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Ein Luzerner Reisebüro soll für die Drogenmafia Geld gewaschen haben. Bei den Ermittlungen durchsuchte die Polizei dessen Server. Das wirft Fragen auf.
Geldwäsche für die Drogenmafia – so lautet der Verdacht, in dessen Zentrum ein Luzerner Reisebüro steht. Der Vorwurf: Der Inhaber und seine Söhne sollen der Balkanmafia geholfen haben, Drogengelder ins Ausland zu transferieren. Die Rede ist von sieben Millionen Franken, die sie gewaschen haben sollen (zentralplus berichtete).
Vergangenen September schlugen die Luzerner Polizei und das Fedpol in Luzern und in Basel zu. Neun Hausdurchsuchungen und sechs Festnahmen, das ist die Bilanz des gross angelegten Polizeieinsatzes (zentralplus berichtete).
Polizei hatte Server im Visier
Seit 2022 hatte die Polizei das Büro im Visier. Allein im Zeitraum von März 2022 bis Februar 2023 stellten die Ermittler über 750 Besuche von mutmasslichen Drogenläufern beim Reisebüro fest. Das sind im Durchschnitt mehrere Besuche pro Tag.
Ein neues Urteil des Bundesstrafgerichts ermöglicht einen weiteren Einblick in die Hintergründe der Überwachung und zeigt auf, wie die Polizei den mutmasslichen Geldwäschern auf die Schliche kam.
Der Hintergrund: Der Inhaber des Reisebüros hatte gegen die verdeckten Durchsuchungen der Bundeskriminalpolizei eine Beschwerde eingereicht. Diese hatte die Server des Reisebüros im Visier. Im August und September 2023 sowie Juni 2024 beauftragte die Bundesanwaltschaft die Bundeskriminalpolizei mit «verdeckten Durchsuchungen» von Aufzeichnungen auf dem Server.
Anschliessend seien die Daten sofort zu versiegeln und erst nach einem Entsiegelungsverfahren wieder einsehbar gewesen.
Das darf die Polizei bei verdeckten Durchsuchungen
«Verdeckte Durchsuchung» heisst dabei nichts anderes, als dass die Polizei sich im Geheimen Zugang zu Servern verschafft, um dort Beweismittel zu finden und sichern. Das darf sie, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind und eine richterliche Anordnung vorliegt.
Oft genannt, wenn es um Überwachung von Informatiksystemen oder auch Telefonen durch die Polizei geht, werden sogenannte «Staatstrojaner». Deren Einsatz ist streng geregelt und die Polizei muss den Datenschutz, die Privatsphäre und das Strafrecht berücksichtigen.
Als Voraussetzung gilt etwa, dass ein dringender Verdacht besteht, die Schwere der Straftat die Überwachung rechtfertigt oder andere Methoden nicht zum selben Ziel führen. Die Staatsanwaltschaft, die die Überwachung anordnet, muss dabei genau sagen, welche Dateien sie finden will. Alle anderen Dateien, auf die die Polizei stösst, muss sie vernichten.
Die sichergestellten Daten werden in der Regel umgehend versiegelt. Das heisst, auch die Strafverfolgungsbehörden können und dürfen nicht darauf zugreifen, bis ein Gericht entscheidet, dass sie für ein Verfahren freigegeben werden.
Zugangsdaten seien «rechtmässig» erworben worden
Wie genau die Bundeskriminalpolizei sich Zugang zu den Servern des Reisebüros verschafft hat und ob dabei eben solche «Staatstrojaner» zum Einsatz kamen, ist aus dem Urteil des Bundesstrafgerichts nicht ersichtlich. Mittels «Überwindung des passwortgeschützten Zugangs durch den Einsatz rechtmässig erhobener Zugangsdaten oder durch den Einsatz softwaregenerierter Zugangsdaten», griff das Gericht dreimal auf die Server zu, heisst es.
Weiter steht im Urteil, dass die Polizei an die Zugangsdaten rechtmässig gelangt sei, durch andere Überwachungsmassnahmen, die von einem Gericht genehmigt worden waren.
Geheim oder nicht? Antwort vertagt
Zwei Monate nach den Durchsuchungen wurden der Inhaber des Reisebüros, dessen Söhne und weitere Personen festgenommen. Kurz danach reichte der Inhaber eine Beschwerde ein.
Die Durchsuchungsbefehle der Bundesanwaltschaft seien aufzuheben und es sei festzuhalten, dass die Durchführungen der verdeckten Durchsuchungen rechtswidrig erfolgt seien. Die Daten seien umgehend zu vernichten.
Die Frage, die sich stellt: War das Vorgehen der Bundesanwaltschaft und der Polizei rechtens? Und handelte es sich um eine geheime Überwachung, wie oben beschrieben oder um eine «normale» Durchsuchung? Für Letztere liegen die Hürden tiefer.
Für den Moment ist die Frage irrelevant, findet das Bundesstrafgericht. Denn die Durchsuchung, Sicherung und Versiegelung der Daten sind bereits passiert und können nicht mehr rückgängig gemacht werden. Somit gebe es kein aktuelles Interesse, die Rechtmässigkeit der Durchsuchung zu überprüfen.
Aber die Frage könnte wieder relevant werden, wenn es um die Entsiegelung und eine allfällige Beschlagnahmung der Daten geht. Vorerst ist der Entscheid somit vertagt. Die Ermittlungen gegen den Reisebüroinhaber und die fünf anderen Verhafteten laufen derweil noch. Es gilt die Unschuldsvermutung.