Hat Luzernerin USA-Auswanderin betrogen?

Job und Wohnung versprochen – alles war erlogen

Die Beschuldigte soll der Frau unter anderem Fotos eines angeblichen Schlüssels und von Zusicherungen für eine Ausbildungsstelle geschickt haben. (Bild: Adobe Stock)

Den Job gab es nicht, die Wohnung ebenso wenig, und das Visum war auch erfunden: Dies alles gaukelte eine Luzernerin einer Amerikanerin vor, die in die Schweiz ziehen wollte. Die Schweizerin schob vor Gericht alles ihrem Ex-Mann in die Schuhe.

Es lockt die Schweiz mit sauberen Strassen, zuverlässigem ÖV und funktionierendem Gesundheitssystem – so dürfte es einer Frau ergangen sein, die in den USA lebte. Ihre Geschichte ist Gegenstand einer Verhandlung vor dem Kriminalgericht Luzern, die an diesem Donnerstag stattgefunden hat.

Statt bei einer Zügelfirma landete die Frau bei einer mutmasslichen Betrügerin. Sie steht vor Gericht. Die Vorwürfe: Betrug, falsche Anschuldigung und mehrfache Urkundenfälschung. Die Staatsanwaltschaft fordert eine Geldstrafe von total 9000 Franken und eine Busse von 2250 Franken.

Mutmassliche Täterin und Opfer lernten sich an Hochzeit kennen

Was war vorgefallen? Laut Anklage lernten sich die 33-jährige Beschuldigte und ihr mutmassliches Opfer im Jahr 2017 an einer Hochzeit in der Schweiz kennen. Sie war die Cousine des damaligen Ehemannes der Beschuldigten. An der Hochzeit hätten sich die beiden unterhalten, und die in den USA lebende Betrogene hätte erzählt, dass sie gerne wieder in der Schweiz leben würde.

Ein gefundenes Fressen scheinbar für die Beschuldigte. Was braucht es denn für einen Umzug von einem Kontinent auf einen anderen? Einen Job, eine Wohnung und ein Visum. Dann kann der Zügelwagen kommen.

Tausende Franken für erfundene Wohnung, Job und Visum

Wie die Staatsanwaltschaft der Beschuldigten vorwirft, habe sie der anderen Frau vorgetäuscht, ihr eine Stelle in einem Luzerner Spital, wo die Beschuldigte zeitweise gearbeitet haben soll, einen Ausbildungsplatz in der Pflege sowie ein Visum und eine Studentenwohnung verschaffen zu können. Gegen eine monetäre Gegenleistung natürlich.

So hat die Frau aus den USA knapp 27’000 Franken der mutmasslichen Betrügerin aus dem Kanton Luzern via Western Union geschickt. 13 Zahlungen an verschieden hohen Beträgen sollen es gewesen sein.

Die Beschuldigte soll im Gegenzug angebliche Beweise geliefert haben, dass alle Vorbereitungen auf dem Weg sind. Der Austausch erfolgte über Chats auf Facebook, Instagram oder Viber. Mal habe sie der anderen Frau eine Zulassungsbestätigung für Lehrplatz und Job oder Unterrichtsmaterialien für die Ausbildung zugestellt, ein anderes Mal habe sie Fotos von Schlüsseln und einem Badge für das Spital geschickt. Alles falsch. Badge und Schlüssel gehören möglicherweise wohl zum Spital, waren aber nicht für die Frau aus den USA gedacht, die Dokumente sollen alle gefälscht sein.

Als Masche auffliegt, beschuldigt sie den Ehemann

Misstrauisch wurde die Frau schliesslich, als es hiess, das Visum würde sich verzögern, weil die Botschaft der Schweiz in den USA länger brauche. Es stellte sich schliesslich heraus: Es gab keine Wohnung, kein Visum und keinen Job in der Schweiz.

Sie forderte das Geld zurück. Vergebens. Immer neue Ausflüchte oder gefälschte Bestätigungen von Rückzahlungsüberweisungen sollen ihr aufgetischt worden sein. Schliesslich landete der Fall bei den Luzerner Justizbehörden. Die Luzerner Staatsanwaltschaft verurteilte die 33-Jährige bereits per Strafbefehl. Dagegen erhob diese Einsprache, weshalb der Fall vor dem Kriminalgericht landete.

Vor dem Gericht in Luzern reicht die mutmassliche Betrügerin die heisse Kartoffel aber einfach weiter. Schuld soll nämlich gar nicht sie, sondern ihr Ehemann sein.

Mit streng nach hinten gekämmtem Haar, gekleidet in einem grauen Pullover mit weissem Hemd darunter, antwortet sie kurz und knapp, aber deutlich auf die Fragen des Einzelrichters und schildert ihre Sicht der Dinge.

Mit der Frau in den USA gechattet habe ihr damaliger Ehemann. Er habe die Frau über den Tisch gezogen. Der Account, über welchen die Kommunikation mit der Betrogenen erfolgt sei, hätte ihnen gemeinsam gehört. Sie hätte zum Zeitpunkt der Vorfälle aber gar nicht mehr darauf zugegriffen, so die mutmassliche Betrügerin aus Luzern.

Als ihr Chatprotokolle vorgelegt werden, in denen die Beschuldigte als Absenderin interpretiert werden könnte, sagt sie trotzig: «Das habe ich nicht geschrieben.» Ihr Ex-Partner habe sich wohl als sie ausgegeben.

Verteidiger: «Screenshots könnten gar manipuliert sein»

Auf die Frage, weshalb denn das Geld auf ihren Namen in die Schweiz überwiesen worden sei, erwidert sie: Sie habe das Geld jeweils nur abgeholt. Ja, sie habe gewusst, dass das Geld käme. Sie sei aber davon ausgegangen, dass dieses von der Cousine des Ex-Mannes nur geliehen sei und nicht aus einem Betrug stammt.

Ihr Verteidiger plädiert auf einen Freispruch. «Aus der Luft gegriffen» seien die Vorwürfe. Dabei zweifelt er gar die belastenden Chatprotokolle an. «Es handelt sich um Screenshots der Chats, und diese könnten manipuliert sein», so der Verteidiger. Sie könnten somit nicht als Beweise gewertet werden.

Gar könne es sein, dass die ganzen Anschuldigungen vom Ex-Mann und dessen Cousine konstruiert worden seien. Er stellt dabei eine ganz neue Version der Geschichte vor, bei der der Ex-Mann und seine Cousine, aus welchen Gründen auch immer, die Zahlungen verschleiern und der Beschuldigten als Betrug in die Schuhe schieben wollten. Und wenn denn doch eine Straftat gegen die in den USA lebende Frau stattgefunden hätte, dann sei dafür sicherlich nicht seine Mandantin verantwortlich.

Staatsanwalt bringt sogar neue Liebschaft ins Spiel

Das war sie doch, glaubt hingegen die Staatsanwaltschaft. «Sie erstellte mit hoher Dreistigkeit ein eindrückliches Lügengebilde», sagt der Staatsanwalt an der Verhandlung vom Donnerstag. Als mögliches Motiv bringt er plötzlich eine Affäre ins Spiel. Möglicherweise habe die 33-jährige mutmassliche Betrügerin aus Luzern mit dem erschlichenem Geld eine Liebschaft mit einem anderen Mann finanzieren wollen, da sie zu diesem Zeitpunkt von ihrem damaligen Ehemann finanziell zu grossen Teilen abhängig gewesen sei, stellt er in den Raum.

Der Ehemann ist an der Verhandlung als Privatkläger ebenfalls zugegen. Sein Anwalt stützt sich im Plädoyer auf die Abklärungen der Staatsanwaltschaft, welche keine Hinweise fand, dass der Ehemann für den Betrug verantwortlich sein soll. Die Beschuldigte sei zusätzlich wegen falscher Anschuldigung zu verurteilen, fordert er. «Ihre Vorwürfe sind absurd», sagt er.

Endgültige Klarheit, wer nun die Frau aus den USA über den Tisch gezogen hatte, und ob doch etwas ganz anderes dahintersteckt, konnte an der Verhandlung nicht geschaffen werden. Das Kriminalgericht hat sein Urteil noch nicht verkündet. Es erfolgt schriftlich. Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.

Verwendete Quellen
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