Gesetzesflut beschäftigt Luzerner Justiz

Richter warnt: «Die Gerichte sind massiv gefordert»

Der Luzerner Kantonsgerichtspräsident Peter Schumacher warnt vor immer mehr Gesetzen. (Bild: Adobe Stock/mst)

Die Luzerner Gerichte haben immer mehr zu tun. Hinzu kommt, dass die Gesetzeslage komplexer wird. Der Kantonsgerichtspräsident Peter Schumacher hat keine Freude daran.

9500 Fälle gingen im vergangenen Jahr an den Luzerner Gerichten ein – rund 300 mehr als im Vorjahr (zentralplus berichtete). Dass die Richter immer mehr zu tun haben, ist allgemein bekannt. Vor anderthalb Jahren warnte der Luzerner Kantonsgerichtspräsident Peter Schumacher: «Gewisse Abteilungen laufen am Limit.»

Nun warnt Schumacher erneut. Am Mittwochvormittag erklärte er an einer Pressekonferenz, dass die Geschwindigkeit, mit welcher Gesetze in der Schweiz geändert werden, sich in den vergangenen Jahren markant gesteigert habe. «Die Gesetzesänderungen werden immer schneller und immer mehr. Die Gesetzeslage ist undurchdringbar geworden. Nicht nur für Bürgerinnen und Bürger, sondern zunehmend auch für Juristinnen und Juristen.»

Diese Entwicklung sei «nicht unproblematisch». Denn die Bevölkerung wisse so nicht mehr, was gelte. Zudem seien die Gerichte massiv gefordert.

Ausschaffungsinitiative führt zu Mehraufwand bei Gerichten

Ein Beispiel nannte Dominik Keller, Gerichtsschreiber in der strafrechtlichen Abteilung: Auch Gesetzesänderungen, welche eigentlich Vereinfachungen zum Ziel hatten, könnten zu längeren Verfahren führen. So hatte die Ausschaffungsinitiative zwei neue Gesetzesartikel zur Folge. Mit den sogenannten «Katalogtaten» wurde im Gesetz genau festgelegt, für welche Taten Ausländer ausgeschafft werden sollten. Doch es hatte gemäss Keller zur Folge, dass sich Gerichte inzwischen oft mit Fällen befassen, welche früher Staatsanwältinnen erledigten. Denn nur Gerichte können Landesverweise aussprechen, Staatsanwaltschaften nicht.

Ausserdem gehe es für die Täter seit dem neuen Gesetz oft um «alles oder nichts». Entsprechend würden die Fälle öfter weitergezogen. Kellers Fazit: «Die Einführung der Landesverweisung hat zu mehr Fällen bei den Gerichten geführt. Die Urteile wurden komplexer und deswegen auch umfangreicher.» Das Ziel, die Verfahren effizienter zu machen, indem die Landesverweisung im Strafverfahren beurteilt wird, sei verfehlt worden.

«Die Urteile werden komplexer»

Für Christian Renggli, Informationsbeauftragter des Kantonsgerichts, ist klar: «Es ist nicht so einfach, die Ziele zu erreichen, die man sich bei Gesetzesänderungen vornimmt.» Differenzierungen, die eingeführt würden, seien zwar gut gemeint. Doch die Frage laute immer, ob sie auch umsetzbar seien. «Denn wenn die Gesetzeslage und die Verordnungen zahlreicher werden, werden auch unsere Urteile dicker und komplexer.»

Kantonsgerichtspräsident Peter Schumacher nannte an der Pressekonferenz ein weiteres Beispiel, welches bei den Gerichten zu mehr Aufwand führe. Die Revision der Zivilprozessordnung bringe es mit sich, dass die Gerichte die Möglichkeit erhalten, mündliche Prozessverhandlungen mit Videokonferenzen durchzuführen. Das sei eine einfache Möglichkeit, um beispielsweise eine im Ausland lebende Zeugin zu befragen. Doch seien die vom Bund verlangten Standards an diese Videokonferenzen hoch. «Damit müssen wir nicht nur unsere Mitarbeitenden schulen, sondern auch die technischen Voraussetzungen schaffen. Das alles ist aufwendig.»

Schumacher erwähnte noch ein weiteres Beispiel, um die Probleme zu veranschaulichen: Wenn die Gerichte mit einem Gesetz arbeiten können, das seit 20 Jahren existiert und somit etabliert sei, sei das etwas ganz Anderes als ein neues Gesetz, das zuerst «erarbeitet» werden müsse. Sprich: Mit alten Gesetzen habe die Rechtssprechung Erfahrung, die Gerichte wissen, wie sie damit umgehen können. Bei neuen Gesetzen gebe es diese Erfahrungswerte nicht.

Das erwartet der Kantonsgerichtspräsident

Konkrete Forderungen haben die Verantwortlichen jedoch nicht. «Wir sind keine Politiker», wie Schumacher erklärte. Trotzdem gelte es, darauf hinzuweisen, welche Folgen Gesetzesänderungen mit sich bringen. «Dem Gesetzgeber ist es auch nicht entgangen, dass die Gerichte grösser geworden sind.»

Der Kantonsgerichtspräsident will also keine konkreten Forderungen an die Politik stellen. «Was ich aber vom Gesetzgeber erwarte, ist, dass er sorgfältig arbeitet. Es kann nicht sein, dass man jeden Trend sofort umsetzt. Denn heute ist das Tempo bei gewissen Gesetzgebungsbereichen schon sehr flott.» Seine Bitte an die Politik: «Mehr Zeit für Reflexion.»

Verwendete Quellen
  • Besuch der Pressekonferenz
  • Medienarchiv zentralplus

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