So arbeitet die Kesb Zug

Wie eine junge Frau um ein eigenes Leben kämpft

Eine junge Frau bekommt nach einer Hirnblutung eine Beiständin der Kesb Zug – und wehrt sich nun dagegen. (Bild: Symbolbild Unsplash)

Kurz vor ihrem 18. Geburtstag erleidet eine Zugerin eine Hirnblutung. Während andere in dieser Lebensphase ein eigenes Leben aufbauen, wird sie zum Pflegefall und bekommt eine Beiständin von der Kesb Zug. Nun will sie ihre Freiheit zurück.

Im Juli 2016 verändert sich das Leben einer Zugerin von einem Tag auf den anderen. Nach einer Hirnblutung muss sie mehrfach operiert werden. Während sich andere junge Menschen in ihrem Alter in ein eigenes Leben stürzen, ist ihres aus den Fugen geraten.

Gerade ist sie volljährig geworden. Aber statt langsam selbstständig zu werden, ist sie auf die Hilfe anderer angewiesen. Auch nach den Operationen hat sie Störungen in den Bereichen Gedächtnis, Exekutiv-, Aufmerksamkeits- und Sprachfunktionen. Die Kesb Zug stellt ihr eine Beiständin zur Seite, die sie in Sachen Finanzen, Wohnen und Ausbildung unterstützt – und auch bei allen Behördengängen.

Alles Finanzielle läuft über die Beiständin der Kesb Zug

Sie kann nicht mehr frei über ihr Geld verfügen. In dieser Zeit läuft alles über die Beiständin – was immer wieder zu Konflikten führt. Die finanzielle Situation der jungen Zugerin ist prekär. Über die Runden kommt sie nur, weil das Budget extrem eng kalkuliert ist – was zwischen ihr und der Beiständin regelmässig zu heftigen Diskussionen führt.

Ein Antrag auf Ergänzungsleistungen wird abgelehnt. Dies, weil die Wohnung zu teuer ist. Wer mehr als 1'370 Franken Miete pro Monat zahlen muss, hat darauf keinen Anspruch – was in Zug ein K.-o.-Argument ist. Finanziell hat die Frau kaum Spielraum. Trotzdem leistet sie sich hin und wieder etwas, ohne mit der Beiständin Rücksprache zu nehmen. Betreibungsandrohungen sind die Folge.

Spendengesuche wurden abgelehnt

Um die finanzielle Situation etwas zu entschärfen, stellt die Beiständin Spendengesuche. Doch sie werden abgelehnt. Die junge Frau gibt ihrer Beiständin die Schuld dafür. Das Verhältnis der beiden ist angespannt.

Trotz ihrer schwierigen Lage: Die heute 24-jährige Frau will endlich frei sein. Sie stellt bei der Kesb Zug ein Gesuch, die Beistandschaft aufzuheben. Als das nicht fruchtet, nimmt sie sich einen Anwalt und zieht vor Gericht. Weil sie über keine Mittel verfügt, gewährt ihr dieses die unentgeltliche Prozessführung, damit sie ihre Rechte einfordern kann.

Die Beiständin der Kesb Zug glaubt nicht, dass die Frau schon so weit ist, auf eigenen finanziellen Beinen zu stehen. Es gelinge ihr nicht, ihre finanzielle Lage sachlich und realistisch einzuschätzen.

Junge Zugerin hat kaufmännische Ausbildung gemacht

Das erstaunt zunächst. Immerhin hat es die Zugerin geschafft, eine kaufmännische Ausbildung (mit Nachteilsausgleich) abzuschliessen. Ein neues Gerichtsgutachten zeigt, dass sie durchaus gewisse Stärken hat, etwa im Bereich des logischen Denkens. Der Neurologe sagt aber auch, dass sie es nicht schafft, diese Fähigkeiten richtig für sich zu nutzen.

Gemäss dem Gutachten hat sie Mühe, komplexe Informationen zu erfassen, vorausschauend zu denken und zu planen. Sie habe auch Schwierigkeiten, eigene Schwächen zu erkennen und sich mit diesen auseinanderzusetzen. Vielmehr versuche sie wiederholt, manipulativ von diesen abzulenken.

Das Fazit des Gutachters: Die Frau ist in ihrem Urteilsvermögen zumindest vorläufig nach wie vor erheblich eingeschränkt.

Das Problem ist: Die Frau will sich nicht helfen lassen

Das zeigte sich auch im Gerichtsverfahren, wie dem Urteil des Verwaltungsgerichts zu entnehmen ist. So war die Zugerin beispielsweise nicht in der Lage, sich den ursprünglichen Termin für die neuropsychologische Begutachtung korrekt einzutragen. Ausserdem reichte sie ohne Rücksprache mit ihrem Anwalt selber Akten ein, die «ihrem Rechtsstandpunkt nicht dienlich waren», wie es im Urteil heisst.

Der Gutachter meint zwar, die junge Frau könnte ihre Finanzen unter guter Anleitung dereinst selber regeln. Das Problem ist aber, dass sie nicht bereit ist, mit ihrer Beiständin zusammenzuarbeiten. Deshalb gibt es aus Sicht des Verwaltungsgerichts Zug keine mildere Möglichkeit, die Frau daran zu hindern, sich selber zu schaden.

Herrin über die eigene Wohnung

Immerhin erzielt die Zugerin einen Teilerfolg. Zwar ist die Wohnung, die sie ohne Rücksprache mit der Beiständin der Kesb Zug angemietet hat, mit 1'780 Franken pro Monat eigentlich zu teuer. Aber abgesehen von der dadurch bewirkten Einschränkung ihres finanziellen Spielraums haben sich keinerlei Probleme gezeigt.

In den Bereichen Wohnen und Arbeit/Tagesstruktur/Bildung wird die Beistandschaft deshalb aufgehoben. Und auch was die Finanzen angeht, so sei das letzte Wort noch nicht gesprochen, meint das Verwaltungsgericht. Wenn es der Frau gelingt, Hilfe anzunehmen und damit ihre Schwächen auszugleichen, kann sie einen neuen Anlauf in Richtung Unabhängigkeit nehmen.

Wie arbeitet die Kesb und wie ist die Qualität der Entscheide? Dieses Thema stellt zentralplus in den Fokus einer Artikelserie.

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5 Kommentare
  • Profilfoto von Christian Siegwart
    Christian Siegwart, 05.08.2022, 07:33 Uhr

    Dass der prekäre Wohnungsmarkt auch und vor allem Menschen mit einer IV-Rente und knappem Budget verdrängt, ist traurig. Allerdings sind im Artikel in Bezug auf die Ergänzungsleistungen (EL) zwei Fehler enthalten. Es gibt keine Mietobergrenze, ab der keine EL ausbezahlt werden. Begrenzt ist aber der Betrag, der bei der EL als Ausgaben berücksichtigt wird. Das heisst: wenn die Miete höher ist, muss beim Lebensbedarf (Essen, Kleider, Kinobesuch etc.) gespart weden. Und: der Höchstbetrag in Zug beträgt nicht 1370, sondern nur 1325 Franken. Denn der ganze Kanton Zug wurde von den Verantwortlichen in Bezug auf die Mieten nur in die Region 2 von 3 eingeteilt, in dieselbe Region wie etwa Abtwil, Beromünster oder Cazis. Und das ist tatsächlich weltfremd…

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  • Profilfoto von Mariyam
    Mariyam, 04.08.2022, 19:37 Uhr

    Es ist die traurige Wahrheit, dass diese junge Frau um Selbstbestimmung und Würde kämpfen muss. Unser System ist ein einziges Desaster. Sie kann nicht noch auf eine tolle PK oder andere Versicherungsgelder des Sozialsystems zurückgreifen, da sie am Anfang ihres beruflichen Lebens stand. Dass sie sich mit all den Einschränkungen noch ihre Freiheit erkämpfen muss, kostet sehr viel Kraft und Energie, die sie eigentlich an einem anderen Ort bräuchte. Und wer glaubt, in Zug finde man eine Wohnung für CHF 1370 soll doch mal den Immobilienmarkt anschauen. Das ist wie die Suche der Nadel im Heuhaufen. Ein WG-Zimmer ist dafür erhältlich. Mich erstaunt, dass in ihrem Fall von den Gemeinden nicht auch eine Wohnung zugeteilt wird, da die meisten ZG-Gemeinden über solche Wohnungen verfügen und gerade Härtefälle wie die junge Frau dringendst zu berücksichtigen sind. Unsere ZG-Beistände sind ja auch chronisch überbelastet und es erstaunt mich einmal mehr nicht, dass sie kein Vertrauen in die Person hat. Betroffene realisieren sehr schnell, dass Beistände in ihrer knappen Zeit die Kontrolle ernster nehmen als die Hilfeleistung. Das Vertrauen muss eine Beiständin erst auch gewinnen. Ganz sicher in der Situation dieser jungen Dame, die gefördert werden sollte und keine zusätzlichen Steine im Weg braucht. Dann wäre sie auch bereit, Hilfe anzunehmen und so könnten Fortschritte gemeinsam erreicht werden. Spendengesuche erfordern auch ein Wissen im Fundraising, die geschickt und betroffenengerecht verfasst werden müssen. Viele Beistände verfassen einfach übliche und banale Gesuchsanträge ohne Wirkung. Die Betroffene hat das längst durchschaut und bräuchte eine Unterstützung, die ihr wohlgesinnt und auf Augenhöhe begegnen kann. Hier werden Menschenrechte klar mit Füssen getreten und die Beiständin hätte längst mehr erreichen können. Gestalten statt verwalten…! Es ist eine pure Lotterie, wer zugeteilt wird und ob Herzblut in der Arbeit steckt. Ich wünsche der jungen Frau viel Durchhaltevermögen und hoffe, dass sich jemand ihrer annimmt, um das Steuer herumzureissen.

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  • Profilfoto von Think Deeper
    Think Deeper, 04.08.2022, 08:31 Uhr

    Das verfehlte System der gewährende und entwürdigende Sozialhilfe und EL kommt hier voll zum tragen.
    Die junge Dame wird gegängelt und wenn es dumm kommt bis an ihr Lebensende in bewusster Abhängigkeit gehalten. Sie wird weder angemessene Renten noch BVG haben und wenn dereinst gewährt eine mikrige IV, EL und Sozialhilfe erhalten die zuviel zum sterben und zu wenig zum Leben ist und jeweils mit einer Rückzahlungspflicht bis ans Lebensende belastet ist. Erhält die junge Dame dereinst ein Erbe, wird EL und SH gekürzt und das Erbe für die Rückzahlung abgezwackt. Das gleiche gilt, wenn sie beruflich Fuss fasst. Keine Chance auf Selbstvorsorge und Rückstellungen sowie persönliche Freiheiten ausleben, da bösartig gekürzt und zurück gefordert wird.
    Wer will das bei normaler Intelligenz?
    Die Frage ist, wie weit die KESB die Interessen des Klienten oder der IV/SH/EL vertritt. Da vom Staat angestellt eher Letzteres.
    Ein weitere Grund für ein existenzsicherndes zweckgebundenes Grundeinkommen für alle, das man ohne Bedingungen erhält und niemand zu gewähren hat.

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  • Profilfoto von Saya
    Saya, 04.08.2022, 01:57 Uhr

    Die Wohnung kostet fast 1800.-??? Für eine Einzelperson? Mich wundert gar nichts mehr.

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    • Profilfoto von P. Meier
      P. Meier, 04.08.2022, 18:29 Uhr

      Nun, für ein WG-Leben ist die Dame vielleicht nicht geeignet.
      Oder vielleicht bieten Sie ja Hilfe an?

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