Sozialdienst wagte juristischen Alleingang

Kesb-Fall vor Bundesgericht: Rischer Gemeinderat wusste von nichts

Der Rischer Sozialdienst ist im Zentrum Dorfmatt in Rotkreuz einquartiert.

(Bild: Facebook Risch Tourismus)

Dicke Luft in der Gemeinde Risch: Der Sozialdienst handelt in Eigenregie und bringt einen Kesb-Fall bis vor Bundesgericht. Der Gemeinderat hatte keine Ahnung davon, wie er sagt. Nun will der Gemeinderat abklären, wie es so weit kommen konnte.

Warum geht man als Gemeinde im «Kampf» gegen die Kesb bis vor Bundesgericht – zumal auch noch ohne grosse Aussicht auf Erfolg? Diese Frage muss sich aktuell die Gemeinde Risch gefallen lassen.

In einem Bundesgerichtsurteil vom 10. Mai finden die obersten Richter des Landes deutliche Worte für das Verhalten der Gemeinde und ihres Sozialdienstes. Die Rede ist von «unterschwelligen Anfeindungen» der Gemeinde gegen die Kesb des Kantons Zug (zentralplus berichtete).

Kesb widerspricht Polizei

Doch was ist überhaupt passiert? Vergangenes Jahr reichte die Zuger Polizei bei der Kesb eine Gefährdungsmeldung ein. Grund: Die Polizei war der Überzeugung, dass ein Mann, bei welchem sie eine Wohnungsdurchsuchung machte, seinen Haushalt nicht selbst führen könne.

Die Zuger Kesb nahm sich der Sache an und kam zum Schluss, dass aktuell keine Anzeichen für einen Schwächezustand vorlägen, die betroffene Person regelmässig im Kontakt mit dem Sozialdienst stehe und in der Vergangenheit in der Lage gewesen sei, Arbeitslosengelder sowie Leistungen der Invalidenversicherung geltend zu machen.

«Es gibt aus unserer Sicht keinen Anlass dazu, das Urteil zu kritisieren oder zu bemängeln.»

Gemeinderat Risch

Die Kesb gestand zwar ein, dass etwas unternommen werden müsste, was die Entsorgung des Hausrats anbelangt. Denn dafür mangle es dem 57-Jährigen an den finanziellen Mitteln. Das Problem könne jedoch leicht gelöst werden: Der Sozialdienst müsse bloss einmalig die Kosten für die Entsorgung für den nicht mehr benötigten Hausrat übernehmen.

Gemeinde wollte Antworten

Der Sozialdienst der Gemeinde Risch sah dies anders und wandte sich ans Zuger Verwaltungsgericht. Die Beschwerde – sowohl im Namen der Gemeinde, als auch des Betroffenen – war jedoch nicht von Erfolg gekrönt, weshalb die «Gemeinde» den Fall an das Bundesgericht weiterzog.

Man habe Klarheit gewollt, wie aus den gerichtlichen Unterlagen hervorgeht. Klarheit, was den Schwächezustand des Mannes betrifft und weshalb eine Erwachsenenschutzmassnahme nötig sei – oder eben nicht. Die Gemeinde erlitt mit der Beschwerde jedoch Schiffbruch.

«Eine eigene Auseinandersetzung»

Das Bundesgericht trat gar nicht erst auf die Beschwerde ein. Denn in Zivilsachen könnten Parteien vor Bundesgericht nur von Anwälten vertreten werden, die hierzu berechtigt sind. Die Gemeinde beziehungsweise deren Leiterin des Sozialdienstes gehört nicht dazu. Auch sonst wäre die Beschwerde chancenlos geblieben.

Gabriella Zlauwinen bleibt auch künftig in der Doppelrolle als Präsidentin der KESB und Amtsleiterin für Kindes- und Erwachsenenschutz

Kesb-Präsidentin Gabriella Zlauwinen spricht im Zusammenhang mit dem aktuellen Fall von einem «Novum».

(Bild: zentralplus)

Einer der Gründe dafür: Der Betroffene selbst hatte laut Bundesgerichtsurteil gegenüber der Kesb gesagt, er brauche keine Unterstützung. Zudem sei die Beschwerde der Gemeinde einzig aus ihrer Sicht geschrieben. Der Rischer Sozialdienst sei offensichtlich darauf erpicht, eine eigene Auseinandersetzung mit der Zuger Kesb auszutragen, so der Schluss der Bundesrichter.

Die eine darf nicht, der andere kann nicht

Nun wird offensichtlich: Innerhalb der Gemeinde ist einiges schiefgelaufen. Dies wird bereits deutlich, als wir nachfragen, wer uns zum Fall Auskunft geben könne. Die Leiterin des Sozialdienstes sagt, sie sei nicht auskunftsberechtigt. Dies sei einzig Gemeindeschreiber Ivo Krummenacher. Dieser kenne sich beim Fall jedoch zu wenig gut aus, wie die Leiterin sagt.

Am Tag darauf kann Krummenacher dann doch Auskunft geben – dies nach einer Sitzung des Gemeinderats, wie er sagt. Pikant: Offenbar wusste der Gemeinderat nichts vom juristischen Gebaren des Sozialdienstes rund um seine Leiterin.

Gemeinderat musste erst unterrichtet werden

Krummenacher sagt: «Es könnte der Eindruck entstehen, die Gemeinde habe in offizieller Mission, also legitimiert durch einen Gemeinderatsbeschluss, die Gerichte angerufen. Dem ist aber nicht so.» Stattdessen habe der Gemeinderat gar erst in Kenntnis gesetzt werden müssen über den Fall.

Anschliessend habe der Gemeinderat interne Abklärungen eingeleitet, um herauszufinden, wie es dazu kommen konnte, dass die Angelegenheit vor Bundesgericht gezogen wurde – ohne dass er etwas davon wusste.

«Seit unserem Bestehen hatten wir noch keinen ähnlichen Fall.»

Gabriella Zlauwinen, Präsidentin Kesb Kanton Zug

Es gibt also zwei Möglichkeiten. Entweder es handelt sich um eine krasse Kommunikationspanne oder die Exekutive wurde absichtlich übergangen. Man wolle bis zum Vorliegen der Abklärungsergebnisse zu den internen Abläufen keine weiteren Auskünfte erteilen, heisst es von Gemeindeseite.

Der Gemeinderat hält jedoch fest: «Das Urteil des Bundesgerichts ist klar. Es gibt aus unserer Sicht keinen Anlass dazu, das Urteil zu kritisieren oder zu bemängeln.» Ein deutlicher Seitenhieb in Richtung Sozialdienst. Hätte der Gemeinderat Kenntnis des Falls gehabt – er wäre kaum je vor Bundesgericht gelandet. Zumal die Beschwerde bereits an formalen Fehlern scheiterte, die dem Gemeinderat wohl bewusst gewesen wären.

Keine weiteren Gerichtsfälle

Bei Unstimmigkeiten mit den Behörden suche man von Gemeindeseite den direkten Kontakt, um die Angelegenheiten auf bilateralem Wege zu klären, so der Gemeinderat weiter. Man sei bestrebt, auch mit der Kesb kooperativ zusammenzuarbeiten.

Inhaltliche Differenzen mit anderen Behörden könnten zwar vorkommen. Doch: Weitere Fälle im Erwachsenen- und Kindesschutzbereich vor Verwaltungsgericht gebe es keine – geschweige denn vor Bundesgericht. Was den aktuellen Fall mit der Kesb betreffe, sei die Geschichte aus Sicht des Gemeinderats erledigt, so Krummenacher. Nur eben intern nicht.

Novum für die Kesb

Gabriella Zlauwinen, Präsidentin der Kesb Kanton Zug, äussert sich zurückhaltend zum Fall. Grundsätzlich wolle man sich zum Bundesgerichtsentscheid nicht weiter äussern. Sie lässt jedoch durchblicken, dass dieser Fall ein Novum in der rund 6,5-jährigen Geschichte der Zuger Kesb darstelle. «Seit unserem Bestehen hatten wir noch keinen ähnlichen Fall», sagt sie.

Obwohl: «Es gab ab und zu Fälle unserer Kesb, die vor das Bundesgericht gezogen wurden. Dies jedoch von betroffenen Personen, die mit einem Entscheid der Kesb beziehungsweise dem danach folgenden Urteil des Verwaltungsgerichts nicht einverstanden waren. Das Bundesgericht hat jedoch bis jetzt die Entscheidungen der Kesb gestützt», so Zlauwinen.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von mebinger
    mebinger, 01.06.2019, 15:55 Uhr

    Wundert mich nicht im Geringsten, Bürokraten sind Mimosen und verlieren den Verstand, wenn sie vor Gericht verlieren und da sie nicht mit eigenem Geld handeln, stieren sie alles bis zum bitteren Ende durch statt endlich Vernunft an zu nehmen

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  • Profilfoto von Frapedi
    Frapedi, 01.06.2019, 15:05 Uhr

    » Offenbar wusste der Gemeinderat nichts vom juristischen Gebahren des Sozialdienstes rund um seine Leiterin.»
    https://www.duden.de/rechtschreibung/Gebaren

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