Pädophiler ist rückfällig – trotzdem will er mehr Freiheiten
Ein in Luzern mehrfach verurteilter Sexualstraftäter verlangt immer wieder bis vor Bundesgericht mehr Freiheiten. Die Erfahrung zeigt, dass dies keine gute Idee ist.
70 Jahre alt ist der Mann. Seit 39 Jahren ist er mit Unterbrüchen immer wieder im Gefängnis. Dies wegen Sexualstraftaten. 1985 wurde er in Luzern erstmals verurteilt, weil er als Miterzieher in einem Kinderheim zwei Mädchen, knapp 14 und 15 Jahre alt, sexuell missbraucht hatte. Dabei wurde ihm eine im mittleren Grad verminderte Zurechnungsfähigkeit attestiert.
15 Jahre später folgte die zweite Verurteilung. Die Opfer damals – die eigene Tochter und Stiefkinder. Das damalige Obergericht sprach in zweiter Instanz eine Zuchthausstrafe von fünf Jahren aus und ordnete eine ambulante psychotherapeutische Behandlung ohne Aufschub des Strafvollzugs an.
Inhaftierter verlangt immer wieder unbegleitete Freigänge
Drei Jahre nach seiner Entlassung folgte im Jahr 2009 die dritte Verurteilung, erneut wegen sexueller Handlungen mit einem Kind sowie wegen Gewalt und Drohung gegen Beamte. Der Mann musste für weitere sechs Jahre zurück in den Knast. Schliesslich landete er in einer psychiatrischen Klinik, zuerst im Kanton Graubünden, mittlerweile im Kanton Solothurn, wo er auch heute noch ist. Zuständig bleiben dennoch die Luzerner Behörden.
Der stationäre Aufenthalt scheint dem mehrfach Verurteilten aber nicht zu behagen. Wie aus einem aktuellen sowie aus früheren Urteilen hervorgeht, kämpft er immer wieder bis vors Bundesgericht für Haftlockerungen und eine Verlegung. Konkret fordert er vier Ausgänge pro Jahr, zum Teil begleitet, zum Teil alleine. Bis jetzt darf er nur in Begleitung jeweils für einige Stunden die Klinik verlassen.
Kaum auf freiem Fuss oder in lockerer Haft, schon wieder straffällig
Das Luzerner Kantonsgericht und später auch das Bundesgericht weisen das Anliegen jedoch ab. Und dies scheinbar mit gutem Grund. Die Erfahrung zeigt nämlich, dass der Mann, kaum sich selbst überlassen, zum Rückfall neigt. Dies zeigt einerseits, dass er nach seiner zweiten Verurteilung unmittelbar nach seiner Haftentlassung im Jahr 2007 und bei laufender ambulanter Behandlung erneut straffällig wurde. Damals misshandelte er seine Tochter.
Ein weiterer Vorfall: Während seines Aufenthalts in einer Klinik im Kanton Graubünden wurden ihm um das Jahr 2011 herum zeitlich befristete, unbegleitete Ausgänge auf dem Klinikareal gewährt. Zudem wurde er von der geschlossenen in die offene Anstalt verlegt.
Kurz darauf fanden die Mitarbeitenden der Klinik im Zimmer des heute 70-Jährigen ein Handy, das er nicht hätte besitzen dürfen und auf dem sich kinderpornografische Bilder fanden. Es folgte eine weitere Verurteilung.
Rückfallrisiko «überdurchschnittlich hoch»
Damit Haftlockerungen möglich sind, muss aber die Rückfallgefahr klein oder nicht vorhanden sein. Mit dieser Frage mussten sich das Bundesgericht und die vorherigen Instanzen im Falle des Triebtäters mehr als einmal auseinandersetzen.
Sie stützen sich dabei auf ein Gutachten. Dieses attestiert dem Beschuldigten eine «multiple Störung der Sexualpräferenz mit sehr deutlich ausgeprägter (bi-)sexueller Pädophilie von nicht ausschliesslichem Typus mit sadistischen und fetischistischen Anteilen». Ausserdem zeige er narzisstische Persönlichkeitsmuster.
In seiner bisherigen Therapie hätte er wohl Fortschritte gemacht. So habe er ein gewisses Mass an Empathie entwickelt und setze sich «konstruktiv» mit seiner Sexualität auseinander.
Aber: Es dürfte wohl nie möglich sein, seine Störung komplett zu heilen. So sei das Rückfallrisiko kurzfristig zwar eher gering, mittel- und langfristig jedoch überdurchschnittlich hoch. Dass er wieder Kinderpornografie konsumieren würde, sei sehr wahrscheinlich und auch weitere Missbrauchsdelikte seien nicht unwahrscheinlich.
Verurteilter zeigt «Cyber Grooming»-Verhalten
Dabei spielte auch das Vorgehen des 70-Jährigen eine Rolle. Er lege ein sogenanntes «Cyber Grooming»-Verhalten an den Tag. Das ist ein Begriff aus der Pädokriminalität, der verwendet wird, wenn der Täter schrittweise das Vertrauen seiner Opfer erschleicht, bis es schliesslich zum Übergriff kommt. Passiert dies im Internet, was häufig der Fall ist, spricht man von «Cyber Grooming».
Der 70-Jährige bleibt somit vorerst an der kurzen Leine. Es bleibt die Frage, ob er ein weiteres Mal bis vor Bundesgericht für Haftlockerungen kämpft oder irgendwann gar ganz auf freien Fuss gesetzt wird. Zumindest in den vergangenen Jahren verlängerten die Luzerner Behörden seinen stationären Aufenthalt jeweils. Mit der aktuellen Prognose des Gutachtens könnte dies auch so bleiben.
Schreibt gerne über harte Fakten und skurrile Aufreger. Seit über zehn Jahren Journalist bei Online, Print und Fernsehen. Für zentralplus schreibt der Wahl-Luzerner seit 2024.