Mit Kriminellen-Chat und Krypto-Handys kommuniziert
So schnappten die Ermittler die Gübelin-Räuber
Die Räuber verschafften sich durch den Eingang in der Passage zum Stein Zutritt zur Gübelin-Filiale. (Bild: cbu)
Der Gübelin-Raub und der Prozess gegen sechs Männer erregte schweizweit Aufsehen. Nun liegt das begründete Urteil vor. Es erlaubt neue Einblicke, wie die mutmasslichen Räuber vorgegangen sein sollen und wie sie aufflogen.
Mitte Oktober 2019 kurz nach 8 Uhr am Schwanenplatz in Luzern: Zwei Männer betreten die Gübelin-Filiale. Sie fesseln Mitarbeiterinnen und räumen die Tresore aus. Die Beute hat einen Wert von 20 Millionen Franken.
Es ist nicht das erste Mal, dass die Filiale Opfer von Räubern wird: Im September2017 wurde das Schmuck- und Uhrengeschäft ebenfalls überfallen.
2024 mussten sich sechs Männer vor dem Luzerner Kriminalgericht verantworten. Sie sollen bei den Überfällen mitgewirkt haben, so der Vorwurf. Darunter ist der ehemalige Hausmeister des Ladens. Er soll den Räubern Insiderinformationen über die Räumlichkeiten und Tresore weitergegeben haben. Weitere Männer werden unter anderem beschuldigt, die Beute gebunkert und versucht zu haben, diese weiterzuverkaufen oder eine Pistole beschafft zu haben. Ein weiterer soll die mutmasslichen Räuber in seinem Bordell beherbergt haben.
14 Jahre Haft für Hauptbeschuldigten
Den Hauptbeschuldigten, ein 46-jähriger Serbe, verurteilte das Kriminalgericht zu einer Haftstrafe von 14 Jahren. Auch die anderen beteiligten Männer wurden schuldig gesprochen und mit Haftstrafen zwischen drei und zehn Jahren belegt (zentralplus berichtete). Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Alle sechs Beschuldigten haben Berufung angemeldet.
Nun ist das begründete Urteil des Kriminalgerichts freigegeben. Dieses gibt weitere Einblicke, wie die mutmasslichen Räuber kommuniziert haben sollen und wie ihnen die Polizei dabei auf die Schliche kam. Eine Rolle spielten dabei ein Chatdienst für Kriminelle und die EU-Strafverfolgungsagentur Europol.
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So haben die Beschuldigten laut dem begründeten Urteil immer wieder auf das verschlüsselte Kommunikationssystem SKY ECC zurückgegriffen. Es handelt sich dabei um eine Krypto-App der Firma Sky Global. Mit der App war eine verschlüsselte Kommunikation möglich. Nachrichten wurden kurz nach dem Empfang wieder gelöscht. Das machte sich weltweit bei Kriminellen beliebt. 2021 gab Europol bekannt, dass es französischen, belgischen und holländischen Ermittlern gelungen war, den Dienst zu hacken und an die Chats von Verbrechern weltweit zu gelangen. Mittlerweile ist der Messenger nicht mehr verfügbar.
So sollen die Beschuldigten den Verbrecher-Chatdienst genutzt haben
Unter den zig Mitteilungen, die die Ermittler fanden, waren scheinbar auch solche der mutmasslichen Gübelin-Räuber. Wie das Gericht schreibt, nutzten sie den verschlüsselten Dienst verschiedentlich. So soll der Hauptbeschuldigte einem seiner mutmasslichen Komplizen ein Blackberry-Handy in den Briefkasten gelegt und darüber kommuniziert haben. Es sei dabei um die Deponierung des Diebesguts gegangen.
Wiederum ein anderer der mutmasslichen Räuber nutzte Sky ECC laut Urteil, indem er versuchte, über den verschlüsselten Chat mehrere Uhren im Verkaufswert von über sechs Millionen Franken zu verkaufen. Auch bei jenem Mitbeschuldigten, in dessen Etablissement sich die mutmasslichen Räuber zur Planung getroffen haben sollen, fanden die Ermittler ein Handy mit der App Sky ECC.
Als schliesslich die ersten Festnahmen erfolgten, hätten sich die verbliebenen Beteiligten über den Messenger ausgetauscht. Sie hielten sich offenbar auf dem Laufenden, wer gerade von den «Bullen» «genommen» wurde, wie es in Auszügen der Chatprotokolle heisst.
Europol fand Infos zu Gübelin-Raub
Einen Tag nach dem Überfall im Oktober konnte die Luzerner Polizei einen Grossteil der Ware in einer Wohnung finden und mehrere Männer festnehmen. Weitere Ermittlungen und internationale Haftbefehle führten schliesslich zu Festnahmen in Bosnien und Serbien.
Geholfen hätten dabei Hinweise von Europol, welche die Chatnachrichten von Sky ECC gefunden hatte und die Informationen an die Schweizer Behörden weiterleitete. Man habe Hinweise gefunden, die im Zusammenhang mit dem Raub stehen könnten, hiess es.
Die Staatsanwaltschaft Luzern und die Luzerner Polizei führten schliesslich elf Hausdurchsuchungen und rund hundert Einvernahmen durch. In einer Mitteilung im August 2021 hiess es, dass der Fahndungserfolg der engen Zusammenarbeit mit den nationalen und internationalen Behörden zu verdanken sei.
Anwälte wollten Verwendung der Chats für Prozess verbieten
Einige der Anwälte der Beschuldigten versuchten noch durchzubringen, dass die Funde aus den gehackten Sky-Protokollen für den Prozess nicht verwendet werden dürften. Dies aber vergebens. Das Gericht entschied schliesslich, dass sie zulässig seien. Selbst wenn die Erkenntnisse nicht auf legalem Weg an die Schweizer Strafverfolgungsbehörden gelangt wären, würden sie der Aufklärung einer schweren Straftat dienen und seien somit erlaubt.
Die sechs Beschuldigten ziehen den Fall derweil weiter. Als Nächstes wird sich das Kantonsgericht mit dem Raub befassen. Es gilt weiterhin die Unschuldsvermutung.
Schreibt gerne über harte Fakten und skurrile Aufreger. Seit über zehn Jahren Journalist bei Online, Print und Fernsehen. Für zentralplus schreibt der Wahl-Luzerner seit 2024.