Es sind zerrüttete Familienverhältnisse, die vor Gericht ans Tageslicht kamen. Die Eltern geschieden, die beiden Söhne im Teenageralter lebten zunächst bei der Mutter. Gegen diese klagten sie. Die Vorwürfe: Sie soll sie wiederholt geschlagen haben. Die Rede ist von Schlägen mit der flachen Hand ins Gesicht, auf den Rücken oder auf den Oberschenkel, Schlägen mit einem Löffel oder dass sie die Söhne an den Haaren eine Treppe hochgezogen habe. Passiert sein soll dies regelmässig. Die Vorwürfe reichen mehrere Jahre zurück.
Im August 2023 musste sich die Zugerin vor dem Zuger Strafgericht verantworten. Dieses sprach die Frau zwar in mehreren Punkten frei – es ging dabei etwa um die Schläge ins Gesicht –, verurteilte sie jedoch wegen mehrfachen wiederholten Tätlichkeiten. Die Strafe: eine Busse in der Höhe von 1200 Franken. Gegen das Urteil zogen sowohl die Zugerin als auch die beiden Söhne, welche als Privatkläger auftraten, eine Instanz weiter ans Obergericht. Die Mutter forderte, dass sie ganz freigesprochen werde, die Söhne das Gegenteil. Zudem wollten sie eine Genugtuung.
Aussagen von Vater beeinflusst?
Die Fragen, die das Gericht zu klären hatte, sind schwierig und zeigen auf, wie familieninterne Streitereien bis vor Gericht ausarten können.
Fraglich war nämlich, inwiefern die Aussagen der beiden Söhne glaubhaft sind und ob sie vom Vater hätten beeinflusst worden sein können. Dazu kommen verfahrenstechnische Fragen. Die Vorinstanz bewertete etwa eine Aussage von einem der beiden Söhne als nicht verwertbar. Dies, da sie nach der Anzeigeerstattung erfolgt war.
Das Zuger Obergericht bestätigte nun in seinem Urteil die Auffassung des Strafgerichts: Es gebe Indizien dafür, dass eine Beeinflussung stattgefunden hatte. Dies etwa bei den Aussagen von einem der Brüder. Zunächst habe er nur die Schläge gegen seinen Bruder bestätigt, nicht aber, dass er ebenso gezüchtigt worden sein soll. Vor dem Strafgericht machte er dann plötzlich doch belastende Aussagen.
Auch war fraglich, ob die Züchtigungen bereits verjährt gewesen sind. Die Verteidigung argumentierte, die Söhne könnten sich wohl kaum an Details erinnern, wenn dem so wäre. Das Obergericht fand jedoch, dass die Erinnerungen und Details daraus auch suggeriert sein könnten.
Obergericht sieht Notwehr
Weiter kippte das Obergericht den letzten verbleibenden Schuldspruch. Es ging dabei um das An-den-Haaren-Ziehen oder Schläge auf die Oberschenkel. Das Obergericht sah darin teilweise gar eine Notwehrhandlung.
Die beiden Söhne hätten nach der Scheidung der Eltern nämlich oft und heftig gestritten. Die Mutter habe dazwischen gehen müssen, um sie daran zu hindern, sich gegenseitig, sich selbst oder anderen Schaden zuzufügen.
«Indem die Beschuldigte die Privatkläger am Arm packte, trennte und auf ihr Zimmer verbrachte, wehrte sie die Gefahr für deren körperliche Integrität in angemessener Weise ab, da ihre mündlichen Aufforderungen keine Wirkung zeigten. Sie setzte dabei eine Tätlichkeit ein, um unmittelbar drohende Tätlichkeiten zu verhindern. Ihr Eingriff war mithin proportional. Auch wären keine milderen Mittel ersichtlich. Ihre Handlung wäre daher durch Notwehrhilfe gerechtfertigt», heisst es in dem Urteil.
Die rechtliche Einordnung der Einzelhandlungen führe dazu, dass ein Teil der Tathandlungen, welche die Vorinstanz als erstellt erachtet habe, als straflose Notwehrhilfe beurteilt werden müsse.
Söhne müssen Entschädigung zahlen
Da zumindest ein Teil der Tathandlungen straflos gewesen sei, lasse sich die Schlussfolgerung der Vorinstanz, die Beschuldigte habe regelmässig einmal pro Monat eine Tätlichkeit begangen, nicht mehr aufrechterhalten.
Somit spricht das Obergericht die Mutter auch des letzten Anklagepunktes frei und bestätigt die übrigen Freisprüche. Auch gebe es keinen Grund für eine Genugtuung an die Privatkläger. Vielmehr werden diese verpflichtet, der Mutter eine Entschädigung in der Höhe von etwas über 600 Franken zu bezahlen. Diese wiederum muss einen Teil der Verfahrenskosten übernehmen.
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