtschaft», sagt Senn.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von R Fioretti
    R Fioretti, 23.02.2018, 13:49 Uhr

    Dieser Cyrill Wiget scheint ein geradliniger Mann zu sein, Hut ab!
    Es sollte mehr solche Politiker geben.

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  • Profilfoto von hunzima
    hunzima, 23.02.2018, 13:31 Uhr

    Die gemeinderätliche Doppelmoral

    Eine Kollegialbehörde ist resp. funktioniert nur so gut wie die Einsitz nehmenden Menschen. Was der Gemeinderat mit der Mitteilung an den Einwohnerrat und damit verbunden mit der Anschwärzung eines Ratskollegen bezwecken will ist schleierhaft. Wenn er eigene zwischenmenschliche Defizite und die Absicht einen Ratskollegen zu diffamieren kundtun wollte, ist ihm das jedoch gelungen.

    In besonderen Masse unprofessionell ist die tendenziöse Gestaltung der Mitteilung. So wird ein Verstoss gegen die Geschäftsordnung des Gemeinderates behauptet und den persönlichen Beweggründen die Legitimität abgesprochen. Weil die Gründe jedoch nicht genannt werden kann keine unabhängige Meinungsbildung erfolgen und der Leser wird durch die negative Färbung der Mitteilung erheblich beeinflusst. Zudem hat der Gemeinderat mit der Entsendung von Herr Siedler zur Vertretung des Beschlusses die Legitimität der Gründe de facto ja anerkannt.

    Die Diskussion darüber, ob die Gründe von Herr Wiget eine ausserordentliche Konfliktsituation darstellen oder nicht, hat im Hinblick auf das thematisierte Kollegialitätsprinzip zwingend intern zu erfolgen. Denn mit der zusätzlichen Bekanntmachung des Stimmenverhältnisses der angesprochenen Abstimmung erhält die Thematik weitreichenderes Ausmass. Im Kontext der Mitteilung wird das Abstimmungsverhalten von Herr Wiget bekannt, was die geforderte Loyalität schlicht verunmöglicht (Öffentlichkeits- vs. Kollegialitätsprinzip). Die geforderte Kollegialität fusst nämlich auf eben dieser Geheimhaltung. Dies ist auch im Abschnitt 2 des vom Gemeinderat in der Mitteilung zitierten Artikels 5 der Geschäftsverordnung festgehalten. Dieser untersagt ausdrücklich die Protokollierung und Bekanntmachung von solchen Stimmverhältnissen. Während der Gemeinderat also unter Vorenthalt wichtiger Informationen öffentlich ein Ratsmitglied des Vorstosses gegen die Geschäftsverordnung bezichtigt, verstösst er selbst gegen eben diese – klar und deutlich.

    Als Krienser Bürger bin ich besorgt. Mit seinem Verhalten zeigt der Gemeinderat öffentlich, dass er erhebliche Schwierigkeiten bei der konstruktiven Konfliktbewältigung hat. Eine Fähigkeit, welche zur Führung einer Gemeinde unerlässlich wäre.

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