Stalking eskaliert – Bombendroher von Baar vor Gericht
Vor dem Zuger Strafgericht steht am Freitag ein Mann, der im März dem Pflegezentrum Baar mit einer Bombe gedroht haben soll – aus Liebe.
Mit Drei-Tage-Bart, kurz geschnittenen Haaren und weissem T-Shirt sitzt der Angeklagte vor dem Einzelrichter des Strafgerichts Zug. Antraben musste er am Freitagvormittag, weil er eine Frau massiv gestalkt haben soll, was schliesslich in einer angeblichen Bombendrohung und einem Polizeieinsatz beim Pflegezentrum Zug eskalierte.
Kennengelernt hatten sich der Beschuldigte und die Frau, um die es geht, im Kanton Graubünden. Er arbeitete dort als Allrounder in einem Hotel, sie in der Personalabteilung, wobei sie für ihn zuständig gewesen sei, schreibt die Zuger Staatsanwaltschaft. Während sie sich in einer rein beruflichen Beziehung wähnte, schien er mehr zu wollen. Das geht aus der Anklageschrift hervor.
Schon in Graubünden habe der 31-Jährige mit Wurzeln in Syrien der Frau Avancen gemacht. Sie zog schliesslich nach Baar, wo sie eine neue Stelle im dortigen Pflegezentrum antrat. Wie es in der Anklageschrift heisst, habe der Wechsel aus persönlichen Gründen stattgefunden, nicht wegen des aufdringlichen Verehrers.
160 Anrufe in sieben Stunden
Dieser fand schliesslich heraus, wohin die Frau gezogen ist, und begann, sie privat wie auch am Arbeitsplatz zu belästigen. Angefangen hatte es mit SMS-Nachrichten. Er liebe sie, soll der Beschuldigte zunächst geschrieben haben. Nachdem er einen Korb bekommen hatte, folgte der Telefonterror. 33 Mal rief er laut Anklageschrift die Frau an einem Abend an, schrieb auch ihrem Partner – beleidigende und anstössige Nachrichten – und ging schliesslich dazu über, sie an ihrem Arbeitsplatz zu verfolgen.
So tauchte er unangekündigt beim Pflegezentrum Baar auf. An ein Hausverbot hielt er sich scheinbar nicht. Da er auf keine andere Weise an die Frau herankam, begann er, das Zentrum zu terrorisieren. So soll er Anfang 2024 während zweier Monate insgesamt 260 Mal auf verschiedene Festnetznummern des Pflegezentrums angerufen haben. Den Höhepunkt erreichte der Terror schliesslich an einem Tag im März. Gut 160 Mal soll er während sieben Stunden die Nummer des Zentrums gewählt haben. Dabei kam es auch zur Bombendrohung.
«Bombe, Bombe ist vor Pflegezentrum»
Während eines der Telefonate soll er gegenüber einer Mitarbeiterin das Wort «Bombe» erwähnt haben. Auf eine Nachfrage wiederholte er: «Bombe, Bombe ist vor Pflegezentrum.» Daraufhin verständigte das Zentrum die Polizei (zentralplus berichtete).
Die Einsatzkräfte rückten mit einem Grossaufgebot aus und entdeckte an der Westseite des Gebäudes schliesslich vor einem Fenster im Erdgeschoss einen verdächtigen Gegenstand. Vier Bewohner wurden daraufhin in Sicherheit gebracht, zwanzig weitere durften nicht mehr in die Nähe der Westseite. Ein Roboter untersuchte schliesslich den Gegenstand. Dabei stellte sich heraus, dass es sich lediglich um eine zusammengelegte Decke handelte, die vermutlich einer Kindertagesstätte in der Nähe gehörte.
Keine Stunde später habe der Beschuldigte erneut im Pflegezentrum angerufen und «Bumm» gesagt.
Zwölf Monate bedingt gefordert
Durch die Drohung und den dadurch verursachten Polizeieinsatz habe er die Angestellten und die Bewohner des Pflegezentrums massiv in ihrem Sicherheitsgefühl verletzt und erschreckt, schreibt die Staatsanwaltschaft.
Sie fordert nun eine bedingte Freiheitsstrafe von zwölf Monaten bei einer Probezeit von drei Jahren. Ausserdem sei eine Geldstrafe von umgerechnet 4800 Franken und eine Busse von 960 Franken fällig.
Die Verteidigung plädierte zumindest bezüglich der Bombendrohung auf einen Freispruch. Es habe sich um ein sprachliches Missverständnis gehandelt, aufgrund der schlechten Deutschkenntnisse des Angeklagten.
Beschuldigter schweigt und streitet dann doch ab
Vor Gericht wollte der Angeklagte zunächst nichts zu den einzelnen Anklagepunkten sagen und verwies auf die Einvernahme. Dort habe er alles gesagt. Sein Verteidiger führte aus, er haben dort bestritten, mit einer Bombe gedroht zu haben. Viel mehr habe er gesagt, er sei «keine» Bombe. Der Staatsanwalt hingegen befand die Aussagen der Angestellten des Pflegezentrums als glaubwürdiger.
Während der Beschuldigte zunächst die Aussage verweigerte, holte er plötzlich zu einem Rundumschlag gegen die Zuger Polizei aus. Er sei bei drei Besuchen in Zug durch die Polizei kontrolliert worden. Die Kontrollen seien aber unverhältnismässig gewesen. So habe er einen Übersetzer verlangt, diesen aber nie bekommen. Er spricht auch davon, dass er unter Zwang in eine Klinik eingewiesen worden sein soll und dass der zuständige Polizist befangen sei. Der Richter musste ihn schliesslich unterbrechen. Es gehe bei der Verhandlung nicht darum, die Arbeit der Behörden zu kritisieren.
Was bei der Verhandlung ans Tageslicht kam: Der Beschuldigte soll auch nach seiner Verhaftung mit dem Telefonterror nicht aufgehört haben. So soll er mindestens einmal – aus der Strafanstalt hinaus – das Pflegezentrum erneut kontaktiert haben.
In seinem Schlusswort wurde er dann doch noch gesprächiger. Welchen Nutzen er denn hätte, Seniorinnen und Senioren in Angst und Schrecken zu versetzen. Die Behauptungen der Angestellten seien reine «Fantasie».
Beschuldigter muss definitiv ins Gefängnis
Das Zuger Strafgericht sah dies schlussendlich als reine Schutzbehauptung an. Es verurteilte den Syrier zu 19 Monaten Gefängnis. Dies entgegen dem Antrag der Staatsanwaltschaft unbedingt. Wie der Einzelrichter ausführte, bestehe das Risiko, dass der Beschuldigte wieder straffällig werden könnte und im Extremfall sogar gewalttätig.
Auch wandelte es die beantragte Geldstrafe in eine Freiheitsstrafe um. Der Angeklagte habe schlicht kein Geld, so die Begründung. Ausserdem darf er den Kanton Luzern nicht mehr betreten und muss der Frau, die er gestalkt hatte, eine Genugtuung und Entschädigung von insgesamt 2300 Franken zahlen.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Verteidigung stellte am Ende in Aussicht, Berufung anmelden zu wollen.
- Anklageschrift Zuger Staatsanwaltschaft
- Besuch der Verhandlung
- Medienarchiv zentralplus