Ein Chamer Immobilienunternehmen soll Anleger im grossen Stil betrogen haben. Eine Staatsanwaltschaft ermittelt. Nun muss sich auch das Zuger Konkursamt vor Bundesgericht verteidigen.
Warnung: Um die folgende Geschichte zu verstehen, ist ein kleiner Exkurs ins Konkursrecht nötig. Er wird kurz, versprochen. Und er lohnt sich, auch versprochen. Beginnen wir damit, was geschieht, wenn eine Firma zahlungsunfähig wird.
Hat die Firma nicht genug Mittel für ein Konkursverfahren, stellt das Konkursamt das Verfahren ein. In Zug, einem Wirtschaftskanton, in dem jedes Jahr Hunderte Firmen geboren werden und wieder sterben, ist das völlig normal.
Für Gläubiger ist ein eingestelltes Konkursverfahren schlecht. Die Geschäftsführung der Pleitefirma muss zwar liquidieren, sprich Vermögenswerte verkaufen, um Schulden zu bezahlen. Dabei muss sie aber keine Quoten einhalten, welcher Gläubiger wie viel erhält. Handelt also ziemlich frei.
Der Ausweg: Bei der Einstellung des Verfahrens nennt das Konkursamt einen Kostenvorschuss. Wenn ein Gläubiger diese Summe zahlt, führt das Amt das Konkursverfahren durch. Sichtet die Konkursmasse, sortiert und bewertet sie und verteilt sie nach klaren Regeln.
Exkurs Ende.
Über hundert geschädigte Kleinanleger, Deutschland ermittelt
Dieser Kostenvorschuss sorgt nun für Ärger. Es geht um das Ende der BG Business Group aus Cham, die selbst und mit Tochtergesellschaften Hunderte von Anlegern um geschätzte 80 bis 100 Millionen Franken betrogen haben soll. Mit Bauprojekten, die nur auf dem Papier existierten.
zentralplus berichtete bereits über den internationalen Immobilienskandal, in dem die Staatsanwaltschaft Stuttgart seit 2021 wegen schweren Betrugs und Untreue in besonders schwerem Fall ermittelt. Und wegen dem auch in Zug Strafanzeigen eingegangen sind – die Staatsanwaltschaft aber mit Verweis auf die Arbeit der Deutschen keine eigenen Ermittlungen führt (zentralplus berichtete).
Anfang 2024 hat das Zuger Konkursamt das BG-Konkursverfahren mangels Aktiven eingestellt. Kostenvorschuss, um weiterzuarbeiten: 200'000 Franken. Dagegen haben zwei Versicherer Beschwerde eingereicht. Sie sagen, die Summe sei viel zu hoch. Nach einem ersten Urteil in Zug geht der Fall jetzt ans Bundesgericht, wie zentralpus erfahren hat.
Dabei geht es schlussendlich um eine einfache Frage: Wer soll die Liegenschaften der Pleitefirma verkaufen und versuchen damit den Schuldenberg abzuzahlen? Das Konkursamt oder die ehemalige Geschäftsleitung, die mit schweren Betrugsvorwürfen konfrontiert wird?
Noch laufen die Ermittlungen
Warum aber schleifen gerade zwei Versicherungen das Konkursamt, das den Fall eingestellt hat, vor Bundesgericht? Um diese Frage zu beantworten, muss man die Masche verstehen, mit dem die zwei Chefs der BG Business Group agiert haben sollen. Wichtig zu sagen:
Die Beschuldigten streiten die Betrugsvorwürfe ab und wollen bei den Ermittlungen in Stuttgart kooperieren. Zu zentralplus sagten sie im Juni: «Eine zweckwidrige Verwendung von Geldern durch die Organe der BG-Group hat nicht stattgefunden.» Alle Gläubiger sollen restlos ausbezahlt werden. Es gilt die Unschuldsvermutung.
So soll die Masche der BG Business Group gelaufen sein
Ein hübsches Mehrfamilienhaus in den deutschen Städten Radolfzell oder Bad Säckingen für die 3. Säule: Das klang für viele Schweizer attraktiv. Dass die Anleger mit der Vertragsunterschrift einem möglichen Betrug zum Opfer fielen, wurde ihnen erst später klar. Nur 20 Prozent Eigenkapital? Das klang zu attraktiv.
44 Immobilienprojekte in Süddeutschland soll die BG Business Group auf diese Weise an 114 Personen verkauft haben. Bei deutschen Volksbanken schloss die Firma für die Anleger Kredite ab, sackte das Geld ein und stellte Bauzäune auf die Brachen. Weiter kamen die Bauarbeiten meist nicht.
Wie die «Badische Zeitung» diese Woche berichtet, sei der Betrug besonders raffiniert gewesen: Indem Bürgschaften an die Banken abgetreten wurden, zahlten diese die ganzen Kreditsummen an die BG, ohne Baufortschritte zu kontrollieren.
Bedeutet: Die BG konnte viel Geld einsacken, ohne zu beweisen, dass das Geld auch auf den Baustellen ausgegeben wird. Wo die Summen geblieben sind? Das ist unbekannt.
Konkursverfahren wird eingestellt – Versicherer beschweren sich
Allianz und Axa amteten als solche Bürgschaftsversicherungen. Nun wollen sie vor Gericht erkämpfen, dass in Zug ein ordentliches Konkursverfahren durchgeführt wird. Damit sie zumindest einen Teil ihrer Kosten zurückerhalten. Zumindest liest sich ihre Beschwerde gegen das eingestellte Konkursverfahren so.
Konkret verlangen sie, dass der Kostenvorschuss nicht 200'000 Franken, sondern maximal 12'000 Franken betragen soll. Besser aber noch: null Franken. Denn sie zweifeln an der Argumentation des Konkursamts.
Dieses sagt, 200'000 Franken seien für das Konkursverfahren nötig wegen der Lagerkosten und Anwaltshonorare für den komplexen Fall. Auf den Konten der BG Business Group lägen ausserdem nur 50'000 Franken. Ihre Grundstücke in Deutschland seien überschuldet und es sei aufwendig, sie aus der Schweiz zu verwerten.
Obergericht stimmt Versicherungen zu – sie ziehen vor Bundesgericht
Das Zuger Obergericht hat den Versicherungen in einem Urteil vom 4. Juni teilweise recht gegeben und den Kostenvorschuss auf 100'000 Franken halbiert.
Axa und Allianz hatten argumentiert: Einige Grundstücke seien darlehensfrei und könnten verkauft werden, weil bereits Bürgschaften in Höhe von 10 Millionen Franken an Banken geflossen seien. Auch Mietzinseinnahmen gäbe es zum Teil. Und: Anwälte seien günstiger, als das Konkursamt sagt. Sprich: Das Konkursverfahren lasse sich aus der Masse finanzieren. Warum aber streiten die Versicherungen überhaupt darüber?
Weder die Axa noch die Allianz wollten wegen des laufenden Verfahrens eine Stellungnahme abgeben. Ebenso wenig das Konkursamt Zug. Die Motivation von Axa und Allianz scheint aber klar zu sein: Sie wollen, dass die Liegenschaften der BG Business Group vom Konkursamt veräussert werden – und nicht von den angezeigten Geschäftsführern.
Daher haben die Versicherer auch gegen das Urteil des Obergerichts Beschwerde eingelegt. Nun wird das Bundesgericht in Lausanne entscheiden müssen. Bis es so weit ist, ist das Thema eingefroren, gemäss einer Verfügung. Zuger Gerichte bestätigen die Geschehnisse gegenüber zentralplus.
Was das Ganze für die Kleinanleger bedeutet
Entscheidet das Bundesgericht so, wie es sich Axa und Allianz wünschen, beginnt in Zug vielleicht ein ordentliches Konkursverfahren, in dem der Besitz der BG Business Group genau unter die Lupe genommen wird.
Wie viele Forderungen der Hunderten von Gläubigern gedeckt werden können, ist unklar. Ein Sachwalter, den das Konkursamt im Herbst 2023 beauftragt hatte, schätzte, dass gerade mal ein Drittel der Forderungen durch die Mittel der Firma gedeckt werden können.
Die Argumentation der Axa und der Allianz spricht nun für deutlich mehr. Für BG-Kleinanleger ist das eine gute Nachricht: Einige von ihnen werden von deutschen Volksbanken betrieben, da ihr Name unter dem Kredit steht – die BG aber aufgehört hat, zu zahlen. Sie wünschen sich sicher, dass das Konkursamt BG-Liegenschaften verkauft und die Banken damit bezahlt.
Die beiden mutmasslichen Strippenzieher, der Geschäftsführer und der Finanzchef der BG Business Group, leben weiter im Kanton Zug und sind auf freiem Fuss. Nach Hausdurchsuchungen Anfang Jahr – die deutschen Behörden hatten die Zuger dabei um Hilfe gebeten – ist Ruhe eingekehrt. Vorerst.
- Urteil vom 4. Juni 2024 des Obergerichts Kanton Zug
- Artikel in der «Badischen Zeitung» vom 7. August 2024
- zentralplus-Medienarchiv
- Website von Rutschmann Schwaibold Partner zur Einstellung von Konkursverfahren
- Schriftlicher Austausch mit der Volkswirtschaftsdirektion Kanton Zug
- Schriftlicher Austausch mit den Versicherungen Axa und Allianz
- Schriftlicher Austausch mit dem Obergericht des Kantons Zug
- Schriftlicher Austausch mit dem Kantonsgericht Zug
- Schriftlicher Austausch mit Andreas Hess, Amtsleiter Handelsregister- und Konkursamt Zug
- Schriftlicher Austausch mit der Pressestelle des Bundesgerichts
- Diverse Hintergrundgespräche