Fragwürdige Beschaffung der neuen Steuersoftware

Kanton Luzern im Visier der Wettbewerbskommission

Finanzdirektor Reto Wyss muss der Weko erklären, weshalb die Beschaffung der Steuersoftware nicht öffentlich ausgeschrieben wurde. (Bild: zvg)

Die Beschaffung der neuen Steuersoftware des Kantons Luzern wirft Fragen auf. Weil nämlich der Auftrag nicht öffentlich ausgeschrieben worden ist, verstösst diese Beschaffung möglicherweise gegen das Binnenmarktgesetz. Darum hat sich nun die Wettbewerbskommission (Weko) in den Fall eingeschaltet.

Auf dieses Jahr hin führte der Kanton Luzern eine neue Steuersoftware ein. Deren Einführung erfolgte allerdings alles andere als geräuschlos, denn die Software war anfällig auf Pannen und liess zahlreiche Nutzerinnen genervt zurück (zentralplus berichtete).

Doch das ist noch nicht aller Ärger mit der neuen Software: Wie die «Luzerner Zeitung» berichtet, wirft auch die Beschaffung der Software durch den Kanton Fragen auf. Denn der Auftrag für die neue Software wurde nie öffentlich ausgeschrieben, was möglicherweise gegen das Binnenmarktgesetz verstösst. Darum hat sich nun die Weko mittels Auskunftsbegehren in den Fall eingeschaltet.

Das Binnenmarktgesetz schreibt vor, dass Firmen ein diskriminierungsfreier Zugang zum kantonalen Beschaffungswesen gewährt werden muss. Das heisst, dass alle Firmen über denselben Zugang zu kantonalen Aufträgen verfügen müssen. Zudem ist im Gesetz auch festgelegt, ab welchen Kosten ein Auftrag öffentlich ausgeschrieben werden muss. So muss ein Auftrag öffentlich ausgeschrieben werden, sobald dessen Beschaffungskosten inklusive des Unterhalts für die nächsten vier Jahre den Betrag von 250'000 Franken übersteigen. Aufgrund der Unterhaltskosten trifft das auf die Luzerner Steuersoftware mutmasslich zu.

Keine Sanktionsmöglichkeiten

Allerdings ist der Fall noch etwas kniffliger. Denn wie Finanzdirektor Reto Wyss bereits dem Kantonsrat erklärte, handelt es sich bei der Software um eine Weiterentwicklung eines bestehenden Produkts. Deshalb sei der Auftrag nicht ausgeschrieben worden. Tatsächlich ist ein solcher Auftrag für eine Weiterentwicklung gemäss Beschaffungsrecht nicht ausschreibepflichtig – vorausgesetzt, der ursprüngliche Auftrag wurde öffentlich ausgeschrieben. Dies war bei der Luzerner Steuersoftware jedoch nie der Fall. Die Herstellerfirma «Information Factory» musste sich also gar nie gegen die Konkurrenz durchsetzen.

Allerdings braucht der Kanton Luzern vorerst keine Sanktionen zu befürchten. Sollte die Weko nämlich ein möglicher Verstoss gegen das Binnenmarktgesetz feststellen, hätte sie bei einem Auskunftsbegehren keine Sanktionsmöglichkeiten. Die Weko könnte aber eine Beschwerde erheben und Empfehlungen aussprechen. Diese heben die Vergabe zwar nicht auf, die Signalwirkung einer solchen Rüge ist allerdings nicht zu unterschätzen. Auch könnte die Weko verlangen, dass ihr die nächsten Auftragsvergaben in einem bestimmten Bereich zur Prüfung vorgelegt werden müssen.

Themen
Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


1 Kommentar
  • Profilfoto von Leo
    Leo, 09.08.2021, 13:47 Uhr

    Da müssten nebst Vorteilsgewährung auch mehrere Straftatbestände ins Auge gefasst werden.

    👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
Apple Store IconGoogle Play Store Icon