Präsident von Kantonsgericht Luzern blickt zurück

«Gewisse Abteilungen laufen am Limit»

Peter Schumacher, der Präsident des Luzerner Kantonsgerichts, an der Präsentation des Geschäftsberichts 2022. (Bild: kük)

Erstmals seit Jahren haben die Luzerner Gerichte mehr Geschäfte abgeschlossen als neue hinzugekommen sind. Dennoch haben sie die gleichen Probleme wie Polizei und Staatsanwaltschaft.

Er könnte Hörbücher einsprechen. Einen Podcast machen. Denn wenn Peter Schumacher spricht, kann er sich der Aufmerksamkeit seiner Zuhörer sicher sein. Das gilt im Gerichtssaal. Und es gilt, wenn der Präsident des Luzerner Kantonsgerichts Zahlen präsentiert, die nicht halbwegs so farbenfroh daherkommen wie der Jahresbericht, in dem sie abgedruckt sind.

Dienstagmorgen, im zweiten Stock des Gerichtsgebäudes am Hirschengraben 16 in der Stadt Luzern, kurz nach 8.30 Uhr. Peter Schumacher hält den Geschäftsbericht der Luzerner Gerichte in die Höhe, blickt auf das violett-blaue Deckblatt und sagt dann: «Wir sind keine Einzelkämpfer. Jedes Urteil, das wir herauslassen, basiert auf Teamarbeit.»

Gerichte erledigten erstmals seit 2018 mehr Fälle als eingegangen sind

Dem Leiter der Luzerner Justiz gegenüber sitzen eine Journalistin und drei Journalisten. Sie sind gekommen, weil sie hören wollen, welches Fazit die Luzerner Gerichte aus dem Jahr 2022 ziehen. Elf Minuten braucht Peter Schumacher, um mit farbigem Duktus in der sanften Stimme zu sagen, was gesagt werden muss: Die Luzerner Gerichte haben vergangenes Jahr ähnlich viele Fälle in erster Instanz bearbeitet wie 2021: 9'240 an der Zahl, 27 mehr als im Jahr zuvor. 608 davon waren Strafprozesse, lediglich 5 Prozent wurden angefochten.

Ähnlich den Vorjahren müssen die Schlichtungsbehörden im Kanton Luzern nur in einem von vier Fällen eine Klagebewilligung ausstellen – in den übrigen 75 Prozent finden die Parteien eine Lösung, ohne dass es zu einem Prozess kommt.

Und erstmals seit 2018 haben die vier Bezirks-, das Kriminal- und das Arbeitsgericht mehr Fälle abgearbeitet als neue hinzugekommen sind. 95 Prozent davon wurden akzeptiert, also nicht an die nächste Instanz weitergezogen:

«Das ist ein sehr gutes Resultat und ein Vertrauensbeweis in die Arbeit unserer Gerichte», so Peter Schumacher. Doch auch wenn die Jahreszahlen der Luzerner Gerichte maximal durchschnittlich daherkommen mögen, die Richter im Kanton stehen vor den gleichen Problemen wie die Strafverfolgungsbehörden: Die Verfahren werden komplexer und aufwendiger (zentralplus berichtete).

Verfahren werden länger und komplexer

Das gilt in erster Linie für das Strafrecht, wo sich die Gerichte in erster Instanz zunehmend mit schwierigen Fällen von Wirtschafts- und Bankenkriminalität zu befassen haben. Das schlägt sich auf die Dauer der Verfahren nieder. Seit 2017 nimmt diese – mit einem Absacker 2021 – kontinuierlich zu:

«Diese Entwicklung müssen wir im Auge behalten», so Schuhmacher, der offensichtlich nicht zur Polemik neigt. Trotz der steigenden Arbeitslast spricht er von einer «allmählichen Tendenz» und macht allgemein den Eindruck, Fatalismus wäre fehl am Platz. Trotzdem: Es dürfe nicht so weit kommen, dass die Gerichte irgendwann mit der Arbeit nicht mehr hinterherkommen, sagt der Leiter der Luzerner Justiz.

Schumacher will mehr Personal

Anzeichen darauf gibt es offenbar schon jetzt. «Gewisse Abteilungen laufen am Limit», sagt Schumacher – und erklärt im gleichen Atemzug, dass die Gerichte Engpässe erst intern zu lösen versuchten. Sprich: Personal von weniger belasteten Abteilungen dorthin zu verschieben, wo es gebraucht wird, etwa in die Abteilung Strafrecht. Dennoch komme man wohl nicht darum herum, im anstehenden Budgetprozess mehr Stellen zu beantragen.

Wie viel das sein werden, sagt der Präsident des Kantonsgerichts nicht, unterstreicht aber, die Entwicklung bei Polizei und Staatsanwaltschaft schlage sich auch auf die Gerichte nieder. Schumacher stellt daher im Kern die gleiche Forderung wie Oberstaatsanwalt Daniel Burri – auch wenn dieser das um einiges deutlicher gesagt hat (zentralplus berichtete). Als die Luzerner Staatsanwaltschaft vor zwei Wochen ihre Zahlen präsentierte, sagte Burri: «Aktuell können wir den etlichen Hinweisen, die wir haben, nicht nachgehen. Uns fehlen schlicht die Ressourcen für proaktive Vorermittlungen.»

Bei den Gerichten kommt hinzu: Nicht nur das Strafrecht bindet immer mehr Ressourcen. Auch im öffentlichen Baurecht werden die Verfahren immer komplexer. Und: Sie werden mehr. 2022 registrierten die Luzerner Gerichte so viele Baurechtsfälle wie nie. Gründe für das Rekordjahr sind Gerichtspräsident Schuhmacher zufolge die zunehmende Verdichtung bei Überbauungen, komplexere Bewilligungsverfahren und die Tatsache, dass der Gesetzgeber im Baurecht immer mehr Normen erlasse, die es zu beachten gelte.

Als die Präsentation des Geschäftsberichts endet, steht alles in allem also der Eindruck fest: Die Zeiten werden nicht leichter, auch nicht für die Luzerner Gerichte. Was das genau bedeutet, wird spätestens bekannt, als Peter Schumacher die Zahlen für 2023 präsentiert. Sicher ist schon jetzt: Auch dann werden ihm die Leute zuhören.

Verwendete Quellen
Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


1 Kommentar
  • Profilfoto von Rudolf Schweizer
    Rudolf Schweizer, 20.06.2023, 08:25 Uhr

    Warum die Gerichte am Limit laufen hat damit zu tun, das die Bezirksgerichte schon in der erst Beurteilung versagen, es hat auch damit zu tun das Gewisse Prozesse die sich dann gegen die Staatsgewalt wendet unter den Tisch gekehrt werden. Die Fälle landen dann beim Kantonsgericht und am Ende beim Bundesgericht, da dann nur nach der Verwässerung durch die Gerichte gehandelt wird, kommen die Fälle nie zur Ruhe sondern sie fangen dann immer wieder von Neuem an. Vetterliwirtschaft im Sinne des Staates lohnt sich auf jedenfalls nicht. Der Staat betrügt der Bürger zahlt. Dann hat die Luzerner Polizei nichts besseres zu tun als Unglaubwürdige Verkehrskontrollen durch zu führen wo gleich jeder Töffahrer ein Potentieller Verbrecher behandelt wird. Da werden von Seitens der Polizei einseitiges Verhalten vorgenommen und der Kleine Mann wird abgezockt, auf der andern Seite können Fussballchaoten, Drogendealer und andere Kriminellen Baden machen was sie wollen. Die Aufgabe der Polizei ist nicht Willkürlich Bussen ein zu treiben, sondern sich den echten Kriminellen zu stellen und diese Rechtzeitig aus dem Verkehr zu ziehen.

    👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
Apple Store IconGoogle Play Store Icon