Um eine Ehe zu schliessen, müssen beide «Ja, ich will» sagen. Um sie zu beenden, genügt manchmal die Behauptung, die Gattin sei unauffindbar. Das zeigt ein Fall des Bezirksgerichts Willisau.
Die 51-Jährige dürfte nicht schlecht gestaunt haben. Letztes Jahr stellte sie plötzlich fest, dass sie neuerdings geschieden ist.
Ihr Mann hatte 2020 vor dem Bezirksgericht Willisau die Scheidung eingereicht und behauptet, seine Frau sei nicht auffindbar. Nachdem sie auf einen Aufruf im Kantonsblatt nicht reagiert hatte, erklärte der Richter die Ehe für geschieden – ohne je mit der Frau gesprochen zu haben.
Bei den Eheleuten hing der Haussegen schon längere Zeit schief. Das letzte Mal hatten sie 2015 Kontakt, als ein Zürcher Gericht die Trennungsvereinbarung der beiden genehmigte. Dieses sogennante Eheschutzverfahren ist üblicherweise die Vorstufe der Scheidung. Heisst: Vermögen und Unterhalt werden nicht endgültig geregelt. Vielmehr geht es um den Umgang in der Trennungszeit.
Wer denkt schon an Scheidung, wenn er das Kantonsblatt liest?
Zur Scheidung ist es in den fünf folgenden Jahren aber nicht gekommen. Als der Mann 2018 am letzten Wohnort seiner Frau die Scheidung einreichen wollte, wurde sein Anliegen abgewiesen. Grund: Die Frau wohne gar nicht dort - weshalb das Zürcher Gericht nicht zuständig sei.
Als der Mann zwei Jahre später am Bezirksgericht Willisau versuchte, sich scheiden zu lassen, war er besser vorbereitet. Lang und breit schilderte er seine Suche nach dem Aufenthaltsort seiner Frau. Eine Auskunft beim Migrationsamt Zürich habe ergeben, dass sie aus der Schweiz ausgereist sei. Auch eine Recherche in Telefonbüchern, im Internet und den sozialen Medien sei im Sande verlaufen.
Der Richter machte es sich leicht. Er rief die Frau im Luzerner Kantonsblatt dazu auf, zur Scheidungsklage ihres Mannes Stellung zu nehmen. Wenn sie sich nicht melde, gehe das Gericht davon aus, dass sie auf eine Gerichtsverhandlung verzichte. Dann würde der Richter aufgrund der Akten und der Anträge des Ehemannes entscheiden – was dann auch geschah.
Mal ehrlich: Wer guckt schon regelmässig ins Kantonsblatt?
Öffentliche Bekanntmachung ist die ultima ratio
Fast ein Jahr später fiel die Frau aus allen Wolken, als sie von ihrer Scheidung und dem Aufruf im Kantonsblatt erfuhr. Sie forderte das Bezirksgericht auf, diese rückgängig zu machen. Als das nicht klappte, wandte sie sich mit ihrer Forderung ans Kantonsgericht.
Die Frau hatte sich 2018 in einer Luzerner Vorortgemeinde ganz offiziell angemeldet. Dass sie in Zürich von Amtes wegen abgemeldet wurde, wusste sie zu dem Zeitpunkt gar nicht. Sie reagierte umgehend und ist seither auch wieder im Migrationsinformationssystem. Es wäre für das Bezirksgericht Willisau ein Leichtes gewesen, das herauszufinden, sagt das Kantonsgericht.
Und plötzlich sind die beiden wieder verheiratet
Es erteilt der Vorinstanz also einen Rüffel, weil diese keinerlei Abklärungen getroffen hat. Sie verliess sich voll und ganz auf die Behauptungen des Ehemannes. Das Kantonsgericht erklärt die Scheidung deshalb für nichtig – das Bezirksgericht muss das Verfahren also wieder aufnehmen.
Der Mann soll der Frau 7'000 Franken Gerichts- und Anwaltskosten zahlen. Ob ihn dieser Entscheid überhaupt erreicht? Der mittlerweile 80-Jährige ist inzwischen nämlich ausgewandert. Er lebt heute in Thailand.
Wie ist dieser Artikel entstanden?
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- Urteil 3B 21 43 des Kantonsgerichts Luzern
- Luzerner Kantonsblatt
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Roli Greter, 06.06.2022, 19:14 Uhr Alles richtig gemacht der Herr 🙂
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