Sein Handy schützte Kriminelle – nun droht die Ausschaffung
Vor allem Kriminelle nutzten das abhörsichere Handy von Encrochat. (Bild: Symbolbild: Adobe Stock)
Einer der Entwickler eines abhörsicheren Handys soll von Zug nach Frankreich ausgeliefert werden. Das Handy wurde vor allem von Kriminellen genutzt. Dagegen wehrt sich der Mann aber – unter anderem, weil er in Zug noch ein Kind zeugen will.
Auf den ersten Blick sahen sie aus wie normale Smartphones. Nutzer konnten jedoch in den versteckten Modus wechseln und so miteinander in Kontakt treten, ohne dass diese Chats von aussen eingesehen werden konnten. Das war das Konzept der Handys der Firma Encrochat. Besonders bei Kriminellen war das von 2016 bis 2020 entwickelte Gerät beliebt. Erhältlich war es nur über Insiderkanäle.
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was die französischen Behörden einem in Zug wohnhaften Entwickler vorwerfen
weshalb dieser die Vorwürfe für politisch motiviert hält
Einer der Entwickler – ein 38-jähriger Kanadier – lebte bis vor Kurzem in Zug. Vergangenen Sommer wurde er verhaftet (zentralplus berichtete). Dies aufgrund eines Haftbefehls aus Frankreich. Die dortigen Justizbehörden werfen dem Mann vor, er habe mit der Entwicklung des abhörsicheren Handys kriminelle Gruppen unterstützt.
Ermittlungen führten zu tonnenweise Drogen, Geld und Waffen
Vor vier Jahren gelang es Ermittlern aus Frankreich und den Niederlanden nach intensiven Untersuchungen, das verschlüsselte Netzwerk zu knacken. Die gewonnenen Daten führten weltweit zu tausenden Verhaftungen. 100 Tonnen Kokain, 900 Waffen sowie 500 Millionen Euro Bargeld wurden beschlagnahmt. Auch die Entwickler gerieten ins Fadenkreuz der Justiz. 2022 liessen die französischen Behörden den einstigen Geschäftsführer in der Dominikanischen Republik festnehmen. Vergangenes Jahr folgte der Zugriff in Zug.
Die drei Verantwortlichen von Encrochat erhielten für ihre Dienste laut den französischen Ermittlern in drei Jahren insgesamt drei Millionen Franken.
Nun will die Schweiz den Encrochat-Entwickler nach Frankreich ausliefern. Das geht aus einem Urteil des Bundesstrafgerichts hervor. Der Kanadier hatte gegen den Entscheid des Bundesamtes für Justiz Beschwerde eingereicht. Denn er will sich nicht ausliefern lassen.
Auslieferung sei politisch motiviert und verletze Privatleben
Dabei argumentiert er gleich mit mehreren Gründen. So kritisiert er die Gründe, weshalb er überhaupt ausgeliefert werden sollte. Es könne ihm keine Unterstützung von kriminellen Banden vorgeworfen werden, nur weil er ein abhörsicheres Handy entwickelt hatte, sagt er.
Ausserdem glaubt er, dass seine Auslieferung politisch motiviert sei. In Frankreich fände eine Kriminalisierung von Krypto-Chat-Anbietern statt – völlig ungeachtet dessen, wofür die Handys genutzt würden. Es sei eine Kampagne aus «höchster Regierungsebene».
Weiter seien die Gefängnisse in Frankreich derart überbelegt und in desolatem Zustand, dass eine Auslieferung menschenrechtswidrig wäre.
Und schliesslich greife sie unzulässigerweise in sein Privat- und Familienleben ein, findet der in Zug wohnhafte Kanadier. Denn seine Ehefrau und sein einjähriger Sohn leben noch in Zug. Würde er nun in Frankreich ins Gefängnis müssen, wäre es laut ihm unmöglich, dass seine Familie ihn besuchen könnte. Nicht nur wegen der Entfernung, sondern auch, weil sie depressiv sei.
Ausserdem würden seine Frau und er sich ein weiteres Kind wünschen. Es sei bereits eine künstliche Befruchtung geplant. Der Plan sei aber nur umsetzbar, wenn er in Zug bleiben und ihm in der Schweiz der Prozess gemacht würde.
Bundesstrafgericht: Gibt auch in Frankreich Fertilisationskliniken
Das Bundesstrafgericht weist jedoch all diese Argumente zurück. Erstens dürfte er zumindest in Kauf genommen haben, dass seine Krypto-Handys von Verbrechern genutzt werden. Zweitens: Eine politische Motivation hinter der Auslieferung sei kaum glaubhaft. Drittens seien die französischen Gefängnisse zwar tatsächlich in zweifelhaftem Zustand, die französische Regierung habe das Problem aber längst angepackt. Und schliesslich sei eine Fahrt nach Frankreich für einen Besuch im Gefängnis zumutbar. Ausserdem gebe es auch in Frankreich Fertilisationskliniken, wo die geplante Befruchtung durchgeführt werden könnte, argumentiert das Gericht.
Es weist die Beschwerde somit ab und bestätigt die Auslieferung nach Frankreich. Der Encrochat-Entwickler zieht den Fall aber weiter. Als Nächstes muss sich das Bundesgericht damit befassen.
Schreibt gerne über harte Fakten und skurrile Aufreger. Seit über zehn Jahren Journalist bei Online, Print und Fernsehen. Für zentralplus schreibt der Wahl-Luzerner seit 2024.