Journalistin ficht Urteil im «Fall Gundula» an

Kampf um die Medienfreiheit: Nun entscheidet das Bundesgericht

Die Journalistin Jana Avanzini kämpft vor Bundesgericht für die Medienfreiheit. (Bild: Ingo Hoehn)

Die Journalistin Jana Avanzini ist vom Kantonsgericht Luzern wegen Hausfriedensbruchs verurteilt worden. Dies, weil sie 2016 eine besetzte Villa betrat, um über die Vorgänge im Haus zu berichten. Jetzt wehrt sie sich vor Bundesgericht.

Der Zustand der historischen Villen an der Obergrundstrasse wird in Luzern seit Jahren heftig diskutiert (zentralplus berichtete). 2016 wurde eines der Häuser von einer Gruppe besetzt, die sich «Gundula» nannte. Die damalige zentralplus-Journalistin Jana Avanzini hatte daraufhin das Haus betreten, um über die Vorgänge im Inneren zu berichten und sich ein Bild vom Zustand des Gebäudes zu machen (zentralplus berichtete).

Machte sie sich damit des Hausfriedensbruchs schuldig? Diese Frage wird das Bundesgericht beantworten müssen. Avanzini zieht ein Urteil des Luzerner Kantonsgerichts ans oberste Gericht der Schweiz weiter.

Abwägung zwischen Medienfreiheit und Eigentumsrechten

Zum Zustand des Hauses gab es 2016 widersprüchliche Informationen – die Angaben der Besitzerin widersprachen der Einschätzung der Besetzer fundamental. Das Kantonsgericht Luzern räumte zwar ein, dass die leerstehenden Liegenschaften an der Obergrundstrasse ein Politikum waren und die Bevölkerung in der Stadt bewegten. «Ein öffentliches Interesse über die Hausbesetzung ist daher grundsätzlich gegeben», heisst es dazu im Urteil.

Aber: Dieses wiegt nicht so schwer, dass sich damit die Begehung einer Straftat rechtfertigen würde (zentralplus berichtete). Es geht also um eine Abwägung zwischen der Medienfreiheit und den Interessen der damaligen Hauseigentümerin Bodum AG, die besagtes Gebäude über Jahre nicht nutzte und nicht instand hielt.

Menschenrechtsorganisation gibt Journalistin Rückendeckung

Wie hoch das öffentliche Interesse zu gewichten ist, wird unter Medienanwälten kontrovers diskutiert (zentralplus berichtete). Die Organisation «Reporter ohne Grenzen» ist der Meinung, dass dieses einen höheren Stellenwert haben sollte, als das Kantonsgericht Luzern ihm einräumte.

«Es geht um Medienfreiheit. Und dafür lohnt es sich weiterzumachen.»

Jana Avanzini

«Das Urteil schränkt ohne Grund die Freiheit der Medienschaffenden ein, zu recherchieren und Fakten zu ermitteln, und es schadet der Qualität des Journalismus», schrieb die internationale Menschenrechtsorganisation zum Urteil des Kantonsgerichts. Sie kämpft seit ihrer Gründung im Jahre 1985 für die Pressefreiheit auf der ganzen Welt (zentralplus berichtete).

In diesem Fall geht es um die Grundsatzfrage, wie weit journalistische Recherchen gehen dürfen. Das ist auch der Grund, weshalb sich Jana Avanzini entschieden hat, den Entscheid des Kantonsgerichts weiterzuziehen, wie sie selbst erklärt: «Der Punkt ist, dass es bei diesem Urteil um weit mehr geht als bloss um unseren Fall in Luzern. Es geht um Medienfreiheit. Und dafür lohnt es sich weiterzumachen.»

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10 Kommentare
  • Profilfoto von Gaston Siebesich
    Gaston Siebesich, 11.10.2020, 08:41 Uhr

    Es wird immer schwiriger zwischen Richter/Gericht und Journalisten/Medien zu unterscheiden.
    Medien sind da zu informieren und kommentieren. Bevor Presse Recht kommt Bürger Recht.
    Eine Meinung ist kein Urteil. Medien können mit Zensuren andere Meinung, verbieten. Man spricht viel vom Presse Freiheit und wenig vom Menschen Freiheit die „etwas“ höher ist / sein sollte oder. Dazu kommt dass in der Schweiz 4 bis 5 Monopolen, oft im Familien/Privat im besitzt sind.
    Alt Pravda Zeiten sind doch vorbei oder.

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    Michi Weber, 10.10.2020, 07:51 Uhr

    Wir leben in einem Zeitalter der Transparenz und der Öffentlichkeit. In Luzern glaubt man immer noch, Patrizier und das Kapital hätten das alleinige Sagen. Dies zeigt das rückständige Kantonsgericht mit seinen konsequent medienfeindlichen Urteilen, aber auch die Regierung, die sich bis heute gegen die Einführung des Öffentlichkeitsprinzips wehrt, das in allen Kantonen und beim Bund längst Selbstverständlichkeit ist. Am liebsten alles unter dem Deckel halten, das nicht sauber läuft und imer schön vor dem Geld katzbuckeln. Ich werde wieder gerne finanziell helfen, wenn Spenden nötig sind.

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    Joseph de Mol, 09.10.2020, 23:22 Uhr

    Die Strategie, aus einer simplen Strafsache mit absolut marginaler Aussenwirkung ein oszillierenendes, weltbewegendes Politikum zu konstruieren, wird leider auch in Lausanne nicht funktionieren.

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    paul, 08.10.2020, 20:35 Uhr

    weiter so frau avanzini! das kommt sicher gut!
    es ist ein skandal wie die häuser verrotten durften!! und eines noch an verrotten ist……

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    Loris Fabrizio Mainardi, 07.10.2020, 23:57 Uhr

    Zum Glück geht die Sache nach Lausanne! Ein Milliardär, der seine denkmalgeschützten Villen – mit gnädigem Zusehen der untätigen Stadtbehörden – bis zur Baufälligkeit verkommen lässt, soll sich nicht auf «Hausfrieden» für das von ihm geringgeschätzte Eigentum berufen können. Zudem wäre im Zweifel FÜR die Medienfreiheit zu entscheiden gewesen.

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    Sandra Klein, 07.10.2020, 23:41 Uhr

    …und die Bodum-Villa verfällt immer noch, bis sie dann eines Tages abgerissen werden kann. Ein einziges Trauerspiel. Nachdem dieser Herr hier den Schaden angerichtet hat, könnte er nach dem Verkauf nun eigentlich zurück nach Dänemark.

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      Roland Grueter, 09.10.2020, 17:34 Uhr

      Eine sehr gute und richtige Einschätzung. Die ganze Sache war übrigens kein objektiver Journalismus.

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    Alois Iten, 07.10.2020, 22:25 Uhr

    Oh ja, dafür lohnt es sich, weiterzumachen. Die notorische Wirtschaftsfreundlichkeit der Luzerner Gericht ist belegt, und gerade gestern mussten die Schweizer Gerichte wegen Einschränkungen der Medienfreiheit wieder vom europäischen Gerichtshof für Menschenrechte korrigiert werden. In dieser Hinsicht macht die Schweiz zunehmend Orban Konkurrenz.

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    Willa Bodum, 07.10.2020, 21:30 Uhr

    Sorry, meiner Meinung ist das Urteil absolut richtig! Auch unter dem Deckmantel Journalismus resp. Medienfreiheit soll man sich nicht alles erlauben dürfen. Ein fremdes Grundstück betritt man nicht einfach so, schon gar nicht, wenn es von Chaoten besetzt wird. Jedem ist klar, dass das illegal ist. Die Medienfreiheit kann man auch ausüben, ohne ein fremdes Grundstück zu betreten. Dass man jetzt die Gerichte mit sowas beschäftigt ist für mich genauso unverständlich. Busse zahlen und daraus lernen.

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    • Profilfoto von Hugo Ball
      Hugo Ball, 23.02.2021, 15:00 Uhr

      Keine Sorge. Die gesalzene Rechnung kommt. Auch Lausanne kocht nur mit Wasser. Bitte einmal Salz & Pfeffer aus den Rechtsmühlen. Danke & adieu.

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