Neues Gesetz übers horizontale Gewerbe

Kantonsräte zerpflücken Sex-Gesetz

Sex in Etablissements und auf dem Strassenstrich soll im Kanton Luzern neu geregelt werden. (Bild: Fotolia.com)

Die Rückmeldungen der Parteien zum Sex-Gesetz zeigen: Kernelemente wie die Registrierungspflicht für die Sexarbeiterinnen werden im Kantonsrat wohl komplett zerzaust. Und: Es braucht noch viel Überzeugungsarbeit der Regierung, um dem Rest des Gesetzes wenigstens halbwegs zum Durchbruch zu verhelfen.

Da bläst der Luzerner Regierung aber ein heftiger Wind ins Gesicht. Kaum hat sie den Gesetzesentwurf über die Sexarbeit präsentiert (zentral+ berichtete), hagelt es auch schon Kritik von allen Seiten. Liest man die Rückmeldungen der Parteien, kommen erhebliche Zweifel auf, ob die Vorlage in der Juni-Session im Kantonsrat bestehen wird. Arg zerzaust wird etwa die Registrierungspflicht für Prostituierte.

Die Regierung will mit dem neuen Gesetz das Sexgewerbe im Kanton Luzern per anfangs 2016 auf eine neue rechtliche Grundlage stellen. Die rund 600 Prostituierten sollen sich künftig registrieren, und alle derzeit 110 Sexbetriebe bräuchten eine neue Bewilligung. Ausbeutung, illegale Anwesenheit, Schwarzarbeit und Menschenhandel sollen so reduziert werden. Auch Präventiv sind viele Massnahmen zur Besserstellung der Prostituierten geplant.

Anbei die Rückmeldungen der politischen Parteien:

Patrick Meier, CVP: «Schönfärberische Kostendarstellung»

Wie stehen Sie zum Gesetzesentwurf zur Regelung der Sexarbeit?

Die CVP hat sich an der Vernehmlassung im Jahr 2013 beteiligt. Wir haben die Diskussion um das Gesetz begrüsst und gleichzeitig auf die wenig transparenten finanziellen und personellen Folgen hingewiesen. Dieser Mangel ist mit dem vorliegenden Bericht nicht behoben und die Kosten sind schönfärberisch dargestellt. Der Gesetzesentwurf ist in der Fraktion noch nicht beraten, so dass keine abschliessende Meinung vorliegt.

Wurden ihre Rückmeldungen aus der Vernehmlassung genügend im Gesetzesentwurf berücksichtigt?

Nur bedingt, ein echter Mehrwert ist zurzeit noch zu wenig erkennbar. Die Haltung der CVP ist: Mit dem Gesetz bei uns darf keinesfalls der Sextourismus nach Luzern gefördert werden. Folgende Punkte bemängeln wir:
– Die Kollektivversicherung wurde von der CVP abgelehnt, weil dies nicht die Aufgabe des Staates ist.
– Die Gebührenordnung ist zu wenig geklärt und müsste verursachergerecht umgesetzt werden können.
– Die Nachtarbeit im Sinne des Arbeitsrechts ist nicht geklärt.

Welche Punkte kritisieren sie?

– Wie erwähnt: Die Kosten (zu wenig transparent, zu schön gerechnet).
– Wir stellen uns auch die Frage: Werden die Probleme rund um den Strassenstrich mit dem vorliegenden Bericht wirklich gelöst?
Die Zustimmung der Partei hängt von der Beratung in der Kommission und der Fraktion ab.

 

Johanna Dalla-Bona, FDP: «Stellen Registrierungspflicht in Frage»

Wie stehen Sie zum neuen Gesetzesentwurf der Regierung?

Wir unterstützen die Zielsetzung, wonach Sexarbeit legal und unter guten Rahmenbedingungen ausgeübt wird und Ausbeutungssituationen so weit als möglich verhindert werden. Zahlreiche rechtliche Grundlagen auf Bundes- und Kantonsebene regeln aber bereits heute die Ausübung der Sexarbeit als legale Tätigkeit. Wir hinterfragen daher den Bedarf einer zusätzlichen Gesetzgebung. Bestehende Gesetze sollen konsequent umgesetzt und allfällige Lücken allenfalls in Verordnungen geregelt werden.

Was verbessert sich dadurch?

Dem Grundsatz der Bewilligungspflicht für Indoorsexbetriebe haben wir bereits in der Vernehmlassung zugestimmt. Kontrollaufgaben der zuständigen Behörden zur Bekämpfung von Schwarzarbeit und zur Einhaltung von betrieblichen Mindeststandards werden dadurch erleichtert.

Was ist weniger gelungen und Bedarf evtl. Änderungen?

Die angedachte Registrierungspflicht stellen wir aufgrund der Umsetzung sowie des Kosten-Nutzen-Verhältnisses in Frage. Wir bezweifeln, ob Betroffene dieser Registrierung auch tatsächlich nachkommen und befürchten einen grossen administrativen Aufwand. Ebenfalls lehnen wir die Schaffung einer Fachkommission ab. Die Aufgaben sind in einer Dienststelle des Kantons zu übertragen, Kontrollaufgaben obliegen der Polizei. Präventions-, Informations- und Beratungsaufgaben können mit bestehenden Angeboten wahrgenommen werden, eine zusätzliche Anlaufstelle unterstützen wir nicht. Aufgrund der oben genannten Ausführungen stehen wir dem Gesetzesentwurf kritisch gegenüber.

 

Guido Müller, SVP: «Lehnen Gesetz komplett ab»

Wie stehen Sie zum neuen Gesetzesentwurf der Regierung?

Ein Gesetz über die Sexarbeit wird von der SVP abgelehnt. Den gesetzlichen Ansatz erachten wir als falsch.

Was verbessert sich dadurch?

Zu wenig. Die von der SVP unterstützten Massnahmen (zum Beispiel Prävention oder Schutzmassnahmen) sind ohne gesetzliche Grundlage umsetzbar.

Was ist weniger gelungen und Bedarf evtl. Änderungen?

Die Hauptinstrumente des Gesetzes wie Registrierungs- und Bewilligungspflicht erachten wir im Vollzug als kritisch. Insbesondere der Registrierung werden sich viele Arbeiterinnen entziehen. Die genannten Instrumente erachten wir als wenig zielführend und tendenziell bürokratisch. Die vorgeschlagene Begleitkommission erachten wir als träges Instrument und eine wirkliche Einflussnahme scheint uns kaum machbar.
Fazit: Es werden neue Staatsaufgaben und neue Stellen geschaffen die Kosten ohne erkennbaren Nutzen generiert.

 

Michele Graber, GLP: «Sexarbeiterinnen werden kriminalisiert»

Wie stehen Sie zum neuen Gesetzesentwurf der Regierung?

Da die Sexarbeit ein verbreitetes und real exisitierendes Gewerbe ist, macht es Sinn, dass der Gesetzgeber die Legalität bestätigt und klare Rahmenbedingungen schafft. Vor allem erachten wir den Schutz der schwächsten Personen des Gewerbes als notwendig. Einige Ansätze der Gesetzesvorlage sind gut, andere schiessen am Ziel vorbei. Der Vollzug kann kaum oder nur mit immensem Aufwand durchgeführt werden und dieser steht in einem klaren Missverhältnis zum Ertrag.

Was verbessert sich dadurch? 

Der Schutz der Bevölkerung vor den negativen Auswirkungen der Strassenprostitution könnte sich verbessern. Etwa indem eine gemeindeübergreifende Absprache gefordert wird, so dass eine Abschiebung des Problems in eine Nachbargemeinde vermieden wird. Eventuell verbessern sich Probleme mit Schwarzarbeit, Ausbeutung und Zwangsprostitution.

Was ist weniger gelungen und Bedarf evtl. Änderungen?

Bei der Registrierungspflicht überwiegen die Nachteile: Der Aufwand für die Registrierung und die Durchsetzung bei Zuwiderhandlungen ist sehr gross. Durch die hohe Mobilität der Sexarbeitenden kann das Register kaum aktuell gehalten werden. Auch können deshalb gesprochene Bussengelder, wenn überhaupt, nur unter grossem Aufwand eingetrieben werden. Das Risiko einer Kriminalisierung der Sexarbeiterinnen wird erhöht, ohne dass bei Zuwiderhandlungen die eigentlichen Übeltäter belangt werden können.

 

Priska Lorenz, SP: «Illegalität kann nicht ganz verhindert werden»

Wie stehen Sie zum neuen Gesetzesentwurf der Regierung?

Grundsätzlich stehen wir dem Gesetzesentwurf positiv gegenüber. Sexarbeit soll als Erwerbsarbeit wie jede andere betrachtet werden.

Was verbessert sich dadurch?

Das Gesetz dient dem Schutz der Sexarbeiterinnen, nimmt die Betriebe in die Pflicht und erwähnt explizit die Information und Beratung, was uns wichtige Anliegen sind.

Was ist weniger gelungen und Bedarf evtl. Änderungen?

Noch offen ist für uns die generelle Registrierungspflicht, welche wir nur bedingt unterstützen. Grundsätzlich hilft diese mit, Schwarzarbeit zu bekämpfen und das Krankenkassenobligatorium und weitere Sozialversicherungen durchzusetzen. Sie wird aber nicht verhindern können, dass weiterhin eine Gruppe (Minderjährige, Frauen ohne Aufenthaltsbewilligung) illegal arbeiten werden und für diese werden die Bedingungen dadurch eventuell sogar schlechter. Ein möglicher Ansatz wäre hier die Möglichkeit, dass auch NGOs die Registrierungen vornehmen könnten, etwa im Rahmen aufsuchender Beratungsarbeit.

 

Hans Stutz, Grüne: «Gesetz ist eine Mogelpackung»

Wie stehen Sie zum neuen Gesetzesentwurf der Regierung?

Der vorliegende Gesetzesentwurf ist eine Mogelpackung. Er ist nicht mehr ein Vorschlag zur Regelung einer häufig nachgefragten Dienstleistung, sondern ein Polizei- und Kontrollgesetz. Zweck des Gesetzes soll – gemäss Art. 2  – die Schaffung guter Rahmenbedingungen für alle Beteiligten im Bereich Sexarbeit sein, so unter anderem den Schutz der Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter vor Ausbeutung und Gewalt wie auch die Verhinderung von Schwarzarbeit gewährleisten.
Das Gesetz fördert nun aber die Stigmatisierung der SexarbeiterInnen durch die überall und jederzeit mögliche Kontrolle (Art. 4). Es wird zu Schwarzarbeit führen durch die Registrierungspflicht wie auch die dafür erhobenen kostendeckenden Gebühren. Registrierungspflicht und umfassende Kontrollmöglichkeit widersprechen auch der Absicht des Gesetzes, Sexarbeit als gewerbsmässige und legale Dienstleistung anzusehen.

Dass es auch anders geht, beweist der Kanton Bern, der vor wenigen Jahren ein Gesetz ohne Registrierungspflicht verabschiedet hat. In seinem Antrag hielt der Berner Regierungsrat in Bezug auf die Registrierung fest: «Letztlich würden diejenigen bestraft, die geschützt werden sollen.»

Was verbessert sich dadurch?
Die Grünen Luzern begrüssen einige Regelungen, insbesondere jene zur Indoorsexarbeit. Auch der Kanton Bern hat diesen Bereich detailliert geregelt. Zu begrüssen ist auch, dass nun – entgegen dem Vorschlag in der Vernehmlassung – erst Etablissements mit mindestens drei SexarbeiterInnen bewilligungspflichtig werden. Die Grünen Luzern begrüssen grundsätzlich die detaillierte Regelung der Datenaufbewahrung, sie streben aber noch eine genauere Regelung der zu erhebenden Daten an.

Was ist weniger gelungen und Bedarf evtl. Änderungen?
Die Registrierungspflicht muss gestrichen werden, andernfalls werden die Grünen Luzern das Gesetz wohl ablehnen.

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