Zuger Kirchenvertreter treffen Glencore

Kirche lässt sich auf Glencore ein

In Zug prallen Welten aufeinander, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Wenn das Forum Kirche und Wirtschaft bei der Glencore zu Gast ist, treffen Manager auf Dekane und Mediensprecher auf Prediger. Oder sind sich die Kirchenvertreter und Rohstoffgiganten doch ähnlicher, als man glaubt?

Wenn über die Glencore geschrieben wird, stehen meist reiche Manager, Grubenunglücke, Menschenwürde oder seit neuestem auch Gewinneinbrüche im Zentrum (zentralplus berichtete). Alfredo Sacchi ist Domherr und Dekan der katholischen Kirche des Kantons Zug und er hat die Firma von einer etwas anderen Seite kennengelernt.

Er und andere Kirchenvertreter haben sich dieses Jahr bereits zum dritten Mal in Folge mit Vertretern des Rohstoffgiganten getroffen. Die Kirche wolle ihre christlichen Anliegen einbringen und ethische Werte in der Wirtschaft verankern, sagt Sacchi. Im Interview spricht er über seine Erfahrungen mit der Glencore, der Schwierigkeit, den christlichen Anliegen Gehör zu verschaffen, und nicht ganz offensichtliche Gemeinsamkeiten zwischen den Gottesdienern und Managern.

zentralplus: Herr Sacchi, wenn Sie die Glencore treffen, treffen Welten aufeinander …

Alfredo Sacchi: Es treffen Welten aufeinander, ja. Wobei wir auch eine gemeinsame Welt haben: Wir leben hier, wir arbeiten hier. Und die Kinder der Glencore-Leute gehen hier zur Schule und in den Religionsunterricht. Wir kommen zusammen wie Nachbarn und reden.

«Wir haben auch eine gemeinsame Welt.»
Alfredo Sacchi

zentralplus: Über was wird geredet?

Sacchi: Wir reden darüber, wie wir und wie sie mit den Vorwürfen umgehen, die immer wieder an sie gerichtet werden. Das ist die Grundlage. Wir kommen nicht mit Vorwürfen. Wir haben eine andere Haltung als die Vertreter der Hilfswerke. Diese suchen Tatsachen, wir suchen das Gespräch und lassen uns dabei auch gerne etwas erklären.

«Wir kommen nicht mit Vorwürfen.»
Alfredo Sacchi

zentralplus: Was ist dabei die Aufgabe der Kirche?

Dekan A. Sacchi

Dekan A. Sacchi

(Bild: katholischekirchezug.ch)

A. Sacchi: Wir möchten, dass Menschen nicht ausgenutzt werden. Unser Anliegen ist, dass der Mensch im Mittelpunkt steht, und nicht der Gewinn. Wir möchten, dass beim Handel und der Produktion von Rohstoffen alle gleich profitieren können. Es geht uns um ein Stück Gerechtigkeit, um Menschenwürde und überhaupt um Menschlichkeit. Das ist unsere Grundhaltung. Dort, wo das gefährdet ist oder gefährdet zu sein scheint, suchen wir das Gespräch.

zentralplus: Stossen Sie damit auf offene Ohren?

Sacchi: Ja, wir stossen auf offene Ohren, wobei unsere Ohren auch offen sind. Wir hören sehr viel zu. Die Leute von der Glencore sind geschult, und es ist ihr Interesse, uns zu überzeugen, dass sie sowieso alles gut machen. Wir stellen dann trotzdem unsere Fragen. Aber es ist ein gutes Klima, und sie gehen auf unsere Fragen ein.

zentralplus: Was sind typische Fragen, die gestellt werden?

Forum Kirche und Wirtschaft

Das Forum Kirche und Wirtschaft ist von der Vereinigung der Katholischen Kirchgemeinden des Kantons Zug (VKKZ) getragen und im Dekanat Zug integriert. Es setzt sich für christliche Grundanliegen und ethische Werte in der Zuger Wirtschaft ein. Mit regelmässigen Veranstaltungen versucht das Forum, kirchliche Mitarbeitende und Kirchenmitglieder für wirtschaftliche Zusammenhänge zu sensibilisieren, und sucht Antworten auf wirtschafts- und sozialethische Fragen.

Das Forum sieht es als seine Aufgabe, Personen und Institutionen aus Wirtschaft, Gesellschaft und Kirche zu vernetzen. Anhand von Vortragsforen, Gesprächsrunden und Einzelberatungen fördert es den aktiven Dialog und damit das gegenseitige Verständnis dieser Bereiche.

Christoph Balmer ist Fachstellenleiter des Forums Kirche und Wirtschaft. Er organisiert die Treffen zwischen den Vertretern der Kirche und der Glencore.

Sacchi: Wie geht es euch mit den Vorwürfen? Was sind eure Beweggründe bei Entscheidungen? Was macht ihr dafür, dass es in dieser Branche ein Stück mehr Gerechtigkeit, Menschenwürde und Gesundheit gibt? Aber wir haben auch gemerkt, dass es nicht so einfach ist: Glencore trifft sehr komplexe Bedingungen an. Die Verantwortungen vor Ort sind sehr kompliziert: Verhandlungen mit Regierung, mit der Bevölkerung, aber auch mit anderen Firmen, die dort arbeiten; das ist nicht einfach. Deshalb möchten wir das, was die Glencore macht, um in diesem Geschäft ein Stück Menschlichkeit zu erhalten, loben und fördern. Wir haben aber gemerkt, dass es bei der Glencore sehr engagierte Menschen gibt, die in einem christlichen Sinne ihren Job zu machen versuchen.

zentralplus: Die komplexen Bedingungen existieren überall auf der Welt. Warum suchen Sie gerade mit der Glencore das Gespräch?  

Sacchi: Ja, Sie haben Recht, es gibt noch andere Firmen, aber mit der Glencore haben wir den Kontakt gefunden. Ausgangspunkt war eine Demo beim Casino in Zug im November 2012 und der Vorwurf, dass sich die Kirche gar nicht ins Thema einmische. Dem habe ich dann öffentlich widersprochen. Eine Zeitung hat das gedruckt. Wir hatten bis zu jenem Zeitpunkt bei Glencore bereits zweimal um ein Gespräch ersucht, aber keine oder abschlägige Antworten erhalten. Als es dann in der Zeitung stand, kam sogleich der Anruf, sie seien bereit zum Gespräch. Seither funktioniert es.

zentralplus: Was erhoffen Sie sich von diesen Treffen?

Sacchi: Ich glaube nicht, dass wir einen wahnsinnigen Einfluss haben, aber die Geschäftsleitung ist immer sehr gut vertreten. Und wir sind ein kleines Mosaiksteinchen, ein kleiner Antrieb, damit die Glencore ihre Bemühungen beibehält, unsere Anliegen umzusetzen. Es ist ein minimaler Beitrag, aber einen, den wir leisten können.

«Ich glaube nicht, dass wir auf die Glencore einen wahnsinnigen Einfluss haben.»
Alfredo Sacchi

zentralplus: Lassen Sie sich nicht einfach zur Imagepflege der Glencore vor den Karren spannen?

Sacchi: Wir möchten uns natürlich nicht nur benutzen lassen. Es geht darum, das Gespräch zu suchen. Und dieses war zu offen und das Vertrauen zu gross, als dass es blosse Image-Pflege gewesen wäre.

zentralplus: Verändert sich denn auch etwas durch die Gespräche?

Sacchi: Ja, das Gespräch wird offener, gelöster. Am Anfang haben wir mehr Verteidigungsstrategien gespürt als jetzt beim dritten Mal. Jetzt sind wir auf einer Ebene, wo man sich gegenseitig zu verstehen versucht. Man kennt sich jetzt auch besser. Ich glaube, es passiert einiges, trotz den schwierigen Zeiten im Rohstoffhandel. Die Menschen sind ihnen nicht gleichgültig. Wir spüren vonseiten der Glencore, dass es ihnen wichtig ist, dass alles gut und richtig abläuft.

«Jetzt sind wir auf einer Ebene, wo man sich gegenseitig zu verstehen versucht.»
Alfredo Sacchi

zentralplus: Können Sie ein konkretes Beispiel nennen, wo Sie finden, dass etwas passiert?

Sacchi: Zum Beispiel das Grubenunglück im Kongo. Ich glaube, es war eines der ersten Male, dass Glencore selber an die Medien gegangen ist und davon berichtet hat. Das wäre vor ein paar Jahren noch nicht passiert. Das zeigt, Glencore wird offener. (Anm. d. R.: Dr. Michael Fahrbach, Leiter Nachhaltigkeit bei Glencore, bestätigt auf Anfrage, dass es ein Unglück dieser Grösse in der Zeit, in der er bei der Firma gearbeitet habe, nie gegeben habe. Deshalb wolle Glencore in so einem Fall auch aktiv auf die Öffentlichkeit zugehen und sie informieren.)

«Glencore wird offener.»
Alfredo Sacchi

zentralplus: Die Glencore sieht sich oft starker Kritik ausgesetzt. Insbesondere einzelne Manager werden oft harsch kritisiert. Ist vonseiten der Glencore während den Gesprächen auch ein seelsorgerischer Beitrag der Kirche erwünscht?

Sacchi: Auch hier sind die Gesprächspartner offen. Wir haben vor allem am zweiten Gespräch darüber gesprochen. So haben wir zuhanden der ausländischen Arbeitnehmenden die Good Shepherd’s Catholic Community empfohlen, aber auch auf die Sozialberatungsangebote der reformierten und katholischen Kirche Zug verwiesen.

zentralplus: Aus welchen Gründen beanspruchen denn Manager solche Angebote?

Sacchi: Das war einfach eine allgemeine Info ohne konkrete Hintergründe – einfach, um ein Angebot an Hilfestellung in irgendwelchen Fragen anzubieten.

zentralplus: Zu Beginn des Gesprächs haben Sie bestätigt, dass bei den Gesprächen Welten aufeinandertreffen. Haben Sie dennoch Gemeinsamkeiten mit den Managern?

Sacchi: (Überlegt lange) Ich habe das Gefühl, die Glencore-Leute leben sehr stark für ihre Firma. Und ich lebe auch für meine «Firma», mir ist die Freude noch nicht abhandengekommen. Und das spüre ich auch bei den Leuten von der Glencore.

Glencore nimmt Stellung

Dr. Michael Fahrbach ist Leiter Nachhaltigkeit bei der Glencore. Auch er ist bei den Gesprächen jeweils dabei. Auf die Frage, ob er und seine Manager etwas mit den Kirchenmännern gemeinsam hätten, antwortet er: «Wir arbeiten beide im gleichen Werteraum. Und wir stehen genau so im Leben und sind Teil der Gesellschaft, wie die Kirche auch.»

«Es geht darum, Netzwerke zu knüpfen.»
Dr. Michael Fahrbach, Glencore

Die Glencore würde sich mit der Kirche treffen, wie grundsätzlich auch mit allen anderen relevanten Anspruchsgruppen, die Interesse hätten. Das sei einerseits die Politik, aber auch die Verwaltung, ihre Angestellten, Privatpersonen und so weiter. «In diesem besonderen Fall war es die Kirche, die den Stein ins Rollen gebracht hat und uns kontaktiert hat», so Fahrbach. Die Industrie sei grundsätzlich sehr interessiert an diesem Austausch, auch international. Deshalb sei das auch nichts Ungewöhnliches.

«Es geht darum, Netzwerke zu knüpfen. Wir besprechen aber auch Themen wie die Integration von Expats, also ganz profane Dinge.» Zum Vorwurf, solche Treffen seien reine Image-Übungen, kontert Fahrbach, das stimme nicht. «Das Treffen wurde an uns herangetragen. Wir hätten auch ablehnen können. Zudem haben wir das Treffen bewusst nicht kommuniziert. Wir wollten uns nicht damit profilieren.» Er verbringe etwa 50 Prozent seiner Zeit damit, sich mit Leuten zu treffen.

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