Scheidung nur des Geldes wegen? Ehepaar droht Ausschaffung
:focal(1280x855:1281x856)/www.zentralplus.ch/wp-content/uploads/2024/12/AdobeStock_293664122-scaled.jpeg)
Zwei Eheleute sollen den Luzerner Behörden vorgegaukelt haben, dass sie sich geschieden hätten, um Sozialhilfe zu erschleichen. Es geht dabei auch um die Frage, ob die Polizei das Paar überwachen durfte.
Scheinehen sind ein bekanntes Delikt, Scheinscheidungen schon weniger. Genau wegen einer solchen stand ein Paar, ursprünglich aus Eritrea, kürzlich vor dem Luzerner Kriminalgericht. 2004 heirateten die beiden im Heimatland, und der erste Sohn kam zur Welt. 2010 kam der Ehemann in die Schweiz und erhielt Asyl. Ein Jahr später reiste der Rest der Familie mittels Familiennachzug nach.
Sechs Jahre lang schien die Familie in Harmonie zu leben, weitere Kinder kamen zur Welt, soweit alles in Ordnung. 2016 reichten die Ehegatten aber die Scheidung ein. Plötzlich soll das Zusammenleben unter einem Dach nicht mehr möglich gewesen sein. Die Ehefrau reichte daraufhin bei den zuständigen Behörden ein Gesuch um Sozialhilfe ein und bekam diese bewilligt. Der Ehemann zog aus der gemeinsamen Wohnung aus – zumindest scheinbar.
Kurz nach Trennung wurde Frau wieder schwanger
Denn wie das Luzerner Kriminalgericht in einem erstinstanzlichen Urteil schreibt, solle es dem Paar bei der Trennung nur darum gegangen sein, dass die Frau Unterstützungsgelder beziehen könne, auf die sie sonst keinen Anspruch gehabt hätte.
Besonders geschickt scheint sich das Paar dabei aber nicht angestellt zu haben. Kurz nach der offiziellen Trennung wurde die Frau erneut schwanger. Zudem fiel den Sozialdiensten auf, dass der Ehemann «auffallend» viel Zeit in der ehemals gemeinsamen Wohnung verbracht haben soll. Die beiden zogen das Scheidungsgesuch also wieder zurück. Der Ehemann meldete sich wieder am gemeinsamen Wohnsitz an. «Phase der ersten Trennung» nennt die Staatsanwaltschaft diesen Abschnitt der Geschichte. Eine zweite Phase folgte zwei Jahre später.
2019 stellte das Ehepaar erneut ein Trennungsgesuch. Der Mann zog wieder aus und mietete eine eigene Wohnung. Er arbeite zwischenzeitlich bei einer Logistikfirma. Die Frau reichte erneut ein Gesuch für Sozialhilfe ein. Wiederum aber soll die Trennung rein zu Täuschungszwecken erfolgt sein.
Überwachung durch Polizei und mit Video
Die Behörden waren mittlerweile skeptisch und liessen das Paar überwachen. Die Polizisten, die die Kontrollen durchführten, hätten bei praktisch allen Kontrollen beobachtet, wie das Auto des Ehemannes vor seinem angeblich ehemaligen Wohnhaus stand. Auch ist er beobachtet worden, wie er morgens die Wohnung der Ehefrau mit den gemeinsamen Kindern verliess.
Es folgte eine Videoüberwachung. Diese zeigte laut Anklage, dass der Beschuldigte quasi täglich direkt nach der Arbeit zur Wohnung der Frau fuhr und diese erst am Morgen wieder verliess.
Zweimal soll die ganze Familie sogar gemeinsam in die Ferien verreist sein. Selbst wenn das Ehepaar keine Liebesbeziehung mehr geführt hat, ist der Lebensmittelpunkt des Mannes nach wie vor in der Wohnung der Frau und der Kinder gewesen.
Wohnung des Mannes soll nur «Abstellkammer» gewesen sein
In der Wohnung, die er für sich selbst gemietet hätte, habe er sich kaum aufgehalten, sagen die Behörden. Dort hätten die Kontrolleure lediglich ein paar einzelne Kleidungsstücke gefunden. Darüber hinaus habe die Einzimmerwohnung eher einer «Abstellkammer» geglichen, schreibt die Staatsanwaltschaft.
Für sie ist klar: Die Trennungen habe das Paar nur vorgespielt, damit die Frau unrechtmässig Sozialhilfe beziehen hätte können. Knapp 30’000 Franken habe sie so bezogen, die ihr nicht zugestanden hätten. Eine «arglistige Irreführung» nennt die Staatsanwaltschaft das Vorgehen. Besonders dass die beiden sogar extra eine zusätzliche Wohnung gemietet hätten, um das Lügengebilde aufrechtzuerhalten, zeige die ausdrückliche Täuschungsabsicht.
Paar beteuert, es habe sich auseinandergelebt
Die beiden Beschuldigten streiten dies ab. In der Einvernahme gab der Ehemann an, er verstehe sich nicht
mehr so gut mit seiner Frau, deshalb habe man sich getrennt. Er besuche aber seine Kinder regelmässig. Ausserdem bezahle er Unterhalt. Im Urteil des Kriminalgerichts folgt schliesslich eine Abhandlung über mehre Abschnitte, weshalb sich seine Socken noch in der Wohnung der Frau befunden hätten. Er habe sich wegen der Kinder oft in der Wohnung aufgehalten. Ein Sohn habe beispielsweise Angst wegen eines Nachbarn. Zudem habe er manchmal bei einem Bekannten übernachtet, der im selben Block wohne.
Die Frau gab an, sie hätte keinen Kontakt mehr zum Ex-Partner. Er besuche aber oft die Kinder und helfe diesen zum Beispiel bei den Hausaufgaben. Ja, es komme vor, dass er manchmal auf der Couch übernachten würde.
War Überwachung rechtswidrig?
Bei der Verhandlung stellte sich die Verteidigung schliesslich auf den Standpunkt, dass die Beweismittel aus der Observation und der Videoüberwachung rechtswidrig erstellt worden seien und somit keine Gültigkeit hätten. Für eine Überwachung brauche es einen dringenden Tatverdacht. Nur weil sich das Ehepaar schon einmal habe trennen wollen, sei dieser aber nicht gegeben. Die Staatsanwaltschaft ist anderer Meinung. Sie stützt sich dabei auf einen Bericht der Luzerner Polizei von 2017, welcher besagt, dass es eine Häufung von angeblichen Scheidungen im Kanton gegeben hätte. Oft seien es Personen aus ostafrikanischen Ländern gewesen, die von Sozialhilfe profitieren wollten. Das stütze einen Verdacht für den nun verhandelten Fall, findet die Staatsanwaltschaft.
Das Kriminalgericht sah in der Überwachung schliesslich kein Problem. Weiter urteilte es zugunsten der Staatsanwaltschaft. Es fand ebenfalls, dass das Ehepaar die Trennung nur vorgespielt hätte, um sich Gelder zu erschleichen. Es verdonnert die beiden je zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten bedingt bei zwei Jahren. Ausserdem müssen beide die Schweiz für fünf Jahre verlassen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das Ehepaar hat Berufung angemeldet. Es gilt für beide die Unschuldsvermutung.
- Urteil Kriminalgericht Luzern