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Ein junger Mann hat seit der Kindheit Probleme. Sein Weg führte durch mehrere Kinderheime, Kliniken und Kantone. Letztere sind sich nun uneins, wer für ihn zuständig ist. Der Zwist geht bis vors Bundesgericht.
Uri, Luzern, Thurgau – in drei Kantonen hauste der heute 33-jährige K. W. Er ist unmündig. Die genauen Umstände sind nicht bekannt. Wohl aber sein Weg. Schliesslich landete sein Fall beim Bundesgericht.
Es geht darum, wie ein junger, unterstützungsbedürftiger Mann so lange durch Einrichtungen in verschiedenen Kantonen geschickt wird, bis niemand mehr so recht weiss, wer nun eigentlich für ihn zuständig ist.
Nach Eskalation in der Schule ins Heim gebracht
Die Kindheit verbrachte K. W. im Kanton Uri, zusammen mit der Mutter, deren Ehemann und den beiden Halbgeschwistern. Schon früh zeigte er Auffälligkeiten, musste in die Sprachheilschule und wurde im Internat schliesslich vom Unterricht dispensiert. Wegen «Verhaltenseskalation», wie es in einem Urteil des Bundesgerichts heisst. Die Mutter sei mit dem Kind überfordert gewesen. Schnellstmöglich müsse das Kind fremdplatziert werden, zitiert das Bundesgericht einen Bericht der damaligen Schule. Es folgten Aufenthalte in sonderpädagogischen Wohngruppen und in einem Kinderheim.
Die Mutter zog, getrennt vom Ehemann, derweil in den Kanton Luzern. Nach dem Aufenthalt im Kinderheim zog ihr der Sohn nach. Hier wurde K. W. wieder in Einrichtungen untergebracht. Als Jugendlicher landete er in einer jugendpsychiatrischen Therapiestation. Danach folgte ein Aufenthalt in einer sozialpädagogischen Wohngemeinschaft im Kanton Thurgau. Wegen einer Straftat (worum es dabei ging, schreibt das Gericht nicht) kam K. W. schliesslich in eine geschlossene Einrichtung und wurde danach fürsorglich in einer psychiatrischen Klinik untergebracht. Der Grund, weshalb sein Fall bis vors Bundesgericht kam, ist die Frage, wer für das ganze aufkommen muss. Infrage kommen der Kanton Uri und der Kanton Luzern. Nur schieben beide die heisse Kartoffel vor sich her.
Wo liegt der Unterstützungswohnsitz?
Es geht dabei um den sogenannten «Unterstützungswohnsitz». Also der offizielle Wohnort, wo eine bedürftige Person Gelder erhält. Das ist in der Regel der Wohnkanton. Wenn nun ein Bedürftiger keinen offiziellen Unterstützungswohnsitz hat, wo er angemeldet ist, zahlt der Kanton, wo er sich gerade aufhält. Noch komplizierter ist es, wenn es sich bei den Unterstützungsbedürftigen um Minderjährige handelt. Dann gelten wiederum andere Regeln. In K. Ws Fall scheinen nun gerade mehrere Konstellationen zusammenzukommen, die die Ermittlung des Unterstützungswohnsitzes schwierig machen.
Anfangs kamen die Behörden im Kanton Luzern noch für die Unterbringung von K. W. auf. Sie fühlten sich schliesslich nicht mehr zuständig. Viel mehr müsse der Kanton Uri, wo die Familie zuvor wohnte, bezahlen. 2019 forderten die Luzerner Behörden von den Urner Behörden die Beträge zurück. Diese sahen sich aber nicht in der Pflicht. Schliesslich gelangte der Fall ans Luzerner Kantonsgericht. Um die Frage zu klären, musste dieses wieder ganz am Anfang beginnen. In den Urteilen des Kantonsgerichts und jenem des Bundesgerichts folgt eine Abhandlung, wer den nun zuständig sein könnte, und unter welchen Voraussetzungen. Kurz zusammengefasst: Es ist kompliziert.
Gerichte sehen einen Kanton in der Pflicht – da es schnell gehen musste
Als K. W. nach der Eskalation in der Sprachheilschule und im Internat 2001 in einem Kinderheim fremdplatziert wurde, sei erstmals quasi Unterstützungswohnsitz begründet worden – dies im Kanton Uri, urteilte die erste Instanz schliesslich.
Der Kanton Uri argumentiert in seiner Beschwerde aber, dass bei der Platzierung im Kinderheim noch viele Fragen offen gewesen seien. Daher habe man noch nicht von einem dauerhaften Unterstützungswohnsitz ausgehen können. Wenn, dann müsse der Kanton Luzern aufkommen, schliesslich habe K. W. dort zuletzt bei der Mutter gewohnt.
Und der Kanton Luzern findet: Das, was das Kantonsgericht sagt. Die Urner Behörden zogen den Streit weiter ans Bundesgericht.
Dieses weist sie jedoch ab. Es sieht den Sachverhalt ebenso wie das Luzerner Kantonsgericht. Wichtig sei: Wenn eine unmündige Person in eine Klinik, Wohngruppe oder ein Heim muss, müsse schnell klar sein, wer denn eigentlich dafür aufzukommen habe. Somit sei der Kanton Uri, wo K. W. erstmals in ein Kinderheim musste, zuständig. Man habe ihn schliesslich nicht quasi auf dem Trockenen sitzen lassen und einfach mal abwarten können, wie lange er denn im Kinderheim bleibt.
Damit muss der Kanton Uri Luzern die Aufenthaltskosten von K. W. übernehmen.
- Urteil Bundesgericht