Bund will Kurzstreckenflüge vermeiden

Keine Lust auf Bahn: Zuger Beamte fliegen nach Deutschland

Freiheit wie über den Wolken: Die Zuger Verwaltung kennt keine Weisungen in Sachen Verkehrsmittelwahl. (Symbolbild: Emanuel Ammon/AURA)

Kurzstreckenflüge verboten: Wer beim Bund arbeitet, muss bald öfters im Zug reisen. Die Flugscham hat die Verwaltungen erreicht. Anders im Kanton Zug: Ob die Angestellten den Zug oder das Flugzeug nehmen sollen, wird nicht vorgegeben.

Zug kann sich nicht über fehlende Firmen beklagen. Der Kanton zählt zu den stärksten Wirtschaftsstandorten der Schweiz. Doch auch den Zugern fliegen die Firmen nicht einfach so zu. Die Standortpromotion führt die Verwaltung deshalb auch mal ins Ausland.

Im vergangenen Jahr sind drei Angestellte des Amtes für Wirtschaft dafür ins Flugzeug gestiegen. Einmal führte die Reise nach Singapur, einmal ins amerikanische Boston und einmal nach Frankfurt am Main.

Für Angestellte des Bundes wäre Letzteres bald verboten. Ab Mitte 2020 müssen sie den Zug nehmen, wenn die Reise weniger als sechs Stunden dauert, sofern dies keine zusätzliche Übernachtung oder gesundheitliche Probleme verursacht und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gewährleistet ist. Für die Angestellten bedeutet das: Nach München, Paris oder eben auch Frankfurt gilt grundsätzlich ein Flugverbot.

Parlament entscheidet über Verschärfung

Obwohl die damit verbundene CO2-Ersparnis vergleichsweise gering ausfällt, will der Bundesrat mit dem Mitte Dezember vorgestellten Aktionsplan Flugreisen etwas gegen den Klimawandel unternehmen. Er kommt damit auch einer Forderung des Luzerner Nationalrats Michael Töngi entgegen.

Der Grüne will noch einen Schritt weitergehen – und verlangt eine 8-Stunden-Grenze. Das hätte weitreichendere Folgen: Damit wären auch London oder der EU-Hauptsitz in Brüssel neu nur noch mit dem Zug zu bereisen. Ob das Parlament Töngis Anliegen unterstützt, wird sich zeigen. Der Zeitpunkt dafür könnte jedenfalls kaum besser sein: Als Bundesrat Ignazio Cassis im Dezember für ein Treffen von Bern nach Zürich flog, war die öffentliche Empörung gross.

Zuger Regierungsräte bleiben am Boden

Dass die Flugscham in der Verwaltung Einzug gehalten hat, bezeugen auch mehrere Kantone. In Genf oder Basel-Stadt etwa hat die Politik auf den Klimawandel reagiert und Kurzstreckenflüge unter 1000 oder gar 1200 Kilometer verboten.

In der Zentralschweiz geht man das Thema – wie bei vielem – etwas gemächlicher an. Mit Sicherheit auch, weil die Angestellten der Kantonsverwaltungen mehrheitlich am Boden bleiben. Im Kanton Zug zum Beispiel hat 2019 kein einziger der sieben Regierungsräte aus dienstlichen Gründen einen Flug absolviert, wie es auf Anfrage heisst.

Von Frankfurt bis Delhi

Anders in der Verwaltung: Nebst den drei Wirtschaftsförderungsreisen sind kantonale Angestellte letztes Jahr 16 weitere Male ins Flugzeug gestiegen. Mal flog ein Mitarbeiter als Referent an ein Symposium nach Düsseldorf, mal einer an einen Kongress zum Thema Gesundheitsforschung in Berlin. Drei Flüge gehen auf das Konto eines Austauschprojekts der Bildungsdirektion im indischen Delhi, einer nach New York diente einem Kontrollbesuch des dortigen Ateliers.

Mit insgesamt acht Flügen war Deutschland das meistbesuchte Reiseziel. Einige der Destinationen – wie beispielsweise Düsseldorf oder Frankfurt am Main – wären im Zug in weniger als sechs Stunden erreichbar. Sie liegen also unterhalb der Schwelle, für die bei der Bundesverwaltung künftig ein Flugverbot gilt. Würde Zug die Weisung übernehmen, hätte das also Folgen. Doch der Einfluss der Klimadebatten zu diesem Thema ist in Zug noch nicht spürbar. «In der Verwaltung des Kantons Zug gibt es keine Weisungen oder Regelungen betreffend Wahl des Verkehrsmittels», heisst es auf Anfrage.

Angesichts der tatsächlich absolvierten Flüge ist indes auch fraglich, ob diesbezüglich Handlungsbedarf besteht. Denn knapp 20 Flugreisen sind ein Klacks im Vergleich zu anderen. Alleine in der Stadt Zürich absolvieren die Angestellten pro Jahr durchschnittlich über 900 Flüge. Der Zürcher Stadtrat hat denn auch angekündigt, konkrete Schritte zu einer Trendwende und wo möglich einer Reduktion der Flugreisen anzuvisieren, nachdem zwei grünliberale Stadtparlamentarier Druck gemacht haben. Bislang gilt in der Stadt Zürich die Regel, dass bei einer Reisezeit von sechs Stunden möglichst der Zug benutzt werden soll – Ausnahmen sind aber möglich.

Luzern: Nur pauschale Auskünfte

Klare Vorgaben im Sinne einer fixen Stunden- oder Kilometerzahl kennt der Kanton Luzern nicht. Als Grundsätze habe der Regierungsrat festgelegt, dass im Kurz- und Mittelstreckenbereich auf Flugreisen verzichtet werden soll, heisst es bei der Staatskanzlei. Wo sie aus zeitlichen und wirtschaftlichen Gründen nötig sind, sollen die CO2-Emissionen kompensiert werden.

Einen Schritt weitergehen wollten vor fünf Jahren die Grünen. Sie forderten ein Verbot von Flugreisen innerhalb von Europa für die Kantonsangestellten und Regierungsräte. Der Kantonsrat lehnte den Vorstoss aber deutlich ab.

Wie viel das bewirkt hätte, ist ohnehin nicht klar. Im Kanton Luzern, der als einer der letzten kein Öffentlichkeitsprinzip kennt, gibt es – anders als in Zug – keine Übersicht der absolvierten Flugreisen von Verwaltungsangestellten. «Geschäftlich bedingte Flugreisen sind im Kanton Luzern sehr seltene Einzelfälle», heisst es auf Anfrage lediglich. Da sie in der Hoheit der einzelnen Departemente und Dienststellen liegen, würden sie nicht auf einer zentralen Liste geführt.

Von New York bis Singapur: Die Reiseziele der Zuger Verwaltung im Jahr 2019.
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2 Kommentare
  • Profilfoto von Marco
    Marco, 21.01.2020, 09:33 Uhr

    Wer nur zu einer Sitzung fliegt, soll nicht hinfliegen. Für Sitzungen gibt es gute Alternativen: Online-Konferenz. Die 8 Stunden Regel wäre sinnvoll. Nur so kommen Hamburg, Berlin, Wien und Rom in den Perimeter, wo man mit dem Zug hinfährt und man hat eine Wirkung.
    Wer 8 Stunden über den Atlantik fliegen kann, sollte auch bereit sein, 8 Stunden im zug zu sitzen. Dort kann man noch online sein und arbeiten. Der Zug ist heute ein fahrendes Büro.

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  • Profilfoto von Enzi
    Enzi, 20.01.2020, 10:15 Uhr

    Die 6-Stunden-Regel ist ein Witz: morgens hin – Besprechung – abends zurück geht dann nicht mehr für viele Destinationen. Das Resultat sind 2 Arbeitstage statt einem plus Hotel- und Verpflegungsspesen bei gleicher Produktivität. Eine 3-Stunden-Regel wäre allenfalls sinnvoll. (entspricht Anreise zum Flughafen, 1 Std warten, 1 Std Fliegen, Rückreise vom Flughafen).

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