Zuger Obergericht zu Balkonbrand

Staatsanwaltschaft stolpert über ananasförmige Laternen

Am 26. März 2022 geriet ein Balkon in Cham in Brand. (Bild: Zuger Polizei)

Freispruch nach Balkonbrand: Das Zuger Obergericht entlastet einen 40-jährigen Schweizer nach einem forensischen Gutachten. Die Staatsanwaltschaft? Kommt in der Sache überhaupt nicht gut weg.

Als sie den Rauch riechen, ist es zu spät. Der 26. März 2021, ein Freitagabend, Tobias Zimmermann* hat Besuch. Er hat einen Freund eingeladen, die beiden Männer sind in der Küche, als sie bemerken, was auf dem Balkon los ist: Dort wo sie nur Minuten zuvor gesessen hatten, wütet ein Feuer. Zimmermann und sein Freund hasten auf den Balkon, doch können nichts mehr unternehmen. Die Nachbarn melden den Brand um 20.30 Uhr, wenig später stehen die Feuerwehr Cham und die Stützpunktfeuerwehr Zug auf Platz.

Die Männer bekommen das Feuer unter Kontrolle, doch das Zuhause von Tobias Zimmermann ist vorerst nicht bewohnbar. «Der Sachschaden beläuft sich auf rund 100'000 Franken», schreibt die Zuger Polizei am Morgen nach dem Brand in einer Medienmitteilung. Zimmermann und sein Freund kommen ins Spital – mit Verdacht auf Rauchgasvergiftung.

Für Tobias Zimmermann hat der Balkonbrand auch ein juristisches Nachspiel: Ein knappes Jahr später verurteilt ihn der Einzelrichter des Zuger Strafgerichts zu 80 Tagessätzen bedingter Geldstrafe à 50 Franken. Tatbestand: Fahrlässiges Verursachen einer Feuersbrunst.

Der Einzelrichter folgte der Staatsanwaltschaft. Diese hatte Zimmermann vorgeworfen, er habe Teelichter in «drei metallenen, ananasförmigen Laternen» auf dem Balkon angezündet, auf ein Rattanmöbel gestellt und nicht mehr beachtet. Laut der Anklage musste Zimmermann damit rechnen, dass die Laterne genug heiss wird, um das Kunststoffmöbel darunter zu entzünden.

Obergericht spricht Zimmermann frei

Noch vor Strafgericht meldete Zimmermanns Verteidiger Berufung an. Mit Erfolg. Das zeigt ein aktuelles Urteil des Zuger Obergerichts. Dieses spricht den 40-jährigen Schweizer in zweiter Instanz frei, die Beschwerdefrist beim Bundesgericht läuft in wenigen Tagen ab.

Das Obergericht bezieht sich in seinem 19-seitigen Entscheid auf ein forensisches Gutachten, das es nach einem Beweisantrag Zimmermanns in Auftrag gegeben hatte. Der Gutachter des kriminaltechnischen Dienstes der Kantonspolizei Zürich hatte im Wesentlichen zwei Fragen zu beantworten: Haben die Teelichter mit hinreichender Sicherheit das Feuer verursacht? Und gibt es Hinweise auf mögliche andere Brandursachen?

Möglicherweise war der Lötkolben Schuld

Die Antwort auf die zweite Frage lautet: Ja. Nach dem Brand fand sich laut dem Urteil ein Lötkolben auf dem Balkon, der gemäss dem Gutachter auch als Brandursache in Frage kommen könnte. Zudem fanden die Forensiker in den Ananas-Lampen keine Überreste von Teelichtern. Heisst: Es ist gut möglich, dass in den Lampen nie Teelichter waren, wie dies die Strafverfolger Tobias Zimmermann unterstellt hatten. Oder wie es im Gutachten heisst: «Wir gehen davon aus, dass in den Solar-Laternen, deren Überreste sichergestellt worden waren, keine Teelichter betrieben wurden, da im sichergestellten Material noch elektronische Komponenten vorhanden waren.»

Wer das Urteil liest, muss also zum Schluss kommen: Als sie ihre Anklage schrieb, war sich die Staatsanwältin möglicherweise nicht ganz im Klaren darüber, dass die Ananas-Lampe für Solar- und nicht für Teelichter gedacht war. Und vom Lötkolben als mögliche Brandursache steht in der Anklage kein Wort. Der Staat darf eine Person aber nur für das verurteilen, was die Strafverfolger explizit angeklagt haben.

Unter Berufung auf das Gutachten hält das Gericht deshalb fest: «Es kann (...) nicht mit hinreichender Sicherheit davon ausgegangen werden, dass das Feuer durch die fraglichen Teelichter verursacht wurde.» Vielmehr bleibe die Brandursache unklar. Und deshalb wird Tobias Zimmermann freigesprochen: «Mithin ist nicht erstellt, dass der Beschuldigte im Sinne der Anklageschrift fahrlässig gehandelt hat.»

* Name geändert

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