Panne am Verwaltungsgericht Zug: 36 Urteile auf dem Prüfstand
Eine Richterin am Verwaltungsgericht Zug ist im September umgezogen und lebt nun «ennet» der Kantonsgrenze. Weil sie das dem Präsidium nicht mitteilte, müssen nun bis zu 36 Fälle neu aufgerollt werden.
Zug muss eine neue Richterin wählen. Schon wieder. Dabei wurde erst im November 2022 Diana Oswald zur Nachfolgerin von Gisela Bedognetti-Roth am Verwaltungsgericht Zug gewählt, die Ersatzwahlen waren im Mai (zentralplus berichtete). Was ist da los?
Diese Frage hat sich Stefan Thöni gestellt und entsprechend nachgeforscht. Der Präsident der Partei Parat – und selber mehrfacher Kandidat fürs Richteramt am Verwaltungsgericht Zug – brachte so eine Justiz-Posse ans Licht, die ihresgleichen sucht.
Wer wegzieht, verliert sein Amt
Die Sache ist folgende: Richterin Ines Stocker ist im September gezügelt – und zwar in einen anderen Kanton. Was für Normalsterbliche allenfalls mit ein bisschen Mühsal beim Packen verbunden ist, hat für eine Richterin weitreichende berufliche Konsequenzen.
Grund: Es können nur Menschen im Kanton Zug Richterin werden, die auch im Kanton Zug gesetzlich niedergelassen sind. Der Wohnort ist eine Voraussetzung für die Wählbarkeit. Ergo: Wer wegzieht, verliert sein Amt.
Bundesgericht hat klar entschieden
Das Problem ist, dass Ines Stocker ihren Umzug nicht gemeldet hat. Dies bestätigt Aldo Elsener, Präsident am Verwaltungsgericht Zug, auf Anfrage von zentralplus. Sie hat weiter als Richterin gearbeitet – obwohl dies nicht zulässig ist.
«Dem Gericht wurde der Wohnsitzwechsel erst nachträglich mitgeteilt.»
Aldo Elsener, Präsident am Verwaltungsgericht Zug
Das Bundesgericht hat einen ähnlichen Fall 2012 an die Vorinstanz zurückgewiesen. Es hielt daran fest, dass jeder, der sich an die Justiz wendet, das Recht auf eine ordentliche Gerichtsbesetzung hat. In dem Fall musste die Vorinstanz nochmals über die Bücher.
Verwaltungsgericht Zug hat einen Haufen Arbeit vor sich
Dem Verwaltungsgericht Zug droht nun grosser Aufwand. «Es ist richtig, dass die von Ihnen angesprochene Person noch an 36 Urteilen mitgewirkt hat, nachdem sie ihren politischen Wohnsitz im Kanton Zug bereits aufgegeben hatte», schreibt Aldo Elsener.
Es handelte sich um 33 Urteile der sozialversicherungsrechtlichen und drei Urteile der fürsorgerechtlichen Kammer. «Dem Gericht wurde der Wohnsitzwechsel erst nachträglich mitgeteilt. Unmittelbar nach Kenntnisnahme dieses Umstandes hat das Gericht interne Abklärungen getroffen und die notwendigen Schritte eingeleitet», so der Gerichtspräsident.
Wer betroffen ist, kann neuen Entscheid verlangen
Konkret heisst das: Die von den Urteilen betroffenen Parteien erhalten bald Post vom Verwaltungsgericht Zug. Darin wird ihnen erklärt, dass sie innert dreissig Tagen eine Neubeurteilung ihres Falles in korrekter Zusammensetzung verlangen können. Machen sie das nicht, gilt der rechtskräftige Entscheid weiter.
«Mich wundert, dass eine Richterin die Voraussetzungen für ihre Wählbarkeit entweder nicht kennt oder nicht ernst nimmt.»
Stefan Thöni, Präsident der Partei «Parat»
Stefan Thöni kandidiert erneut am Verwaltungsgericht Zug
Gerichtspräsident Aldo Elsener entschuldigt sich in dem Schreiben bei den Betroffenen. Wie viele Fälle neu aufgerollt werden müssen, lässt sich nicht abschätzen.
Stefan Thöni stört sich daran, dass die Richterstelle eigentlich bereits im letzten Mai hätte neu besetzt werden können, als er sich zur Wahl stellte. Für ihn ist deshalb klar, dass er bei der neu angesetzten Wahl am 25. September erneut kandidieren wird.
Der Fall löst bei Thöni Kopfschütteln aus. «Mich wundert, dass eine Richterin die Voraussetzungen für ihre Wählbarkeit entweder nicht kennt oder nicht ernst nimmt.»
- Verfassung des Kantons Zug
- Urteil 9C_683/2012 des Bundesgericht