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Eine Zuger Firma verkauft über Jahre Wohnungen in Süddeutschland, die nie gebaut werden. Ob die Anleger, darunter auch viele Schweizer, ihr Geld je wiedersehen, ist fraglich.
Ein internationaler Immobilienskandal ist vor wenigen Tagen publik geworden. Im Zentrum steht eine Firma mit Sitz in Cham, zwei Geschäftsmänner aus Zug, wohl über 100 Geschädigte und offene Forderungen von schätzungsweise 80 Millionen Franken.
zentralplus beobachtet den Fall «BG Business Group» seit Monaten und verfügt über Urteile, Verfügungen, Bilanzen und Berichte im Zusammenhang mit dem möglichen Millionenbetrug. Sie zeigen: Obwohl die mutmasslichen Täter mit einem Firmennetz von Zug aus agierten, hält die Staatsanwaltschaft des Kantons die Füsse still.
Ausserdem wird klar: Die Forderungen der Gläubiger lassen sich nicht ansatzweise decken durch den Verkauf der Liegenschaften, die sich im Besitz der inzwischen liquidierten Firma befinden. Für die Anleger, darunter viele Schweizer, ist das eine schlechte Nachricht. Sie sind darauf angewiesen, dass die Banken Gnade zeigen – und dass in Deutschland gute Ermittlungsarbeit geleistet wird.
So soll die Firma Schweizer Anleger getäuscht haben
Doch zurück zum Anfang: Die Chamer Firma BG Business Group verkaufte zwischen 2017 und 2021 Immobilienprojekte in Süddeutschland an 114 private Anleger aus der Schweiz, Deutschland und Italien. Allerdings wurden bei den meisten der 44 Projekte nur Bauzäune aufgestellt, gebaut wurde nicht.
Gegenüber der «Handelszeitung» erzählt ein Anleger seine Geschichte. Er habe von der BG Business Group das Angebot erhalten, eine deutsche Eigentumswohnung ohne Eigenkapital zu kaufen. Die gesamte Organisation und die Kosten bis zur Erstvermietung würde die Firma zahlen. Also habe er eingewilligt und die Verträge bei einer deutschen Volksbank unterschrieben.
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Doch der Bau startet nicht, der Anleger sorgt sich. Nach seinen Aussagen habe ihn die Zuger Firma mit Ausreden hingehalten. Mitte 2023 erreicht ihn ein Schreiben der Volksbank, wie er sagt – der Anleger soll die Kreditraten nun selbst zahlen. Denn über die BG Business Group wird im Herbst 2023 ein Konkursverfahren in Zug eröffnet, das diesen Februar – mangels Aktiven – eingestellt wurde. Die Gesellschaft ist inzwischen liquidiert.
Als der Anleger die Rückzahlung verweigert, soll ihn die Volksbank betrieben und die Kreditsumme von 250’000 Euro zurückgefordert haben. Dass sein Geld von der BG Business Group veruntreut wurde, weist die Zuger Firma auf Anfrage der «Handelszeitung» zurück: Der Generalunternehmer für diese Baustelle habe das Geld erhalten – aber nicht gebaut.
Nur: Bei der Mehrheit der 44 Bauprojekte der Zuger Firma wurden Bankverträge abgeschlossen, Hände geschüttelt – und nie gebaut. So berichten es einheitlich die «Handelszeitung», das «Handelsblatt» und diverse deutsche Lokalzeitungen. Nach Schätzungen in den Medien ist die BG Business Group daher mit Gläubigerforderungen in Höhe von 80 Millionen Franken konfrontiert.
Zuger Staatsanwaltschaft macht die Deutschen verantwortlich
Einige Anleger wollen die BG Business Group daher auch in der Schweiz verklagen. Das zeigen Dokumente, die zentralplus einsehen konnte. Im März reicht ein Zürcher Anwalt im Namen von zwölf Mandanten Strafanzeige gegen die zwei BG-Chefs bei der Zuger Staatsanwaltschaft ein. Auch ein Privater erhebt Strafanzeige und eine Zürcher Kanzlei macht eine Zivilforderung geltend.
Doch die Zuger Staatsanwaltschaft entscheidet, nicht zu handeln. Der Grund: Es sei verboten, in verschiedenen Staaten mehrere Strafverfahren wegen derselben Tat zu führen, argumentiert die Behörde in einem Dokument. Sie wurde im März informiert, dass die Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen die BG-Chefs und eine dritte Person Ermittlungen führe.
Die Zuger Behörden könnten zwar selbst ermitteln – aber nur wenn «ein überwiegendes Interesse der Privatkläger» bestehe. Dem sei nicht so, schreibt die Zuger Staatsanwaltschaft in einer Verfügung und ergänzt auf Anfrage: «Da die deutschen Kolleginnen und Kollegen bereits seit längerer Zeit eine Strafuntersuchung führen und ein sehr überwiegender Sachverhaltsbezug zu Deutschland besteht, auch für mutmasslich Geschädigte mit Wohnsitzen in der Schweiz, ist es letzteren zuzumuten, sich an der Strafuntersuchung in Stuttgart zu beteiligen.»
Für den Anleger, der mit der «Handelszeitung» gesprochen hat, ist die Tatsache, dass die Zuger Behörden nicht selbst ermitteln, ein Skandal: «Man versteckt sich hinter Vorschriften», lässt er sich zitieren. Auch aus Anlegerkreisen gibt es Kritik daran, wie zentralplus erfahren hat.
BG Business Group will mit Behörden kooperieren
Dabei haben sich die Zuger Behörden an den Ermittlungen beteiligt. Für die Staatsanwaltschaft Stuttgart haben die Zuger im Frühling Wohn-, Geschäftsräume und Fahrzeuge der Beschuldigten durchsucht. Die Aktion trug den Namen «Luftschloss» und fand auch am Wohnort des BG-Chefs – in Steinhausen – statt. Bei den Ermittlungen geht es um Betrug und Untreue im besonders schweren Fall sowie um Beihilfe. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Die BG Business Group bestätigt auf Anfrage von zentralplus per E-Mail das Ermittlungsverfahren, weist die Vorwürfe allerdings zurück. «Es ist zutreffend, dass Bauprojekte ins Stocken geraten sind. Eine zweckwidrige Verwendung von Geldern durch die Organe der BG-Group hat nicht stattgefunden. Die Betrugsvorwürfe sind unzutreffend.»
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Die Firma kooperiere mit den Ermittlungsbehörden und werde die «erhobenen Verdachtsmomente vollumfänglich» ausräumen. Zur «Handelszeitung» sagte der BG-Finanzchef ausserdem: «Wird die Einstellung des Konkurses rechtskräftig, werden wir umgehend mit der Veräusserung der Liegenschaften an die vorhandenen Interessenten beginnen.» Ziel sei, die Anleger vollumfänglich auszuzahlen.
Nur ein Drittel der Forderungen ist durch Verkauf gedeckt
Ob dies gelingt, steht allerdings auf einem anderen Blatt geschrieben. Denn um die Finanzen der Firma steht es schlecht, wie zentralplus in Erfahrung bringen konnte. Ende 2022 betrug das Eigenkapital der BG Business Group 5 Millionen Franken, das Bankguthaben lag bei unter 70’000 Franken, ihre Immobilien hatten Schäden und Baubewilligungen waren abgelaufen. Das zeigt ein Bericht, den das Zuger Kantonsgericht 2023 in Auftrag gab.
Darin schreibt der Verfasser, ein Zuger Anwalt, ebenfalls: «Die BG rechnet mit hohen Erlösen aus dem Verkauf von Immobilien. Gemäss den bis anhin erhaltenen Angeboten reichen die Kaufangebote in vielen Fällen nicht zur vollständigen Befriedigung der Grundpfandgläubiger aus.» Lediglich ein Drittel der Forderungen könne die BG Business Group so begleichen.
Banken sollen Zuger Firma zu locker Geld gegeben haben
Die Differenz sollen die Banken schlucken, beschreibt der Anwalt einen möglichen Plan der BG-Chefs. «Weil der zu erwartende Kaufpreis für die Immobilien nicht ausreicht, um die Kreditschulden des Kunden zu decken, sollen die Banken und Versicherungen zu einem Nachlass bewegt werden.» Auf Anfrage von zentralplus äussert sich die Zuger Firma nicht dazu.
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Die Verluste auf sich nehmen müssten wohl jene deutschen Volksbanken, die zurzeit am Pranger stehen. Das «Handelsblatt» kritisiert, dass die Volksbanken Kredite teils in voller Höhe ausbezahlt hätten, noch bevor die Bagger überhaupt aufgefahren seien. Auch die Bonitätsprüfung sei sehr «einfach erfolgt» und teils an die BG Business Group ausgelagert worden.
Komplexes Geflecht von Firmen und Tochtergesellschaften
Mit den Medienberichten der letzten Tage ist der Fall «BG Business Group» auch in der Schweiz einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden. Dabei kratzen die meisten Berichte nur an der Oberfläche. Denn die BG Business Group agierte mit einem komplexen Netz an Geschäftspartnern und Tochter- und Holdingfirmen im In- und Ausland, einige davon auch in der Zentralschweiz.
Ein Beispiel: Als der Zuger Firma das Wasser bis zum Hals stand, verkauften sie und eine deutsche Tochtergesellschaft alle Immobilien an einen luxemburgischen Investmentfonds. Allerdings nur auf dem Papier, denn die Zahlung in Höhe von 47 Millionen Franken fand nie statt, wie der oben zitierte Bericht eines Zuger Anwalts zeigt. Dieses Geflecht wird nun die Stuttgarter Staatsanwaltschaft auseinanderdröseln müssen.
Die Zuger Behörden sind erstmal raus, wenn es darum geht, den beiden Beschuldigten, wohnhaft in Steinhausen und Walchwil, Straftaten nachzuweisen. Nur eine Schweizer Behörde ist selbstständig aktiv: die Aufsichtsbehörde Finma. Sie hat gegen einen der beiden ein Verfahren eingeleitet. Er soll ohne Bewilligung online Geld eingesackt haben.
- Diverse Hintergrundgespräche
- Handelsregistereinträge beteiligter Zuger Firmen
- Artikel im «Handelsblatt»
- Sachwalterberichte, Bilanzen, Berichte, Urteile, Verfügungen zur BG Business Group
- Artikel in der «Handelszeitung»
- Eintrag auf dem Portal «Anwalt.de»
- Artikel in der «Aargauer Zeitung»
- Anfrage bei der BG Business Group
- Anfrage bei der Zuger Staatsanwaltschaft