Urbaner Kanton - aber bürgerlich

Kanton Zug hinkt beim Frauenanteil in der Politik hinterher

Finde die Frauen: Im Zuger Kantonsrat sind sie aktuell in der Minderheit. (Bild: Andreas Busslinger)

Der Frauenanteil im Zuger Parlament liegt unter dem schweizerischen Durchschnitt. Er ist nur wenig höher als in eigentlichen Landkantonen wie Uri, Obwalden oder Appenzell-Innerrhoden. Die Zuger Parteien ordnen das im Jahr vor den Wahlen unterschiedlich ein.

28,8 Prozent betrug der Frauenanteil im Zuger Kantonsparlament nach den letzten Wahlen vom Herbst 2018. Mit dieser Quote liegt der Kanton Zug unter dem schweizerischen Mittel. Dieses beträgt gemäss Bundesamt für Statistik (BfS) aktuell 31,8 Prozent.

Und es kommt für Zug noch schlechter: Gemäss Angaben der Staatskanzlei waren dieses Jahr April 21 Frauen im Kantonsparlament vertreten. Das entspricht einem Frauenanteil von gerade mal 26,25 Prozent. Seit dem 7. Mai gehören nun 22 Frauen dem Kantonsrat an, was einen Frauenanteil von 27,5 Prozent ergibt.

Politgeograf: «Zug tickt sehr bürgerlich»

Mit diesen Werten liegt der Kanton Zug nicht sehr weit von den Quoten eigentlicher Landkantone wie Uri (25 Prozent), Obwalden (25,5 Prozent), Nidwalden (21,7 Prozent) oder etwa auch Appenzell-Innerrhoden (24 Prozent) entfernt. Das aber kann kaum dem Selbstverständnis des Wirtschaftsstandorts Zug gerecht werden, der sich so gerne urban und weltoffen gibt.

Der Politgeograf Michael Hermann sagt dazu: «Zug ist eben nicht einfach ein urbaner Kanton wie etwa Basel-Stadt oder auch Zürich.» Zug sei zwar in wirtschaftlicher Hinsicht stark urbanisiert, in gesellschaftlicher Hinsicht dagegen vor allem ein Kanton einer wirtschaftsliberalen Oberschicht beziehungsweise einer oberen Mittelschicht. «Und diese tickt sehr bürgerlich.» Es seien Kantone mit einem starken rot-grünen Milieu – wie kulturell urbane oder welsche –, die typischerweise einen hohen Frauenanteil hätten. 

Wie beurteilen die Zuger Parteien die schlechte Position des Kantons betreffend Frauenbeteiligung? Und was gedenken sie im Hinblick auf die nächsten Wahlen zu unternehmen? Allzu viel Zeit bleibt nicht; die nächsten Gesamterneuerungswahlen im Kanton finden am 2. Oktober 2022 statt, also in weniger als eineinhalb Jahren.

Quote ist für SVP «absolut in Ordnung so»

Kein Problem mit der tiefen Zuger Frauenquote hat die SVP. «Die Quote ist das Ergebnis der demokratisch geführten Wahlen. Sie ist deshalb absolut in Ordnung so, wie sie ist», erklärt SVP-Vizepräsident Thomas Werner auf Anfrage. Im Hinblick auf die nächsten Wahlen versuche die Partei, die besten Kandidatinnen und Kandidaten zu finden. «Das Geschlecht spielt dabei keine Rolle.» Zur Frage, ob sich die SVP schon Gedanken zur Erhöhung des Frauenanteils gemacht hat, sagt Thomas Werner: «Diese Frage stellt sich für uns gar nicht.»

«Es steht jeder Frau und jedem Mann gleichermassen zu, sich in der Politik für ihre Überzeugung einzusetzen.»

Thomas Werner, SVP

Kürzlich gab schweizweit der Kanton Neuenburg zu reden. Bei den letzten Wahlen steigerte dieser Westschweizer Kanton seinen Frauenanteil im kantonalen Parlament massiv. Die Neuenburger FDP hatte alle Frauen zuoberst auf ihre Liste gesetzt, die linken Parteien präsentierten Listen, die je zur Hälfte mit Frauen und Männern besetzt waren. Ist so etwas bei den nächsten Wahlen auch für die SVP des Kantons Zug denkbar? Thomas Werner winkt ab: «Solche Mittel kommen für uns nicht infrage. Frauen und Männer haben bei uns die exakt gleiche Ausgangslage. Wer auf eine Liste will, muss sich darum bemühen.»

Auch in Bezug auf mögliche weitere Massnahmen sieht Thomas Werner keinen Handlungsbedarf: «Es steht jeder Frau und jedem Mann gleichermassen zu, sich in der Politik für ihre Überzeugung einzusetzen.»

FDP: Vereinbarkeit mit Beruf und Familie sei nicht einfach

Die Zuger FDP wünsche sich mehr Frauen in den Parlamenten, sagt Vizepräsident Marc Reinhardt. «Viele politische und gesellschaftliche Themen betreffen Frauen direkt, wie zum Beispiel das für uns wichtige Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf.»

«Als erste Präsidentin der grössten Partei im Kanton ist es mir selbstverständlich ein Anliegen, dass der Frauenanteil erhöht werden kann.»

Laura Dittli, CVP

Leider stelle die FDP immer wieder fest, dass es heute für Frauen immer noch nicht einfach sei, neben Beruf und Familie auch noch «einer zeitlich anspruchsvollen Nebenbeschäftigung wie der Politik» nachzugehen. Die FDP des Kantons Zug lehne aber jegliche Art von vorgeschriebenen Quoten ab: «Wir konzentrieren uns lieber auf die Entwicklung von Lösungen, um mehr Frauen für die Politik zu motivieren.»

Das Wahlkampfteam der FDP habe seine Arbeit für die Wahlen 2022 aufgenommen. Es gehöre dabei zu seinen Aufgaben, auch Ziele bezüglich der Ausgeglichenheit der Listen, speziell im Hinblick auf den Frauenanteil, zu definieren.

CVP: Frühzeitiges Anfragen ist wichtig

«Ich würde es begrüssen, wenn der Frauenanteil in unserem Parlament noch mehr gesteigert werden kann», sagt Laura Dittli, Präsidentin der Zuger CVP. Es sei wichtig, dass ein Parlament die Bevölkerung abbilde. Dazu gehöre ein mindestens gleich hoher Anteil an Parlamentarierinnen. «Als erste Präsidentin der grössten Partei im Kanton ist es mir selbstverständlich ein Anliegen, dass der Frauenanteil im Hinblick auf die nächsten Wahlen erhöht werden kann.»

Grundsätzlich seien jedoch die Ortsparteien für die Nomination der Kandidierenden zuständig. «Die bisherigen Mandatsträger haben punkto Listenplatz sicherlich einen Vorteil.» Insbesondere in kleinen Gemeinden spiele der Listenplatz aber eine geringe Rolle, so die CVP-Präsidentin. Die langfristige Förderung von Frauen sei essenziell. «Nach einer Kandidatur ohne Wahlerfolg sind wir stets bemüht, diesen Kandidierenden andere Chargen in unserer Partei zu übergeben.» Zudem sei auch eine frühzeitige Anfrage bei möglichen Kandidatinnen ein wichtiges Mittel im Rahmen der Frauenförderung.

GLP ortet kleine Wahlkreise als Problem

«Die Frauenquote in der Zuger Legislative ist sehr bedauerlich», meint Tabea Estermann, Copräsidentin der Grünliberalen (GLP) des Kantons Zug. Es gebe Themen, bei denen Frauen besser von Frauen verstanden und vertreten würden.

Im Hinblick auf die nächsten Wahlen sei für die GLP eine ausgewogene Kandidatenliste das Ziel. Dies bedeute auch, dass man bei den weiblichen Kandidaten mehrmals nachhaken müsse. Leider sei es immer noch so, dass sich viele Frauen ein Amt weniger zutrauen würden oder sich – zum Beispiel mit einem guten Listenplatz – weniger profilieren möchten. Für die Wahlen 2022 habe sich die GLP schon konkrete Gedanken gemacht: «Wir haben die Mitgliederliste bereits durchgefiltert und werden die entsprechenden Personen in Kürze angehen.»

Die GLP werde alles daran setzen, einen Frauenanteil von 50 Prozent zu erreichen. Zudem wolle die Partei die Frauen auch in Top-Positionen auf den Listen platzieren. «Es ist leider auch so, dass wir als kleine Partei im Kanton Zug mit kleinen Wahlkreisen nicht immer eine sehr grosse Auswahl an möglichen KandidatInnen in jedem Wahlkreis haben.» Man gehe aber mögliche Kandidatinnen frühzeitig an und suche das persönliche Gespräch, um allfällige Zweifel zu beseitigen.

SP sieht die Bürgerlichen in der Pflicht

Isabel Liniger, Geschäftsleitungsmitglied der SP des Kantons Zug, bezeichnet die aktuelle Frauenquote im Zuger Kantonsrat als tief – gerade auch im Hinblick auf die nationale Quote. Die SP-Fraktion weise aber aktuell ein Verhältnis von 50:50 auf. Ziel der SP sei es, den Frauenanteil in der Fraktion halten zu können.

«Wir fordern insbesondere die bürgerlichen Parteien auf, endlich Frauen auf erfolgversprechende Listenplätze zu setzen.» 

Andreas Lustenberger, ALG

«Um die gesamtparlamentarische Frauenquote zu heben, wäre aber sicherlich ein Bestreben in diese Richtung seitens der bürgerlichen Parteien unabdingbar.» Die SP des Kantons Zug zeige grosses Interesse daran, Frauen zu fördern, indem sie diese beispielsweise oben auf der Liste aufführe. Letzteres sei auch bei ihr selber der Fall gewesen.

ALG: «Wir haben die Gleichstellung immer am stärksten gelebt»

«Der Frauenanteil im Kantonsrat Zug war und ist zu tief», sagt Andreas Lustenberger, Präsident der Zuger Grünen-Alternativen (ALG). Eine ausgewogene Repräsentation der Bevölkerung sei so nicht gewährleistet. Die ALG-Kantonsratsfraktion umfasse derzeit mehr Frauen als Männer, der Frauenanteil liege also über 50 Prozent. Das sei auch in der Vergangenheit jeweils der Fall gewesen.

«Wir fordern insbesondere die bürgerlichen Parteien auf, endlich Frauen auf erfolgversprechende Listenplätze zu setzen», lautet der Appell des ALG-Präsidenten, der auf die aktuellen Quoten von GLP, SVP und FDP verweist (siehe Grafik). Die FDP Baar zum Beispiel habe bei den Wahlen 2018 keine einzige Frau auf ihrer Liste gehabt.

Was die Frage der Wahllisten betrifft, so macht Andreas Lustenberger darauf aufmerksam, dass die Wahlkreise im Kanton Zug um einiges kleiner sind als in Neuenburg, wo es nur einen einzigen Wahlkreis gibt. So umfasse etwa die Liste von Menzingen jeweils bloss drei Personen. Aufgrund des Zuger Wahlsystems habe es für die ALG erste Priorität, in jeder Gemeinde überhaupt eine Liste stellen zu können.

«Man weiss ja, wie der Kanton Zug politisch tickt.» Trotzdem seien die Listen der ALG in den vergangenen Jahren immer in allen Gemeinden ausgeglichen gewesen. «Wir sind die Partei im Kanton Zug, welche die Gleichstellung immer konsequent gefordert und diese auch immer am stärksten gelebt hat», sagt Parteipräsident Andreas Lustenberger.

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