Überfall am Bundesplatz

Vergewaltigung in Luzern: Hoffnung dank neuem Gesetz

Im Oktober 2021 kam es am Bundesplatz in Luzern zu einer Vergewaltigung – der Täter ist noch immer auf freiem Fuss. (Bild: Emanuel Ammon / AURA)

Der Luzerner Polizei ist es bisher nicht gelungen, den Mann zu fassen, der 2021 eine Frau am Bundesplatz vergewaltigt hat. Hoffnung gibt eine Gesetzesänderung, die im Sommer in Kraft treten soll.

Der Fall hat die Stadt Luzern erschüttert: Eine 35-jährige Schweizerin ist im Oktober 2021 frühmorgens über den Bundesplatz gelaufen, als sie merkte, dass ein Mann sie verfolgte. Plötzlich packte der Unbekannte die Frau und vergewaltigte sie in einem Hauseingang (zentralplus berichtete).

Die Polizei versuchte alles, um den Täter zu fassen. Die Aufnahmen von Überwachungskameras wurden gesichtet, DNA-Spuren gesucht und über sämtliche Social-Media-Kanäle wurden allfällige Zeugen gebeten, sich zu melden. Ohne Erfolg.

Vergewaltigung am Bundesplatz: Mittel sind ausgeschöpft

«Die Luzerner Polizei hat intensiv ermittelt und viele Hinweise überprüft. Der mutmassliche Täter konnte bisher aber nicht gefasst werden», sagt Simon Kopp, Sprecher der Staatsanwaltschaft, auf Anfrage von zentralplus. Der Fall sei derzeit sistiert.

Das heisst: Vorerst sind alle vorhandenen Mittel ausgeschöpft. «Wir werden die Untersuchung wieder aufnehmen, sobald neue Hinweise vorliegen oder wenn sich neue Ermittlungsansätze öffnen», versichert Kopp.

Der lange Weg zum neuen DNA-Gesetz

Damit droht sich ein Luzerner Trauma zu wiederholen. 2015 wurde eine junge Frau an einem Sommerabend in Emmen bei der Heimfahrt von ihrem Velo gerissen, vergewaltigt und verletzt liegen gelassen. Sie ist seither querschnittgelähmt. Als «Fall Emmen» hat sich dieses Verbrechen ins kollektive Gedächtnis der Luzerner Bevölkerung eingebrannt. Auch dieser Täter wurde nie gefasst.

Als die grosse Hoffnung, solche Fälle doch noch zu lösen, gilt seit Jahren eine Änderung des DNA-Profil-Gesetzes. Unter dem Titel «Kein Täter­schutz für Mörder und Vergewaltiger» hatte der inzwischen verstorbene FDP-Nationalrat Albert Vitali 2015 einen Vorstoss eingereicht. Er forderte, dass die Polizei aus DNA­-Spuren so auswerten darf, dass Rückschlüsse auf die bestimmte Merkmale wie Augen-, Haar­- und Hautfarbe des mutmasslichen Täters gezogen werden können.

National- und Ständerat haben die Gesetzesänderung im Dezember 2021 gutgeheissen. Passiert ist seither aber nichts. Frühstens im Sommer 2023 wird die Änderung in Kraft treten, wie das Bundesamts für Polizei (fedpol) auf Nachfrage bekannt gibt. Notabene acht Jahre nachdem der Vorstoss eingereicht und überwiesen wurde.

Auch alte Spuren dürfen ausgewertet werden

Immerhin soll das Gesetz rückwirkend in Kraft gesetzt werden. «Das heisst, es können auch alte DNA-Spuren auf diese Weise ausgewertet werden», wie eine fedpol-Sprecherin 2019 gegenüber zentralplus sagte (zentralplus berichtete).

Die Luzerner Staatsanwaltschaft hat die Akte Emmen 2018 vorläufig geschlossen und das Verfahren sistiert – genau wie jetzt bei der Vergewaltigung am Bundesplatz. Sprecher Simon Kopp kündigte aber schon damals an, dass der Fall «selbstverständlich» nochmals aufgerollt wird, wenn sich die rechtliche Situation ändert. «Wenn das Gesetz in Kraft tritt, werten wir die DNA-Spuren aus, die uns vorliegen. Nicht nur in diesem Fall, sondern auch in ähnlich gelagerten», sagte er.

DNA-Spuren zur Verbrechensaufklärung

Seit gut 30 Jahren werden zur Aufklärung von Verbrechen auch genetische Spuren ausgewertet. Allerdings mussten diese bis vor Kurzem mit genetischen Profilen aus eigens erstellten Datenbanken abgeglichen werden. Die Phänotypisierung ermöglicht es, aus der Genspur alleine bestimmte Merkmale ihres Urhebers herauszulesen.

Im Jahr 1985 entdeckte Alec Jeffreys, ein britischer Genetiker, dass sich Sequenzen im menschlichen Genom zur Identifizierung von Personen eignen. Er nannte seine Methode «genetischer Fingerabdruck». Implizit lehnt er sich dabei an den bereits erwähnten Zwillingsforscher Galton an, der erkannt hatte, dass die Rillen auf den Fingerbeeren jeder Person einzig­artig sind.

Grossbritannien begann 1995, eine DNA-Profil-Datenbank anzulegen, weitere Länder folgten. Das aus TV-Sendungen und Kriminalfilmen bekannte Verfahren war geboren: Die Genspur vom Tatort – Hautzellen, Haare, Sperma, Speichel- oder Blutstropfen – wird mit den DNA-Profilen in der Daten­bank abgeglichen; mit dem Treffer klärt sich das Verbrechen auf.

Verwendete Quellen
  • Mailaustausch mit Simon Kopp
  • Telefonat mit dem Bundesamt für Polizei
  • Debatte um das DNA-Gesetz im National- und Ständerat
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6 Kommentare
  • Profilfoto von Barbara
    Barbara, 26.01.2023, 12:39 Uhr

    Interessant wäre zu erfahren, warum dieses Gesetz noch nicht in Kraft trat? Wo liegen die Probleme?

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  • Profilfoto von Anton
    Anton, 26.01.2023, 07:02 Uhr

    Irgendwie komisch, Einbrecher können innert kurzer Zeit gefasst werden, vergewaltiger jedoch nicht.
    Wie wäre es, wenn wir die Gesetzesschraube anziehen würden und alle Personen von Geburt an Ihre DNA in einer Weltweiten Datenbank speichern würden?
    Glaubt mir, da würde sich jede/r zuerst überlegen, ober eine Straftat begehen will.

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    • Profilfoto von tore
      tore, 30.01.2023, 13:56 Uhr

      Das mit der DNA ist nicht immer so klar. Beispiel: Wenn Sie ein Papiertaschentuch in einen Abfalleinmer werfen und später eine Krähe Essensresten im Eimer sucht, Ihr Papiernastuch zu Boden fällt (vielleicht noch vom Wind weggeweht wird) und in der Nähe ein Verbrechen geschieht, wird man Sie verdächtigen …

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    • Profilfoto von tore
      tore, 30.01.2023, 14:00 Uhr

      Und wenn unsere Demokratie ausgehöhlt wird, könnte Ihre DNA (falls Sie den Machthabern nicht genehm sind) am Platz des Verbrechens deponiert werden. So werden unbequeme Personen kaltgestellt.

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    • Profilfoto von Enrico Ercolani
      Enrico Ercolani, 31.01.2023, 08:40 Uhr

      Würde sofort zustimmen.

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  • Profilfoto von Hugo Ball
    Hugo Ball, 25.01.2023, 07:12 Uhr

    Vielleicht wäre es für die Sichtung des grösseren gesellschaftlichen und kriminalistischen Zusammenhangs und damit kausal auch wertvoll, wie diese Täter von ihren Opfern bezüglich Merkmalen beschrieben wurden. Gerne erinnere ich mich an die damalige vollständige Berichterstattung von z+. Das wäre um einiges pragmatischer, sinnvoller und zweckdienlicher als der genetische Fingerabdruck. Gerade in Zeiten freien Personenverkehrs.

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