Reisebüro und Pizzeria: So funktioniert Luzerner Drogenhandel
Die Luzerner Behörden haben wegen Drogen immer mehr zu tun. (Bild: Dmitry Volochek)
Wie hausen Dealer in Luzern? Wo verkaufen sie Drogen? Wo waschen sie ihr Geld? zentralplus hat Gerichtsdokumente ausgewertet – und zeigt dir die Hotspots der Drogenmafia.
Es ist ein Kampf gegen Windmühlen. Praktisch wöchentlich steht ein Drogenhändler in Luzern vor Gericht. Die Strafverfolgungsbehörden versuchen dingfest zu machen, wessen sie habhaft werden können. Auf den Strassen Luzerns gehen derweil viele weitere Kriminelle ihren Geschäften nach. Wie viele? Darüber kann nur spekuliert werden. Klar ist: Immer stärker drängen internationale Verbrechersyndikate nach Luzern. Sie kommen aus afrikanischen Ländern, Italien – seit einiger Zeit aber vor allem aus Albanien.
in welchen Luzerner Gemeinden – auch auf dem Land – Dealer wohnen
weshalb ein Pizzeriabetreiber festgenommen wurde
Die hiesigen Behörden schnappen meist kleine – manchmal auch einen dickeren – Fisch. Die eigentlichen Bosse sitzen aber in Tirana oder anderen albanischen Städten und orchestrieren von dort aus den Drogenhandel in Europa.
Die Dealer sind äusserst mobil. In Luzern hausen sie mal in unscheinbaren Wohnungen, mal in Hotels, der Kontakt mit den Konsumenten findet oft im öffentlichen Raum statt, der Umschlag von Drogen und Drogengeld mal in Parkhäusern, Toiletten von Einkaufscentern oder auf Parkplätzen von Tankstellen – aus dem Auto hinaus quasi.
zentralplus hat Gerichtsdokumente der vergangenen beiden Jahre ausgewertet. Dabei zeigt sich: Trotz hoher Mobilität gibt es Hotspots. Die Auswertung gibt weiter Einblicke, wie die Drogendealer hausen, ihre Drogen verkaufen oder Geld waschen.
Das Reisebüro
Es ist der jüngste Coup der Strafverfolger. Im September führten die Luzerner Polizei und das Fedpol eine Razzia in einem Luzerner Reisebüro durch. Der Verdacht: Der Inhaber und seine Söhne sollen der Balkanmafia geholfen haben, Drogengelder ins Ausland zu transferieren. Die Rede ist von sieben Millionen Franken, die sie gewaschen hätten.
Seit 2022 hatte die Polizei das Büro im Visier. Allein im Zeitraum von März 2022 bis Februar 2023 stellten die Ermittler über 750 Besuche von mutmasslichen Drogenläufern beim Reisebüro fest. Das sind mehrere Besuche pro Tag.
Die mutmasslichen Komplizen im Reisebüro sollen das Geld entgegengenommen und nach Albanien geschickt haben. Der kosovarische Inhaber des Reisebüros, dessen zwei Söhne und eine langjährige Mitarbeiterin wurden bei der Aktion im September verhaftet. Das Reisebüro ist nach wie vor in Betrieb. Noch laufen die Ermittlungen, es gilt die Unschuldsvermutung.
Die Wohnungen auf dem Land
Die Dealer, die in Luzern erwischt werden, werden oft in Albanien rekrutiert und nach Luzern geschickt. Hier angekommen, werden ihnen Autos und Wohnungen oder Hotelzimmer zur Verfügung gestellt. Sie hausen in unscheinbaren Blöcken oder auch mal in Mehrfamilienhäusern, oft in idyllischer Umgebung. Selten luxuriös, aber kaum schäbig – wer glaubt, dass die Dealer in heruntergekommenen Löchern an zwielichtigen Strassen in der Grossstadt wohnen, irrt.
Oft sind sie auf dem Land oder in schmucken Kleinstädten untergebracht. Reiden, Inwil, Menznau oder Willisau sind nur einige der Gemeinden. Die Mieter der jeweiligen Wohnungen sind dabei oft andere Hinterleute oder Landsmänner aus Albanien, die mit dem Drogenverkauf an sich nichts zu tun haben. In so einer Wohnung wohnte etwa der führende Kopf einer Bande, der im Frühling 2024 verurteilt wurde. In derselben Wohnung wohnte ein anderer Drogenhändler und Gehilfe des Kopfs der Bande. Auch er wurde verurteilt.
Teils bringt die Mafia ihre Strassendealer und Kuriere in Luzern auch bei Süchtigen unter. So verurteilte das Kriminalgericht im August 2022 einen Italiener, der in Luzern einen Albaner beherbergte, der «im grossen Stil» Heroinhandel betrieb. Als Miete erhielt der Heroinkonsument kein Geld, sondern Drogen – und schliesslich eine bedingte Haftstrafe von acht Monaten.
Was bei der Sichtung der Urteile der in Luzern verurteilten Dealer auffällt: Immer wieder hausten sie im Kanton Solothurn in der Gemeinde Grenchen. Von dort kamen sie nach Luzern für ihr Geschäft. Tatsächlich nahm die Solothurner Polizei im August sechs Dealer in Grenchen fest und stellte fünf Kilogramm Heroin, zirka ein Kilogramm Kokain, gegen drei Kilogramm Streckmittel und mehr als 20’000 Franken Bargeld sicher. Im April fanden die Ermittler gar 30 Kilo Koks und im Juni zehn Kilo.
Das Hotel und die Zimmervermietung
Immer wieder logieren die Dealer und Kuriere auch in Hotels – auch in Grenchen. In Luzern hingegen sticht ein Hotel besonders ins Auge. Eine Absteige in Emmenbrücke, welche auch in Luzern Langzeitzimmer vermietet. Gleich mehrfach wohnten die Dealer dort entweder im Hotel oder in der Liegenschaft in Luzern.
Das Hotel liegt unauffällig im Kern von Emmenbrücke, eingebettet zwischen Hauptstrasse und Bahngleisen. Die Umgebung ist belebt. Es hat Einkaufsmöglichkeiten und einen Kebabladen. Die Fenster des Hotels lassen von aussen keinen Blick zu. Zwielichtige Personen können hier im Gewusel des Alltags gut untertauchen.
Die Zimmervermietung befindet sich knapp anderthalb Kilometer weiter in Richtung Luzern. 800 Franken pro Monat kostet ein Zimmer dort, laut der Webseite des Betreibers. Die Dealer verkauften die Drogen mal direkt an der Strasse vor dem Haus oder auch mal auf dem Parkplatz eines Imbisses nicht weit entfernt.
Gemietet wurden die Zimmer meist von Unbekannten aus Albanien. Die Dealer in Luzern erhielten eine Reservation und eine Zimmernummer zugewiesen. Der Betreiber wusste wohl nicht, wer sich in seinen Räumlichkeiten einquartiert hatte.
Immer wieder kam es im Hotel zu Razzien. Die Polizei fand auf den Zimmern jeweils Kokain und Heroin, Streckmittel und Bargeld.
Die Dealerwohnung und die Bar
An der Baselstrasse in Luzern liegt eine Wohnung in einem Haus der zweiten Reihe. Die Adresse taucht gleich in mehreren Urteilen und Anklageschriften auf. Davor liegt, direkt an der Strasse, noch ein anderes Haus. Darin eine Bar. Auch diese wird von den Drogendealern und ihren Kunden frequentiert, aber dazu später mehr.
Die Wohnung gehörte scheinbar einem Südamerikaner. Er besass in der gleichen Liegenschaft eine zweite Wohnung. Dort wohnte er mit seiner Frau. Die andere Wohnung stellte er den Drogenhändlern zur Verfügung. Dafür erhielt er von den unbekannten Hinterleuten der Mafia eine Miete. In der Wohnung wohnte ein albanischer Dealer. Seine Aufgabe: Kokain und Heroin abmessen und portionieren. Knapp zwei Kilo Koks und 1,7 Kilo Heroin gingen durch seine Finger. Sein Vermieter verkaufte die Drogen schliesslich und gab das Geld an ihn weiter.
Nach der Festnahme des Dealers im Frühjahr 2021 dauerte es nur wenige Monate, und ein neuer Drogenhändler zog in die Wohnung ein. Wiederum war das Vorgehen dasselbe wie bei seinem Vorgänger. Nach drei Wochen klickten auch bei ihm die Handschellen.
Im Haus davor, direkt an der Strasse, liegt eine Bar. Auch dort scheinen Drogen im Umlauf gewesen zu sein. In mehreren Gerichtsdokumenten heisst es, dass sich Dealer, Kurier und Konsumenten dort getroffen hätten. In einem Fall soll sich ein Dealer dort mit knapp 240 Gramm Kokain sowie Drogenutensilien wie einer Digitalwaage oder Verpackungsmaterial eingedeckt haben.
Die Pizzeria
Hier war wohl nicht direkt die albanische Mafia involviert. Der Besitzer ist Iraker, der Drogenhändler ein Mann aus Afrika. Ersterer soll zweiterem zunächst erlaubt haben, in seiner Pizzeria in Luzern Kokain zu verkaufen. Dafür bekam er Provision und der Dealer und seine Gehilfen konsumierten als Gegenleistung Getränke im Wert von täglich bis zu 130 Franken.
Schliesslich ging der Pizzeria-Betreiber dazu über, auf eigene Faust Drogen zu verkaufen. Stutzig macht dabei: Der Pizzeria-Besitzer soll angegeben haben, Reisen nach Albanien unternommen und sich dort mit Personen aus dem Mafia-Umfeld getroffen zu haben. Was genau es damit auf sich hat, ist jedoch unklar. Die Polizei wurde auf die Pizzeria aufmerksam, nachdem Konsumenten angegeben hatten, dort Kokain zu kaufen. Bei einer Razzia fanden die Ermittler im Pizzaofen verstecktes Drogengeld und in einem Spielautomaten auf dem Balkon der Wohnung des Betreibers gut 80 Gramm Kokain. Das Kriminalgericht verurteilte den Mann zu einer Haftstrafe, er hat aber Berufung angemeldet. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Die Übersicht über die Luzerner Liegenschaften der Dealer ist eine reine Momentaufnahme. Die Drogenmafia sucht sich ständig neue Unterschlüpfe, Umschlagplätze und Geldwasch-Lokale. Die Strafverfolgungsbehörden schliessen jene, die sie finden können, und bringen vor Gericht, wen sie schnappen. Es ist ein Katz-und-Maus-Spiel. Wo sich die Dealer sonst noch einquartiert haben, das wissen vermutlich nur die Mafiabosse im Ausland.
Hinweis: Die Bilder in diesem Beitrag wurden mit künstlicher Intelligenz erstellt.
Schreibt gerne über harte Fakten und skurrile Aufreger. Seit über zehn Jahren Journalist bei Online, Print und Fernsehen. Für zentralplus schreibt der Wahl-Luzerner seit 2024.