Weil er im Schlaf gestört wurde, stach er Kumpel ab
Ein Drogendealer, der seinen Kunden und Kumpel beinahe umgebracht haben soll, soll in Luzern für sieben Jahre ins Gefängnis. Weil er aus dem Schlaf gerissen wurde, habe er auf ihn eingestochen.
Eine Frühlingsnacht im Mai 2020: Martin* will Koks. Also ruft er einen Bekannten an, wir nennen ihn Sebastian*. Dieser liegt zu dem Zeitpunkt jedoch im Bett und schläft. Martin weckt ihn und fragt, ob er für ihn Koks habe und ein Gramm auf «Gummi», also auf Pump, herausgeben könne. Sebastian wird wegen der nächtlichen Störung wütend. Zuerst beschimpft er Martin am Telefon, bestellt ihn dann aber dennoch zu einem Schulhaus in der Nähe. So schildert es die Luzerner Staatsanwaltschaft in der Anklage.
Dort soll es schliesslich zur Auseinandersetzung gekommen sein, wegen der Sebastian nun in erster Instanz verurteilt wurde.
Der Vorwurf: versuchter Mord. Sebastian soll nämlich keine Drogen im Gepäck gehabt haben. Dafür aber eine Pistole und ein Messer.
Ein Zentimeter weiter und der Tod wäre nah gewesen
Wie es in der Anklageschrift heisst, habe er Martin, der mal sein bester Kollege gewesen sein soll und auf Kokain gehofft hatte, zunächst geschlagen und ihn mit einer geladenen, aber gesicherten Pistole bedroht. Schliesslich habe er ein Küchenmesser gezückt und dem Opfer damit einen Stich unter der linken Achsel versetzt.
Wie das Kriminalgericht Luzern schreibt, habe der Bericht aus dem Kantonsspital gezeigt, dass der Stich dabei nur einen Zentimeter tiefer hätte gehen müssen, um tödlich zu sein. Dass das Opfer die Tat überlebt hätte, sei nur dem Zufall zu verdanken.
Schliesslich habe der Beschuldigte das Messer seinem Opfer noch ins Gesicht gedrückt und sei schliesslich wieder nach Hause gegangen. Die Polizei und die Ambulanz fanden den blutenden Martin schliesslich beim Torbogen am Bahnhof in Luzern und brachten ihn ins Spital.
Schon länger auf dem Radar der Ermittler
Der mutmassliche Täter gab in der Befragung an, er sei in der Nacht wütend und bekifft gewesen. Bei der Durchsuchung der Wohnung des Beschuldigten fanden die Beamten 400 Gramm Kokain, die Pistole sowie das Küchenmesser. Der in Luzern wohnhafte Zürcher war wegen der Dealerei schon länger auf den Radar der Ermittler geraten. Der Gewaltakt brachte das Fass quasi zum Überlaufen.
Vergangenen Februar stand der Beschuldigte vor dem Kriminalgericht Luzern. Die Staatsanwaltschaft forderte, dass der 30-Jährige wegen versuchten Mordes zu zehn Jahren Gefängnis zu verurteilen sei. Nun liegt das Urteil vor.
Versuchter Mord oder doch nicht?
Strittig war vor Gericht, ob es sich tatsächlich um versuchten Mord gehandelt hat. Die Verteidigung war nicht dieser Meinung. Ausserdem bezweifelte sie, dass der Stich tatsächlich hätte tödlich enden können.
Zumindest teilweise sah das Gericht dies ähnlich. Zwar habe der Beschuldigte seinen ehemaligen Kollegen auf hinterhältige und heimtückische Weise in eine Falle gelockt, indem er ihn im Glauben liess, er habe Drogen für ihn, aber er habe wohl nicht die Absicht gehabt, ihn tatsächlich zu töten. Hätte er dies vorgehabt, hätte er das Opfer ja auch mit der Pistole erschiessen oder weitere Male auf ihn einstechen können, schreibt das Gericht.
Dennoch habe er den Tod in Kauf genommen. Dafür – für versuchte (eventual-)vorsätzliche Tötung – und für weitere Vergehen verurteilt das Kriminalgericht den 30-Jährigen nun zu einer Gefängnisstrafe von sieben Jahren. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Beschuldigte hat Berufung angemeldet.
Schreibt gerne über harte Fakten und skurrile Aufreger. Seit über zehn Jahren Journalist bei Online, Print und Fernsehen. Für zentralplus schreibt der Wahl-Luzerner seit 2024.