«Ich bin seit 35 Jahren im Kies-Krieg»

Luzerner Kiesbaron: Preis frisiert, Urkunden erschlichen?

Ein bekannter Luzerner Landwirt wollte mehrere Landparzellen für einen Kieskonzern kaufen. (Bild: Adobe Stock)

Er habe gefälschte Verträge beurkunden lassen und bei den Steuern betrogen, deshalb stand ein bekannter Luzerner Landwirt am Mittwoch vor dem Kriminalgericht. Er und sein Mitbeschuldigter stellten sich auf denselben Standpunkt: Nicht sie seien die Täter. Sondern ein geldgeiler Kieskonzern.

«Ich bin seit 35 Jahren im Kies-Krieg. Und ich bin nicht käuflich. Wäre ich es, wäre alles längst vorbei.» Mit einer Stimme, wesentlich tiefer als die gedrungene Statur vermuten lässt, antwortet der Mann auf die Frage, wieso er immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt gerät.

Mittwochmorgen, kurz nach 8 Uhr. Zusammen mit einem Mitbeschuldigten hat der Mann mit mausbraunem Haar und Kinnbart Platz genommen im Gerichtssaal am Alpenquai Nummer 10 in Luzern, zweiter Stock zur Strasse raus. So sitzen die Männer – einer um die 60, der andere 20 Jahre älter – vor Gerichtspräsident Bernard Holdermann wie die Ministranten vor dem Pfarrer.

Am Anfang standen sieben Grundstücke. Und ein Plan

Der Vorsitzende Holdermann hat zu klären, ob sich die Männer der mehrfachen Erschleichung einer falschen Beurkundung und des Steuerbetrugs schuldig gemacht haben, wie ihnen das die Luzerner Staatsanwaltschaft vorwirft. Ihm zur Seite stehen Richterin Christine Erni und Richter Thomas Domeisen.

«Wenn man helfen kann, hilft man.»

Strohmann (laut Aussagen der Luzerner Staatsanwaltschaft)

Glaubt man den Strafverfolgern, geschah Folgendes, als um das Jahr 2007 der Verkauf von sieben Grundstücken im Luzerner Hinterland ins Rollen kam: Der Landwirt, der es als «Luzerner Kiesbaron» und als Rinderzüchter zu regionaler Bekanntheit und zu mehreren Vorstrafen gebracht hat (zentralplus berichtete), wollte das Land für einen Kieskonzern kaufen, bei dem er eine Tochterfirma leitete. Die Kiesfirma und die Landeigentümer – erst eine Erbengemeinschaft, später nur noch der Mitbeschuldigte des Kiesbarons – einigten sich auf einen Preis von 3,2 Millionen Franken.

Dem Strohmann reichten die Frage und ein Abendessen

Doch dem Verkauf an den Kieskonzern kam das bäuerliche Bodenrecht in die Quere. Dieses schrieb laut der Anklage vor, dass das Land an einen Bauern, einen sogenannten Selbstbewirtschafter, verkauft werden muss. Zudem durfte es nicht zu überrissenen Preisen veräussert werden. Und weil ein Gutachten einen massiv tieferen Wert gezeigt habe, hätten der Kiesbaron und sein Mitbeschuldigter einen Strohmann eingeschaltet – einen Bauern, der schon Land des Mitbeschuldigten gepachtet hatte.

«Wenn man helfen kann, hilft man», soll dieser gesagt haben. Und für die Gegenleistung eines Abendessens liess sich der Bauer gemäss der Anklage als Käufer eintragen. Parallel hatten der Kiesbaron und sein Mitbeschuldigter die «für die Umsetzung notwendigen Verträge» abgeschlossen und beurkunden lassen, wie die Staatsanwaltschaft schreibt.

Land für den Konzern, mehr Geld für die Eigentümer

Auf neun Seiten erläutert die Anklage im Detail, was zusammengefasst aussagt: Drei Luzerner Notare beurkundeten über zehn Jahre hinweg Tatsachen als wahr, die es nicht waren. Entweder waren Darlehensverträge gefälscht. Oder sie wiesen einen Kaufpreis von rund 1,3 Millionen Franken aus, obwohl dieser bei über 3 Millionen Franken lag.

Die Übung hatte laut den Strafverfolgern zwei Ziele: Der Kiesbaron konnte Land kaufen, das er nicht bekommen hätte. Und die Eigentümer kassierten mehr Geld, als sie sich hätten ausmalen dürfen. Zudem hätten der Kiesbaron und sein Mitbeschuldigter den Staat um über 400’000 Franken Handänderungs- und Grundstückgewinnsteuer betrogen.

Wer waren die Bösen?

So viel zur Ausgangslage vor der vierstündigen Verhandlung, die unter den Augen einer Journalistin, zweier Journalisten und die meiste Zeit über vor einer Schulklasse stattfand – vor unverschämt viel Publikum für eine Verhandlung also, an deren Ende es jedoch kein Urteil zu vermelden gab. «Hier wird es einiges zu beraten geben. Deshalb kann ich auch nicht sagen, wann wir so weit sind», sagte Gerichtspräsident Bernard Holdermann am Ende des Prozesses, in dem sich der Kiesbaron und sein Beschuldigter auf den Standpunkt gestellt hatten: Nicht sie seien die Bösen im Spiel, sondern der Kieskonzern, für den der heute 63-jährige Luzerner gearbeitet hatte.

«Für so etwas braucht man Juristen, keine Bauern.»

Verteidiger des 63-jährigen Luzerners

Der Kiesbaron sagte wenig aus, gab aber zu Protokoll, der Konzern habe ihm zugesichert, dass alle Verträge auf fundierten juristischen Abklärungen basierten: «Ich habe nichts ausgeheckt und nichts in Auftrag gegeben, sondern unterschrieben, was man mir vorgelegt hat. Wenn ich mir etwas vorwerfen lassen muss, dann, dass ich zu vertrauensselig war.»

Verteidiger: «Man kann keinen Notar täuschen, der alles weiss»

Damit wiederholte der 63-Jährige im Wesentlichen, was sein Verteidiger auf Juristisch gesagt hatte: Dass sein Mandant «ein Mittel zum Zweck» gewesen sei: «Um die Preisvorstellung der Verkäufer zu erfüllen, brauchte es eine juristische Konstruktion. Doch wer denkt, mein Mandant hätte diese ausgeheckt, überschätzt seine Fähigkeiten. Für so etwas braucht es Juristen, keine Bauern.»

«Das waren Vaganten, denen ich mich da hingegeben habe. Die sollte man am Grind nehmen.»

Mitbeschuldigter

Weiter bezeichnete der Verteidiger die Anklage als «absurd». Die Notare hätten von allem gewusst, von den Verträgen und von den geheimen Absprachen: «Man kann keinen Notar täuschen, der alles weiss», so der Anwalt.

Dieser forderte für den Vorwurf des Steuerbetrugs einen Freispruch und beantragte, das Verfahren wegen des Urkundendelikts einzustellen, da dieses verjährt sei. Gleiches beantragte der Verteidiger des Mitbeschuldigten, der sich ebenfalls als unwissende Figur im Spiel des Kieskonzerns darstellte, dies aber um einiges emotionaler kundtat als der Kiesbaron: «Das waren Vaganten, denen ich mich da hingegeben habe. Die sollte man am Grind nehmen.»

Sie kamen, schwiegen und kassierten ab

Immer wieder griffen die Beschuldigten den Kieskonzern, vor allem dessen Führungsebene, an. Vom Unternehmen war am Mittwoch niemand zugegen, der auf die Vorwürfe hätte reagieren können. Eine kurzfristige Anfrage liess die Firma bislang unbeantwortet.

Ebenso bleibt unklar, was die drei Luzerner Notare dazu sagen, über die Absprachen im Bild gewesen zu sein und die Urkunden dennoch angefertigt zu haben. Zwar vernahm das Gericht die drei Personen, musste aber so gut wie keine Energie aufwenden: Sämtliche Notare machten zwei Rechte geltend: Erstens, sich auf ihr Berufsgeheimnis zu berufen und die Aussage zu verweigern. Zweitens: Dem Staat den Aufwand in Rechnung zu stellen, den ihnen die Vorladung beschert hatte. Auch wenn keiner länger als eine Minute im Gerichtssaal sass.

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