Strafe: Fast sieben Jahre Gefängnis

Keine Vergewaltigung? Doch, sagt das Kriminalgericht Luzern

Das Sexualstrafrecht wird überarbeitet und dabei wohl verschärft. (Bild: Fotolia)

Ein Luzerner hatte mit seiner Freundin gegen deren Willen Sex. Er glaubte, das sei keine Vergewaltigung. Der Fall zeigt, weshalb es «höchste Zeit ist, das Sexualstrafrecht zu revidieren», wie es die Luzerner Uni-Professorin Anna Coninx formuliert.

Der Mann versteht bis zum Schluss nicht, warum er ein Vergewaltiger sein soll. Er macht in der Verhandlung vor dem Kriminalgericht ein ratloses Gesicht, wirkt gar etwas verwirrt und unsicher.

Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, seine Freundin fast erwürgt und anschliessend vergewaltigt zu haben. Ersteres gesteht er ein und beteuert hundertmal, wie leid es ihm tut. Er habe seine grosse Liebe wirklich nicht umbringen wollen. Aber eine Vergewaltigung begehen? Nein, das würde er nie machen.

«Für mich ist es so in einer Beziehung: Wenn ich keine Lust habe und meine Frau schon, dann mache ich ihr den Gefallen. Und erwarte das auch umgekehrt. Das ist für mich keine Vergewaltigung, sorry», sagt der 30-Jährige. Und so nahm er sich an jenem Abend, was er sollte.

Nein heisst nein!

Aus Sicht des Staatsanwalts ist das ganz klar eine Vergewaltigung. «Nein heisst nein!», rief er in seinem Plädoyer (zentralplus berichtete). Nicht zu vergessen ist dabei der Hintergrund der Tat: Der junge Mann hatte die Mutter seines Kindes nur kurz zuvor beinahe getötet. Er hatte sie so lange gewürgt, bis sie ohnmächtig war. Danach soll er sie nicht mehr aus der Wohnung gelassen und mit ihr den Geschlechtsverkehr vollzogen haben, obwohl sie dies nicht wollte. Sie sagte ihm das klar und weinte während der Tat.

Der Mann räumt ein, dass seine Freundin erst keinen Sex wollte. Aber dann habe sie eben doch mitgemacht. Wie das halt sei in einer Beziehung. «Ich glaube nicht, dass sie sich gewehrt hat. Ich kann es Ihnen nicht sagen. Ich war auf mich fixiert», sagt der Beschuldigte, der zunächst angab, dass er sich mit dem Sex bei seiner Freundin habe entschuldigen wollen.

Gefängnis und Therapie

Das Kriminalgericht verurteilt den Mann jetzt wegen versuchter eventualvorsätzlicher Tötung, Vergewaltigung, Freiheitsberaubung und versuchter Nötigung. Bestraft wird er mit einer Gefängnisstrafe von sechs Jahren und elf Monaten.

Weil dem Mann eine Persönlichkeitsstörung mit psychopathischen Anteilen attestiert wurde, wird er vor dem Vollzug der Strafe therapiert. Das Gericht ordnet eine stationäre Massnahme an. Weil diese nach Ablauf von fünf Jahren um fünf Jahre verlängert werden kann, wird sie umgangssprachlich auch «kleine Verwahrung» genannt.

Sexualstrafrecht soll verschärft werden

Die Diskussion, wann eine Vergewaltigung vorliegt, wird derzeit auch auf politischer Ebene geführt. Dies, weil der Bundesrat das Sexualstrafrecht überarbeiten will. Die Vernehmlassung dazu dauert noch bis zum 10. Mai.

Bereits dazu geäussert hat sich der Verein «Unser Recht». Die Stellungnahme wurde von Anna Coninx und weiteren Personen verfasst. Coninx ist Vorstandsmitglied und Assistenzprofessorin für Straf- und Strafprozessrecht an der Universität Luzern.

«Für diese Revision ist es höchste Zeit. Wir haben ein veraltetes Sexualstrafrecht, das dringend revidiert werden muss», heisst es ihrer Stellungnahme. Nach geltendem Recht würden zum Teil massive sexuelle Übergriffe nicht angemessen bestraft.

«Das liegt daran, dass Sex gegen den Willen einer Person nur dann als schweres Unrecht angesehen wird, wenn der Täter das Opfer zusätzlich nötigt, also Gewalt anwendet, das Opfer bedroht, es psychisch unter Druck setzt oder zum Widerstand unfähig macht», schreibt Coninx.

Luzernerin stellt Strafrahmen infrage

Demgegenüber könne Sex gegen den Willen einer Person ohne zusätzliche Nötigung nur als sexuelle Belästigung bestraft werden, was «klarerweise nicht angemessen ist, da es sich hierbei um ein Antragsdelikt handelt, das nur mit Busse bestraft wird».

Dass der Bundesrat dies ändern wolle, sei deshalb sehr zu begrüssen. Die wichtigste Änderung betrifft den Straftatbestand des «sexuellen Übergriffs», der neu geschaffen werden soll. Damit könnten auch sexuelle Handlungen gegen den Willen einer Person bestraft werden, ohne dass eine Nötigung vorliegt. In solchen Fällen würde künftig eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe drohen.

Bei diesem Punkt sollte der Bundesrat aus Sicht von Coninx nochmals über die Bücher. «Dieser Strafrahmen erscheint als tief, insbesondere im Vergleich zur Vergewaltigung, die eine Mindeststrafe von einem Jahr und eine Höchststrafe von zehn Jahren Freiheitsentzug kennt», heisst es in ihrem Beitrag weiter.

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