Auf Anzeige folgt Gegenanzeige

Toxische Beziehung bringt Zuger Justiz an die Grenze

Die Trennung eines Zugers von seiner Freundin löste zwei Strafverfahren aus. (Bild: Symbolbild Adobe Stock)

Eine Frau zeigt ihren Partner wegen häuslicher Gewalt an, er reagiert mit einer Gegenanzeige wegen Verleumdung. Den Konflikt kann unser Rechtssystem nicht lösen – am Schluss bleiben beide auf den Kosten sitzen.

«Im Krieg und in der Liebe ist alles erlaubt», besagt ein Sprichwort. Das stimmt juristisch gesehen natürlich nicht. Aber es ist erstaunlich, wie schnell das eine ins andere ausarten kann. Das zeigt ein Fall, mit dem sich kürzlich das Zuger Obergericht auseinandersetzen musste.

Die Geschichte beginnt am 14. März 2019. Eine Frau geht auf den Polizeiposten und erzählt dort, dass ihr Lebenspartner sie misshandelt. Vor gut einem Jahr habe er sie das erste Mal mit der Faust in den Brustbereich geschlagen – damals noch in spielerischem Rahmen. Der Security-Mann habe ihr eigentlich Abwehrtechniken gezeigt, dabei aber richtig zugehauen, so dass sie danach Schmerzen gehabt habe.

Trennung wird ein Fall für die Justiz

Einige Monate später habe er sie bei einem Streit gepackt und aufs Sofa gedrückt. Mit dem Unterarm habe er ihr die Kehle abgeschnürt, so dass sie kurze Zeit keine Luft mehr bekommen habe. Wenige Wochen darauf habe er sie erneut geschlagen und ihr gedroht, dass sie den gemeinsamen Sohn nie wieder sehen werde. Sie habe Angst vor ihm – auch weil er eine Pistole habe, für die er keinen Waffenschein besitze.

Auf die Anzeige folgt die Gegenanzeige

Kaum hatte die Staatsanwaltschaft das Strafverfahren eröffnet, folgte die Gegenanzeige. Der Sicherheitsmann zeigte seine Ex unter anderem wegen falscher Anschuldigung an. Er sagte gegenüber der Polizei, er habe seine Freundin nie am Hals gepackt und gewürgt. Sie beschuldige ihn nur, um ihn im Hinblick auf das Sorgerechtsverfahren in ein schlechtes Licht zu rücken. Es stimme auch nicht, dass er ihr gedroht habe, dass sie das Kind nie mehr sehen werde. Vielmehr habe seine Ex den Bub in einen anderen Kanton entführt.

Sie sei es auch gewesen, die ihn beim letzten Streit an den Haaren gezogen habe. Trotzdem hätten die Behörden nach dem Vorfall nicht sie, sondern ihn angewiesen, die gemeinsame Wohnung zu verlassen. Nach seiner Rückkehr einige Tage später habe er gemerkt, dass 5000 Franken gefehlt hätten, die sie sich unrechtmässig angeeignet habe.

Was wirklich beim Streit ist, lässt sich aus Sicht der Zuger Justiz nicht beweisem

Wer hat recht? Der Zuger Justiz gelingt es nicht, das zu klären. Im April 2022 stellt sie das Strafverfahren gegen den Security-Mann ein. Zwar ist unbestritten, dass die beiden Streit hatten und die Frau dabei rückwärts zu Boden gefallen ist.

Sie erlitt dabei eine Rissquetschwunde und Blutergüsse am Rücken. Aus Sicht der Untersuchungsbehörden lässt sich aber nicht beweisen, dass sie gewürgt worden wäre. Die angebliche Pistole erwies sich als defekte Gaspistole, für die es keinen Waffenschein braucht. Weitere Beweise gibt es nicht. Die Staatsanwaltschaft kommt zum Schluss, dass der Zuger nicht verurteilt werden kann. Zweifel gehen immer zu Gunsten der Beschuldigten.

Weder er noch sie werden verurteilt

Mit dem genau gleichen Argument stellt die Staatsanwaltschaft allerdings auch das Strafverfahren gegen die Frau ein. Die Tatsache, dass sich der Tatverdacht nicht erhärten liess, sei noch kein Nachweis dafür, dass die Freundin ihn wider besseres Wissen zu Unrecht einer schwerwiegenden Straftat beschuldigt habe.

Diese Auffassung bestätigt das Zuger Obergericht in seinem Urteil. Aus seiner Sicht lässt sich weder die eine noch die andere Version der Geschehnisse zweifelsfrei belegen. Insbesondere sei nicht klar, ob die Frau wusste, dass die Waffe ihres Partners nicht echt ist. Es bleiben demnach beide unbestraft.

Was die 5000 Franken angeht, welche die Frau mitgenommen haben soll, so erwähnt das Obergericht diesen Teil der Vorwürfe mit keinem Wort. Letztlich hat der Fall nur Kosten verursacht. Der Mann muss 1600 Franken für das Gerichtsverfahren zahlen. Die Frau wiederum bekommt 1000 Franken Entschädigung. Weil es sich beim Vorwurf der falschen Anschuldigung um ein Offizialdelikt handelt, übernimmt diese Kosten der Staat.

Wie ist dieser Artikel entstanden?

Das Obergericht des Kantons Zug veröffentlicht seine Entscheide im Internet. Die Datenbank wird seit dem 1. Januar 2022 aufgebaut und enthält inzwischen Hunderte von anonymisierten Gerichtsentscheiden.

Du kannst dir dort jederzeit selber ein Bild machen, wie die Rechtsprechung im Kanton funktioniert und wie die Entscheide zustande kommen. Einen guten Überblick diesbezüglich bietet dir aber auch die Berichterstattung von zentralplus.

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