Zuger Kantonsräte können eine Weiterbildung auf Kosten des Staates machen. Das ist dem SVP-Kantonsrat Beni Riedi ein Dorn im Auge. Er findet: Amtsträger sollen dafür in die eigene Tasche greifen. Der Luzerner Politikwissenschaftler Joachim Blatter widerspricht.

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Wenn Kantonsräte die Schulbank drücken Kanton Zug zahlt Kurse für Politiker – zu Recht?
Die Aufgaben in der Politik werden zunehmend komplexer. In Zeiten von Globalisierung und Social Media dreht das Rad auch in der gemächlichen Schweiz immer schneller. Da erstaunt es kaum, dass sich auch Weiterbildungsangebote für Politiker zunehmender Beliebtheit erfreuen.
Die Universität St. Gallen bietet seit zwölf Jahren einen CAS «Weiterbildung für Politik» für amtierende und angehende Politiker an. Der Kurs verspricht nicht nur «umfassendes Rüstzeug», sondern ebenso höhere «Wahl- und Erfolgschancen in der Politik». Auch die Hochschule Luzern richtet sich seit einigen Jahren mit dem CAS Public Management und Politik an Personen im Spannungsfeld zwischen Verwaltung, Politik und Öffentlichkeit.
Wer im Kanton Zug im Parlament sitzt, kann einen Teil der Kosten solcher Angebote dem Staat verrechnen. Maximal 1’500 Franken zahlt der Kanton pro Mitglied und Legislatur. Die Weiterbildung muss allerdings in direktem Zusammenhang mit der Ausübung des Mandats und im Interesse des Kantons Zug stehen.
Kurs vermittelt Fachwissen und schafft ein Netzwerk
Davon Gebrauch gemacht hat Jean-Luc Mösch. Der Chamer CVP-Kantonsrat hat vor fünf Jahren den Kurs «Weiterbildung für Politik» an der HSG belegt. Das Angebot umfasste unter anderem das Funktionieren der Verwaltung, juristische Fragen, aber auch Rhetorik und Auftreten sowie die Kommunikation mit Medien, nur um einige zu nennen. Für ihn ist klar: «Ein solcher Kurs bringt enorm viel. Zum einen Fachwissen in den Kernthemen, zum anderen ein parteiübergreifendes Netzwerk und den Austausch.»
«Es ist störend, dass Politiker mit ihrer Kompetenz Werbung machen und sich dann, kaum im Amt, eine Weiterbildung mit Steuergeldern finanzieren lassen.»
Beni Riedi, SVP-Kantonsrat
Dass der Kanton Zug für solche Kurse aufkommt, missfällt SVP-Kantonsrat Beni Riedi. «Es ist störend, dass Politiker im Wahlkampf mit ihrer Kompetenz Werbung machen und sich dann, kaum im Amt, eine Weiterbildung mit Steuergeldern finanzieren lassen.»
In seinen Augen ist es nicht Aufgabe des Staates, beispielsweise für eine bessere Kommunikation von Politikern aufzukommen. Gerade weil viele Weiterbildungen auch für das Berufsleben der Politiker von Nutzen seien, sollten diese selber dafür zahlen. Er betont: «Das ist kein Votum gegen eine Weiterbildung, aber gegen eine staatliche Finanzierung.»
Finanziell fällt es kaum ins Gewicht
Des Geldes wegen, so hält Jean-Luc Mösch klar fest, habe er den Kurs nicht besucht. Der Kanton zahlte ihm 600 Franken, weil er einen Teil der Weiterbildung bereits vor dem Amtsantritt besuchte. Den Rest der knapp 10’000 Franken finanzierte der Chamer aus dem eigenen Portemonnaie.
«Auch die Bevölkerung profitiert, wenn nicht nur ‹Hamburger› im Rat sitzen.»
Jean-Luc Mösch, CVP-Kantonsrat
Er findet den staatlichen Zustupf auch vor dem Hintergrund der Kantonsratslöhne in Ordnung. Diese belaufen sich im Durchschnitt auf rund 9’000 Franken pro Jahr und Mitglied, wobei die Unterschiede im Einzelfall gross sein können. «Der Zuger Ansatz wirkt recht kümmerlich», sagte Georg Koller, emeritierter Professor für politische Philosophie der Universität Zürich, kürzlich zu zentralplus.
«Wie andere Arbeitgeber sollte auch der Kanton seinen Mitarbeitern das nötige Rüstzeug mitgeben», argumentiert Jean-Luc Mösch. «Zudem profitiert auch die Bevölkerung, wenn nicht nur ‹Hamburger› respektive bereits Fachkundige im Rat sitzen.»
Experte: «Klare Bringschuld des Staates»
Ähnlich sieht dies Joachim Blatter, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Luzern. Er erachtet dies klar als «Bringschuld» des Staates. «Es ist gut, dass sich Politiker weiterbilden – und das auf Kosten des Steuerzahlers. Denn in ihrem Auftrag handeln die gewählten Politiker. Je professioneller sie sind, umso besser können sie den Willen und Auftrag der Steuerpflichtigen erfüllen.»
«In Bezug auf das Fachwissen gibt es im Schweizer Milizsystem ein deutliches Defizit.»
Joachim Blatter, Politikwissenschaftler
Gerade in einer Zeit von zunehmender Arbeitsteilung und Globalisierung müsse auch die Politik mit der Professionalisierung Schritt halten. «Politiker sollten zum einen so sein wie die normale Bevölkerung. Zum anderen sind sie in ihrem Mandat umgeben von lauter Profis, sei es in der Exekutive, in der Verwaltung, in den Medien oder in der Wirtschaftselite.» Dieser Spannungsbogen werde in der Schweiz sehr einseitig zulasten der Professionalisierung gelöst. Denn er beobachtet eine extrem ausgeprägte Haltung im Sinne von «Hauptsache nicht Classe politique». Oder anders ausgedrückt: Hierzulande gilt man lieber als zu volksnah statt zu intellektuell.
Seit 2015 gab es im Kanton Zug nur zwei Gesuche für finanzielle Beiträge an Weiterbildungen:
- 2015 erhielt Jean-Luc Mösch (CVP) 600 Franken für einen Kurs.
- 2015 erhielten 13 Mitglieder der Justizprüfungskommission aus allen Parteien je 200 Franken für eine Weiterbildung.
Dass einzig die Politiker sich nicht weiterbilden sollen, ist für den Politikwissenschaftler eine «altbackene Vorstellung». Im Zentrum der Weiterbildungen sollte laut Joachim Blatter aber nicht das Selbstmarketing oder die Kommunikation stehen, sondern vertiefte Kenntnisse über Aufgabenverflechtungen und Sachzwänge, in welche die Politik eingebettet ist. «In Bezug auf das Fachwissen gibt es im Schweizer Milizsystem ein deutliches Defizit.»
SVP-Kantonsrat: Wer will, soll selber zahlen
Die Weiterbildungskosten für Politiker sind im Kanton Zug nicht zum ersten Mal Thema. SVP-Kantonsrat Beni Riedi verlangte schon 2013, dass die staatlichen Beiträge gestrichen werden. Damit fand er aber keine Mehrheit.
Finanziell schenkt die Sache ohnehin kaum ein. 3’200 Franken hat der Kanton seit 2015 für politische Kurse ausgeben. Zwischen 2016 und 2019 hat kein einziger Kantonsrat ein Gesuch gestellt. Diese Zahlen gehen aus einer Antwort auf eine Kleine Anfrage von Beni Riedi hervor. «Es hält sich im Masse», sagt auch der SVP-Kantonsrat. Ob er eine erneute Motion zur Abschaffung der Beiträge einreichen will, hat er deshalb noch nicht entschieden.
Ein Mail mit Kursspesen der Zuger Nationalrätin sorgte kürzlich für Schlagzeilen:
Ja
Nein
Sehr gute Idee.
SVP an erster Stelle in der Kolonne jawohl, selber bezahlen.