Sie bretterte mit 200 km/h von Kriens nach Zug

Junge Frau wollte auf der Autobahn den «Motor spüren»

Raserinnen sind eine Seltenheit. Es gibt sie aber doch, wie eine Zugerin im Temporausch bewiesen hat. (Bild: Symbolbild: Adobe Stock)

Drücken Autofahrer übermässig stark aufs Gas, handelt es sich in aller Regel um Männer. Doch es gibt Ausnahmen: Das Kriminalgericht Luzern hat eine 24-jährige Raserin verurteilt. Die Coiffeuse wollte «den Motor spüren» – das drückt jetzt aufs Portemonnaie.

Dem Rausch der Geschwindigkeit verfallen fast immer Männer. Was Filme wie «Fast & Furious» klischeehaft darstellen, belegt die Statistik: Bei nur gerade 11 der 422 Raserdelikte, die 2020 registriert wurden, sass eine Frau am Steuer.

Der Anteil von Raserinnen liege im einstelligen Prozentbereich, sagte kürzlich Verkehrspsychologin Rahel Bieri. «Das ist etwas ganz, ganz Aussergewöhnliches. Die 08/15-Frau begeht kein Raserdelikt», so Rahel Bieri gegenüber dem «Landboten».

Insofern hat der Fall, über den jetzt das Kriminalgericht Luzern zu befinden hatte, Seltenheitswert. Er zeigt allerdings, dass Autofahrerinnen ebenso aufs Gas drücken können wie Männer. Zu verantworten hatte sich eine junge Frau aus dem Kanton Zug, die vor knapp vier Jahren massiv zu schnell unterwegs war.

Ihr sei es darum gegangen, das Fahrzeug auszuprobieren, den Motorensound zu hören und die Kraft des Motors zu spüren, gab die Beschuldigte zu Protokoll. Und genau das tat die 24-Jährige in jener Sommernacht 2018 ausgiebig.

Beschleunigen, zusammenbrechen – immer wieder

Die Frau fuhr damals mit ihrem Freund und einer Kollegin nachts um 1 Uhr von Kriens Richtung Zug. Auf der A2 und der A14 beschleunigte sie immer wieder stark und liess danach die Geschwindigkeit «zusammenbrechen», wie sie selber aussagte. Dabei schnellte der Tacho mehrfach rasant nach oben. Gemäss der Staatsanwaltschaft war sie zum Beispiel im Sonnenbergtunnel mindestens 60 Stundenkilometer zu schnell unterwegs.

«Ihr Verhalten war rücksichtslos sowie unnötig und sie ging das hohe Risiko eines Unfalls mit Schwerverletzten oder Todesopfern ein.»

Aus dem Urteil

Auch an anderen Stellen schlug der Tacho jeweils zwischen 50 und 70 km/h zu stark nach oben aus. Bei der Raststätte St. Katharina bretterte die Coiffeuse sogar mit rund 200 km/h über die Autobahn. Die Zugerin kannte die Strecke offensichtlich: Denn sowohl beim Radar im Reussport-Tunnel als auch bei jenem bei der Verzweigung Rotsee bremste die Frau jeweils auf die erlaubte Geschwindigkeit ab.

Mit ihrer nächtlichen Fahrt hat sich die Coiffeuse der qualifizierten Verletzung der Verkehrsregeln schuldig gemacht. Laut Gericht hat sie die Grenze zu einem Raserfall nur knapp überschritten. Als Raser gilt, wer auf der Autobahn über 200 km/h fährt (oder innerorts über 100 km/h beziehungsweise ausserorts über 140 km/h). Doch auf den rund zwölf Kilometern habe sie durch wiederholtes Beschleunigen das Tempolimit teilweise deutlich überschritten. Und die Geschwindigkeit «praktisch einzig vor den Geschwindigkeitsmessanlagen effektiv reduziert».

War eine «Dummheit»: Frau zeigt Einsicht und Reue

«Ihr Verhalten war rücksichtslos sowie unnötig und sie ging das hohe Risiko eines Unfalls mit Schwerverletzten oder Todesopfern ein, insbesondere bezüglich ihrer beiden Mitfahrer», urteilt das Luzerner Kriminalgericht. Immerhin: Die beiden Freunde waren offenbar mit dem Temporausch einverstanden.

Zudem war es eine trockene Nacht, die Sichtverhältnisse gut und es herrschte wenig Verkehr. Das alles wird der Beschuldigten zugutegehalten. Strafmildernd wirkt sich zudem aus, dass die Frau von Anfang an geständig war und laut Staatsanwaltschaft ehrliche Reue gezeigt habe. «Sie bezeichnete ihr Verhalten als Dummheit», heisst es im Urteil, das im abgekürzten Verfahren zustande kam.

Risiko eines Rückfalls ist laut Gericht klein

Ihr Verschulden wird vom Gericht als leicht bis mittelschwer eingestuft. Die Zugerin wurde in der Vergangenheit bereits einmal wegen zu schnellem Fahren verwarnt und musste einmal wegen Angetrunkenheit den Ausweis abgeben. Vorstrafen hat sie aber keine. Insgesamt, so das Urteil der Luzerner Richter, gebe es keine Anhaltspunkte, dass sich die Frau nicht bessern werde. Die Rückfallgefahr wird als gering beurteilt.

Die 24-Jährige wird vor diesem Hintergrund zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 13 Monaten verurteilt, die Probezeit hat das Gericht auf zwei Jahre festgesetzt. Das heisst, die Frau muss die Haft nicht absitzen, sofern sie nicht in dieser Zeit rückfällig wird. Darüber hinaus wird es für die Coiffeuse teuer: Sie muss Verfahrenskosten von insgesamt knapp 8'630 Franken berappen. Das Urteil ist rechtskräftig.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Roli Greter
    Roli Greter, 13.04.2022, 06:41 Uhr

    Kann zentralplus noch Recherchen zum Verhalten nombinärer Menschen machen?

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    • Profilfoto von Peter Bitterli
      Peter Bitterli, 13.04.2022, 09:16 Uhr

      Haben zwei Nonbinäre einander gegenseitig jeweils zweimal aussdrücklich „Ja“ gesagt, ist Verkehr in allem Geschwindigkeiten durchaus möglich.

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