Bestrafte sind pleite

Kantonsgericht muss Millionenbetrag abschreiben

Das Kantonsgericht Luzern muss über die Bücher. (Bild: cha)

Nicht bezahlte Bussen, Gerichtsgebühren und Geldstrafen: Das Luzerner Kantonsgericht bleibt auf einer Menge unbezahlter Rechnungen sitzen. Aktuell sind 3.4 Millionen Franken offen. Der Versuch, das Geld einzutreiben, bringe häufig nichts, sagt Generalsekretärin Barbara Koch.

Das Luzerner Kantonsgericht muss viel Geduld aufbringen. In der Buchhaltung häufen sich aktuell Beträge von insgesamt 3.4 Millionen Franken. Sie setzen sich zusammen aus Forderungen gesprochener Urteile; mit Bussen, Ersatzforderungen, Gerichtsgebühren und Geldstrafen. «Wir weisen Geld in unseren Beständen aus, von dem wir wissen, dass wir es nie bekommen werden», sagt Generalsekretärin Barbara Koch auf Anfrage.

Das Kantonsgericht plant für dieses Jahr mit gesamten Abschreibungen in der Höhe von 1.5 Millionen Franken. Es handelt sich um Rechnungen von Personen, bei denen zum Teil ganz auf ein Inkasso verzichtet wird, sagt die Generalsekretärin. «Es funktioniert bei unseren Rechnungen nicht so wie bei einem normalen Versandhandel mit zahlungsfähigen Kunden. Wir haben ein anderes Klientel», sagt Koch. Die offenen Rechnungen betreffen Bestrafte, die teilweise hoch verschuldet sind, von Sozialhilfe leben, ins Ausland flüchten oder ausgeschafft wurden.

Unauffindbar und «Wohnsitz im Ausland» 

Geldeintreiben sei manchmal aussichtslos. Am schwierigsten sei es laut Koch, sobald die Schuldner ins Ausland auswandern oder des Landes verwiesen werden. Aktuell fehlen 680’000 Franken (44 Prozent der Forderungen) von Personen im Ausland. In der Buchhaltung sind die Zusatzinformationen «Ausschaffung», «Unauffindbar» oder «Wohnsitz im Ausland» vermerkt (Die Zahlen sind Auszüge aus dem aktuellen System und können sich bis zum Jahresabschluss noch verändern).

Gibt es keine Möglichkeit, diese hohen Ausstände zu reduzieren? «Bei grösseren Beträgen muss man sich das schon gut überlegen», sagt die Generalsekretärin. Eine Prozessgebühr an den Luzerner Gerichten kann im Strafprozess je nach Verfahren zwischen 300 und 20 000 Franken betragen. Aber: Nur schon eine eine Betreibung im benachbarten Frankreich könne extrem teuer werden. Das Kantonsgericht müsste einen Anwalt vor Ort beauftragen, der den Gerichtsfall begleitet. «Das könnte 30’000 bis 50’000 Franken kosten», sagt Koch. Also müsste die Streitsumme sehr beträchtlich sein, damit der Kanton dieses Risiko auf sich nehme.

«Man weiss, das Geld ist nicht zu holen»

Die Rechnungen bleiben mehrere Jahre in den Büchern, die Forderungen werden nicht sofort abgeschrieben. «Manchmal kommen Personen nach einer bestimmten Zeit aus dem Ausland zurück. Meistens aber nicht», sagt Koch. Die Delinquenten werden gemahnt, zum Teil auch betrieben. «Irgendwann hat man aber nur noch einen Verlustschein und man weiss, das Geld ist nicht zu holen.» Zudem fielen häufig neben den Rechnungen des Kantonsgerichts auch Forderungen bei der Staatsanwaltschaft und der ersten Instanz an, die ebenfalls am Ende abgeschrieben werden müssten.

Mit einem Urteilsspruch verzichtet der Kanton in vielen Fällen schliesslich auf die Forderung. Bis jetzt sind für 2014 rund 415’000 Franken per Urteil zurückgenommen worden. Wegen normaler Betreibung, Konkurs oder Tod stehen bis jetzt 445’000 Franken aus.

Der Verdienst von Gefängnisinsassen sei im Übrigen nicht pfändbar. Der Gefangenenlohn wird sehr selten zur Abzahlung von Gerichtskosten verwendet, nur auf freiwilliger Basis. «Der Lohn der Gefangenen ist meistens derart gering, dass es nur für Seife und Zigaretten reicht», sagt Koch. «Wenn die Personen dann entlassen werden, kann man die offenen Rechnungen eintreiben. Aber diese Personen sind meist finanziell nicht liquid.» 

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