Urteil in Zuger Betrugsprozess gefällt

«Käfer-Truppe» lebte Jahre unbehelligt in Saus und Braus

Führten ein Luxusleben mit dem Geld ihrer Anleger: Hans-Jürgen Käfer (r.) mit Ehefrau Karin. Beim Tanken erwischte sie ein SRF-Reporter.

(Bild: Screenshot SRF)

Zuger Richter haben ein deutsches Gaunerpärchen zu sechs und drei Jahren Gefängnis verurteilt. Mit Schwindelfirmen legten sie über Jahre Hunderte von Anlegern übers Ohr. Der «Kassensturz» und geprellte Anleger monieren, das Urteil komme viel zu spät. Das Geld sei schon lange verprasst, die Zuger Behörden hätten zu lange weggeschaut.

Nach mehr als 20 Jahren dubiosen Wirtschaftens sind die schweizweit bekannten Betrüger Hans-Jürgen und Karin Käfer sowie drei weitere Mittäter vom Zuger Strafgericht verurteilt worden (zentralplus berichtete vom Prozessauftakt).

Die Schweiz sei ein Eldorado für Anlageschwindler, wiederholt der «Kassensturz» seit Jahren mantramässig. Trotzdem passiert wenig. Auffallend viele Deutsche tummelten sich in diesem Business im Steuerparadies Zug. Fürchten müssten sie von den Behörden wenig.

Redegewandte Aktienverkäufer «von der Strasse»

Der «Kassensturz» beruft sich auf den Fall des jetzt verurteilten deutschen Gaunerpärchens, dem 59-jährigen Hans-Jürgen Käfer (59) und dessen 46-jähriger Ehefrau Karin «Kyung Mi» Käfer-Zoller. Er hat das vorliegende Urteil kürzlich ebenfalls vorgestellt. (Link auf die Sendung, zweiter Beitrag).

Das Jetset-Paar drehte Kleinanlegern mit seiner Truppe von redegewandten Verkäufern, die von ihm systematisch geschult und sektenhaft manipuliert wurden, Aktien von vermeintlich gewinnbringenden Firmen an. Da die Verkäufer auf Provisionsbasis arbeiteten, mussten sie den Käufern maximal viele Aktien andrehen.

Die Max Entertainment AG, die ihren Sitz zuerst in Hünenberg und dann in Baar hatte, sollte die US-Kampfsportart Martial Art in Europa einführen. Doch Max Entertainment wurde nie aktiv. Von den versprochenen 300 Millionen Umsatz und 43 Millionen Gewinn fehlte jede Spur, ein leeres Versprechen.

Luzerner Sportler löste Verfahren aus

Ein zentrale Figur (und das prominenteste Opfer) war der in Luzern aufgewachsene Kampfsportler Rafael Perlungher, der lange in den USA lebte. Dieser reichte auch die Strafanzeigen ein, welche die Behörden auf Trab brachten.

Erste Untersuchung in Zug erfolglos

Bei der Max Entertainment schritt die Eidgenössische Finanzaufsicht (Finma) darauf wegen illegalem Effektenhandel ein. 2007 wurde der Konkurs über die Firma eröffnet. Danach ermittelte die Zuger Staatsanwältin Jacqueline Landolt vier Jahre lang. Schliesslich stellte sie das Verfahren 2011 ein. Für eine Anklage wegen Betrugs hätten die Beweise nicht gereicht, man könne keine Arglist nachweisen, argumentierte sie.

Ein Dokumentarfilm von SRF bezeichnete den Einstellungsentscheid aus Zug 2013 als Fehler. Monika Roth, Professorin für Finanzrecht an der Hochschule Luzern, kritisierte den Entscheid aus Zug. Bei der geschilderten Sachlage sei ihr dieser Entscheid ein Rätsel. Die Frage sei, ob das Vier-Augen-Prinzip bei solchen Einstellungen in Zug eingehalten werde. Ob die untersuchende Person fachlich die Richtige gewesen sei, das könne sie nicht beurteilen, so Monika Roth.

Käfers machten weiter

«Dank der Einstellung des Verfahrens wussten die Käfers nun, dass sie von den Behörden nichts zu befürchten hatten», schreibt der Kassensturz in einer Chronologie des Falls. Danach setzte Käfer und seine Truppe weitere Luftschlösser in die Welt, die ebenso wertlos waren. So die Aktien der Firma Sensei Energy.

«Käfers wussten nun, dass sie nichts zu befürchten hatten.»
Die Sendung «Kassensturz»

Die rund 300 Geschädigten liessen den Bescheid des Zuger Strafgerichts aber nicht auf sich sitzen. Sie gelangten ans Obergericht, das den Entscheid aufhob und eine neue Untersuchung verlangte.

«Untersuchungen verursachen hohe Kosten»

Zur Frage, warum die Untersuchung 2011 eingestellt wurde, nimmt Judith Aklin im Namen der Zuger Staatsanwaltschaft gegenüber zentralplus wie folgt Stellung: «Betrugsfälle und insbesondere Fälle von Anlagebetrug sind sehr komplex. Anlagebetrüger agieren meist im Graubereich. Die Untersuchungen sind sehr aufwendig und verursachen entsprechend hohe Kosten.» Die Staatsanwaltschaft eröffne eine Untersuchung, wenn sich ein hinreichender Tatverdacht aus der Gesamtheit der ihr zum Beurteilungszeitpunkt vorliegenden Informationen inklusive Berichte der Polizei und Strafanzeigen ergebe.

Geld der Aktionäre: Auslagen an der Geburtstagsfeier für den Chef in Dubai.

Geld der Aktionäre: Auslagen an der Geburtstagsfeier für den Chef in Dubai.

(Bild: PD)

Nicht eindeutig

Judith Aklin: «Im Max-Entertainment-Fall war die Rechtslage bei der ersten Beurteilung und gestützt auf die damaligen Erkenntnisse nicht eindeutig und es lagen auch wenige Beweismittel vor, weshalb die Staatsanwaltschaft versucht hat, die Untersuchung einzustellen.»

Durch die Aufhebung der Einstellungsverfügung durch das Obergericht habe die Zuger Staatsanwaltschaft den klaren Auftrag erhalten, eine umfassende Strafuntersuchung durchzuführen, erklärt die Sprecherin. Aklin: «Die Staatsanwaltschaft hat entsprechend umfangreiche Beweismittel erhoben, diverse Hausdurchsuchungen vorgenommen, Observationen durchführen lassen sowie Dutzende Personen befragt. Zudem hat sie die beiden Hauptbeschuldigten in Haft genommen und zusammen mit drei weiteren Personen dann im Juli 2015 aufgrund der neuen Beweislage angeklagt.»

140 Bundesordner füllten die Untersuchungsakten.

Zweiter Staatsanwalt hatte mehr Erfolg

Rund 140 Bundesordner füllten die Dokumente, welche in zwei Jahren zusammenkamen. Die Anklage des Zuger Staatsanwalts Andreas Sidler lautete auf: gewerbsmässigen Betrug, gewerbs- und bandenmässige Geldwäscherei, ungetreue Geschäftsbesorgung und Misswirtschaft.

255 Seiten dickes Urteil

Der Monster-Prozess begann im Januar 2016 unter strengen Sicherheitsvorkehrungen am Zuger Strafgericht und endete erst im März. Das Gericht unter dem Vorsitz von Strafrichter Marc Siegwart fällte am 29. März sein Urteil. Es ist ein eigentliches Buch mit insgesamt 255 Seiten und liegt zentralplus vor (siehe auch Kasten unten).

Ungereimtheiten am Prozess: Wie kann ein Ferrari einfach «verschwinden»?

Ungereimtheiten am Prozess: Wie kann ein Ferrari einfach «verschwinden»?

(Bild: PD)

Firma ausgehöhlt und Geld verjubelt

Die «Selbstbedienungsmentalität» des Ehepaars Käfer für sich und ihre Familie verdeutliche zusammen mit den immensen Kosten des Betriebs, dass die Max Entertainment AG das Geld der Aktionäre nicht für den Firmenzweck, sondern einzig für Käfers und ihre Gehilfen sammelte und später ausserhalb der Firma «umverteilte».

Rauschende Geburtsparty in Dubai

Der Gipfel der Unverfrorenheit war die Reise zum 50. Geburtstag von Hans-Jürgen Käfer im April 2007. Vom Firmenkonto wurden rund 62’000 Franken an ein Reisebüro überwiesen für eine dreitägige Reise nach Dubai, an welcher das Ehepaar Käfer und Mitarbeiter der You AG teilnahmen. Inbegriffen waren der Flug, samt Übernachtung im Fünfsterne-Hotel Grand Hyatt, wo total 13 Doppel- und zwei Einzelzimmer gebucht wurden. Für teure Restaurantbesuche, Transporte und Wüstensafaris liessen Käfers weitere 9250 Franken liegen.

«Die Reise nach Dubai sollte für gute Laune sorgen.»
Aus der Anklageschrift des Zuger Staatsanwalts

Die Reise sei nicht geschäftsmässig begründet gewesen und habe allein dazu gedient, den Geburtstag von Hans-Jürgen Käfer zu feiern und «gute Laune» unter der «Telefontruppe» und ihrer Entourage zu verbreiten.

7,2 Millionen Franken nachgewiesen

Vom Geld der Anleger konnte die Zuger Staatsanwaltschaft noch eine Deliktsumme von 7,2 Millionen Franken nachweisen. Nach Aussagen von geprellten Anlegern und ihren Vertretern, die sich nach dem ersten Prozessbericht bei zentralplus meldeten, ist das nur ein Bruchteil des über die Jahre von Käfers veruntreuten Geldes und nur «die Spitze des Eisbergs».

Wo ist das Geld? Am Prozess in Zug offenbarten die Beschuldigten, wertvolle Käufe wie ein Ferrari seien «verschwunden». Auch der Diamantring im Wert von 37’000 Franken Karin Käfers ist «weg». Die Südkoreanerin, die als Kind von einem Ehepaar aus Rüti adoptiert wurde, meinte vor dem Strafgericht, sie wisse nicht mehr, wo der Ring sei. «Wahrscheinlich habe ich ihn verloren.» Frau Käfer lebt momentan in einem gemieteten Zimmer in Scherzingen, «unterstützt von Bekannten».

«Schamlos»: Aus dem Urteil des Zuger Gerichts.

«Schamlos»: Aus dem Urteil des Zuger Gerichts.

(Bild: PD)

Die Strafen der fünf Beschuldigten

Laut dem Urteil wurden folgende Sanktionen gesprochen: Hans-Jürgen Käfer wurde des gewerbsmässigen Betrugs, der mehrfachen ungetreuen Geschäftsbesorgung und der Misswirtschaft schuldig gesprochen. Er muss sechs Jahre ins Gefängnis. Zudem wurden Käfer die Verfahrenskosten von rund 39’000 Franken (mit einem Anteil der Untersuchungskosten von rund 21’000 Franken) auferlegt.

Karin Kyung Mi Käfer wurde der Gehilfenschaft zum gewerbsmässigen Betrug und der mehrfachen ungetreuen Geschäftsbesorgung schuldig gesprochen. Sie erhält eine Freiheitsstrafe von drei Jahren, wovon sie 18 Monate absitzen muss. Der Rest der Strafe wird erlassen, wenn sie sich vier Jahre lang nichts Neues zuschulden kommen lässt. Auch die Ehefrau muss Verfahrenskosten von rund 31’000 Franken berappen.

Chefverkäufer verklagte Medien erfolglos

Der Chefverkäufer wird ebenfalls wegen der Gehilfenschaft zum gewerbsmässigen Betrug schuldig gesprochen und erhält 24 Monate Gefängnis bedingt, bei einer Probezeit von drei Jahren.

Er hatte mehrfach versucht, die Berichterstattung kritischer Medien zu sabotieren, und verlangte mit seinem Anwalt Christoph Born zum Beispiel vom «Beobachter» die Löschung eines Artikels im Netz. Ohne Erfolg. Auch gegen das Zuger «Bulletin», das 2009 über ihn und die Käfer-Truppe geschrieben hatte, ging der Deutsche erfolglos vor. Damals betrieb er mit Kumpanen das Rückwärtsauktionsportal www.labuyla.ch. Dieses versteigerte Artikel, zahlte der Käufer nicht nach 15 Minuten, ging die Versteigerung weiter.

Bedingte Strafen

Die Gehilfenschaft bei den Machenschaften des Ehepaars Käfer wurde auch Andreas K. zum Verhängnis, er bekommt seinerseits 20 Monate bedingt. Daniel K. schliesslich wurde wegen mehrfacher versuchter ungetreuer Geschäftsbesorgung und der Misswirtschaft zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten bedingt bei einer Probezeit von zwei Jahren verurteilt. Und ebenso zu einer bedingten Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu 100 Franken. Die drei Beschuldigten müssen ebenfalls Verfahrenskosten tragen.

Noch nicht rechtskräftig

Mit den noch nicht rechtskräftigen Urteilen neigt sich ein Kapitel um einen grossen Millionenbetrug dem Ende zu. Hunderte von Kleinanleger waren mit Versprechungen und Scheinfirmen systematisch in die Falle gelockt worden. Alle Täter sind deutsche Staatsbürger, die seit Jahren in der Schweiz im Aktienverkauf tätig sind. Praktisch alle waren laut dem «Beobachter» auch am Anlageskandal um die ASE Investment beteiligt.

Der Hauptschuldige Hans-Jürgen Käfer sitzt schon länger im vorzeitigen Strafvollzug im Bostadel. Der ehemalige «Mentaltrainer» der deutschen Skinationalmannschaft und Flugzeugmechaniker in Rammstein dreht momentan Schräubchen. In der Metallwerkstatt der Strafanstalt. Und er schreibt an einem Buch über sein Leben.

Vorher Aktien für die «rauchlose Zigarette» NisStic verkauft

Im Prozess wurde aufgezeigt, dass Käfers Machenschaften nicht erst mit der Max Entertainment begonnen hatten. Begonnen hatte er sein Betrugssystem laut der Staatanwaltschaft bei der You AG. Hans-Jürgen Käfer war 2005 bis 2007 Alleinaktionär und geschäftsführender Verwaltungsrat dieser Firma. «Die You AG betrieb als einzigen faktischen Geschäftszweck illegalen Effektenhandel», heisst es in der Anklageschrift. «Sie veräusserte mittels Telefonmarketing Aktien der Schweizer Gesellschaften Libidfit AG, Hematec Holding AG, NisStic AG sowie der deutschen Gesellschaft Cobracrest.»

Schrottpapiere angedreht

Die den Beschuldigten vorgeworfene «Masche» sei immer die gleiche gewesen: Der Verkauf von «Schrottpapieren» zu Phantasiepreisen. Ein sogenannter Penny-Stock-Betrug, der bereits früher im Kanton Zug von den Deutschen Heinz Piroth und Michael Berresheim betrieben worden sei (beide in Deutschland in Haft wegen des NisStic-Betrugs mit der angeblich rauchlosen Zigarette). Auch diese Gesellschaften hätten nie ein echtes Produkt entwickelt und zur Reife gebracht, sondern mit 90 Prozent des Personals «Geld reingeholt» (mit Aktienverkäufen).

So ging es mit der Max Entertainment AG weiter. Das Geld verprassten die Käfers und ihre Entourage für Luxusautos, Reisen, teure Sportarten und Schmuck. Käfers lebten ausserdem bis zur ihrer Verhaftung in einer teuren Villa in Lachen SZ.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Perroket
    Perroket, 08.03.2017, 13:01 Uhr

    07.03.2017
    Im „Nic-Stic-Verfahren“ hat die 6. Große Wirtschaftsstrafkammer heute die beiden bereits einschlägig vorbestraften Angeklagten wegen Betrugs im besonders schweren Fall zu Freiheitsstrafen von 10 ½ und 11 ½ Jahren verurteilt.

    Nobody expects the German Cavallery!

    http://landgericht-stuttgart.de/pb/,Lde/Startseite/Aktuelles/_Nic-Stic-Mammutverfahren_+Urteil+am+197_+Verhandlungstag/?LISTPAGE=1195716

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  • Profilfoto von Anton123
    Anton123, 30.07.2016, 22:44 Uhr

    Herr Käfer macht seine Kriminellen Machenschaften seit mindestens 20 Jahren. Er hat hunderte von Menschen betrogen, zuerst mit Selbstfindungs Seminaren dann mit Aktien.
    Die Gier wurde immer größer, zuletzt sah man auf Facebook seine Luxuskinder, im Luxushaus samt Luxusautos irgendwo in Lichtenstein.
    Bereits vor 20 Jahren sollen die Käfers Monatlich 40 bis 60.000 Franken für den Lebensunterhalt verbraucht haben. Natürlich wurden dazu Kundengelder Veruntreut, es waren immer nur Pyramidensysteme.
    Die Schweizer Behörden waren damals schon informiert, auch die Österreichische Kripo hatte bereits Anzeigen und Aussagen sowie Beweise.
    Nur unter dem Schweizer Deckmantel passiert eben nichts, ich will dies keinesfalls Pauschalisieren, es ist bekannt das sich dort Kriminelle Vereinigungen wie Kirchen, Sekten, usw. Völlig unbeirrt tummeln.
    Die beiden hätten mindestens 20 Jahre verdient!

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