Das WC ist verstopft, schnell muss ein Sanitär her. Vor diesem Problem stand kürzlich ein zentralplus-Leser aus Zofingen. Betroffen war die Wohnung seines Mieters. Der Leser wollte seinen üblichen Handwerker aufbieten, googelte den Namen, schaute nicht genau hin und rief die Nummer an, die ihm angezeigt wurde. «Das war ein Fehler», gibt der Leser zu. Denn er bestellte den falschen Anbieter.
Statt der bekannten Handwerker standen bald darauf die Mitarbeiter einer Firma aus Cham in der Wohnung des Mieters. Nach 20 Minuten Arbeit folgte der Schock. Die Handwerker verlangten für keine halbe Stunde, die sie in der Wohnung verbrachten, über 1330 Franken. Sie hätten den Mieter gedrängt, die Rechnung sofort zu begleichen, erzählt der Leser. Schliesslich habe man mit der Karte die Rechnung vor Ort bezahlt. Im Nachhinein sei ihm bewusst geworden, wie überrissen die Forderung gewesen sei. «Das sind Gauner», echauffiert sich der Leser. Bei seinem üblichen Sanitär hätte er einen Bruchteil davon bezahlt, erzählt er.
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wie die Chamer Firma mit mehreren Webseiten regionale Handwerker vorgaukelt
wie weit die rechtliche Grauzone reicht, in der sie sich bewegt
welche Preise der Konsumentenschutz für Notfallhandwerker nennt
Was ihn besonders stört: Der Einsatz fand an einem Montagmorgen statt. Die Handwerker hätten aber Notfallzuschläge für Einsätze ausserhalb der regulären Arbeitszeiten wie an Wochenenden oder spätabends verrechnet – und dies gleich zweimal. So steht es auf der Rechnung, die zentralplus vorliegt.
900 Franken für 5 Minuten – Handwerker fielen schon einmal auf
Bei der Firma, die der Leser irrtümlicherweise angerufen hatte, handelt es sich um die Express Handwerk GmbH aus Cham. Die Rechnung wurde aber von der Artiflex Service GmbH (ebenfalls aus Cham) ausgestellt. Die Firma ist nicht unbekannt. Im Januar machte sie im Fürstentum Liechtenstein ebenfalls mit überrissenen Preisen Schlagzeilen. Eine Frau hatte damals ebenfalls den ortsansässigen Sanitär bestellen wollen und landete bei der Firma aus Cham. Ihr wurden damals für fünf Minuten Arbeit 900 Franken berechnet (zentralplus berichtete).
Die Masche ist nicht neu. Immer wieder machen Sanitärfirmen oder Schlüsseldienste mit überrissenen Preisen von sich reden. Oft handelt es sich dabei um dubiose Firmenkonstrukte, oft mit Verbindungen ins Ausland – nach Deutschland etwa – mit zig Webseiten. Wer genau dahinter steckt, ist oft nicht klar ersichtlich.
So scheint es auch in diesem Fall zu sein. Denn der Leser suchte auf Google den Namen seines üblichen Handwerkers und klickte auf das erstbeste Suchergebnis. Der Name habe praktisch gleich gelautet, sagt er. Nur war es die Webseite der Chamer Sanitärfirma. Und sie scheint nicht nur in Zofingen so vorzugehen.
Zig Webseiten, aber immer die gleiche Adresse
Die Probe aufs Exempel zeigt: Wer einen Sanitär oder Klempner in seiner Region sucht, landet schnell auf der Seite Kanalreinigungs-Experten24.ch. Zuoberst steht dann etwa Kanalreinigung Luzern, Kanalreinigung Zug oder eben wie im Fall des Leserreporters Kanalreinigung Staffelbach. Es handelt sich quasi um regionalisierte Versionen der gleichen Webseite. Wie viele dieser Seiten es gibt, ist unklar.
Auf Google wird die Webseite jeweils zuoberst gelistet. Dafür lassen die Verantwortlichen wohl ein ordentliches Sümmchen springen. Wer auf den Link klickt, erhält schnell den Eindruck, beim regionalen Sanitär gelandet zu sein. In allen Fällen steckt dahinter aber die Firma Express Handwerk aus Cham. So steht es im Impressum der Webseite. In einer französischsprachigen Version der Webseite wird im Impressum wiederum um eine alte Bekannte aufgeführt: die Firma Artiflex Service.
Beide Firmen haben ihren Sitz in Cham. An den angegebenen Adressen sind jedoch keine Sanitärwerkstatt, keine Lieferwagen und keine Handwerker anzutreffen. An einer der Adresse ist ein modernes Bürogebäude zu finden mit mietbaren Büroflächen. An der anderen Adresse steht ein Wohnblock.
Bei den Verantwortlichen der beiden Firmen handelt es sich einmal um einen Deutschen und einmal um einen Holländer, beide laut Handelsregister niedergelassen in Herisau im Kanton Appenzell Ausserrhoden.
Wie die beiden Unternehmen verbandelt sind oder ob es sich nicht einfach um eine einzelne Firma mit zwei Namen handelt, ist nicht klar. Anfragen von zentralplus blieben bisher während mehrerer Tage unbeantwortet.
Rechtliche Grauzone: Nur dann machen sich Abzocker strafbar
Klar ist: Medien und Konsumentenschutz warnen seit Jahren vor unseriösen Sanitärfirmen. Das Vorgehen ist oft ähnlich wie jenes der Notfallunternehmen aus Cham. Eine Firma, vor der vor einigen Jahren die Reklamationszentrale Schweiz warnte, betrieb gar 230 Webseiten, um damit regionale Handwerksdienste vorzugaukeln.
Die Masche ist auch dem Verband der Gebäudetechniker, Suissetec, ein Dorn im Auge. «Solche ‹Fake-Handwerker› bringen das Image einer ganzen Branche in Verruf. Unsere Mitglieder wie auch wir als nationaler Verband ärgern uns über die Negativpresse», sagte der Verband kürzlich gegenüber dem «Beobachter».
Der Verband hat darum die Seite gebäudetechniker24.ch aufgeschaltet, welche seriöse Notfallhandwerker vermittelt.
Rechtlich bewegen sich die Abzockerhandwerker oft in einer Grauzone. Grundsätzlich gilt in der Schweiz die Vertragsfreiheit. Dienstleister dürfen ihre Preise selbst bestimmen. Gegen das Gesetz verstösst jedoch, wer eine Notlage ausnutzt. So heisst es im Strafgesetzbuch zum Stichwort «Wucher»: «Wer die Zwangslage, die Abhängigkeit, die Unerfahrenheit oder die Schwäche im Urteilsvermögen einer Person dadurch ausbeutet, dass er sich oder einem anderen für eine Leistung Vermögensvorteile gewähren oder versprechen lässt, die zur Leistung wirtschaftlich in einem offenbaren Missverhältnis stehen, wer eine wucherische Forderung erwirbt und sie weiterveräussert oder geltend macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.»
Vergangenes Jahr wurde in Bern ein Monteur wegen Wucher verurteilt. Er hatte für die Reparatur eines verstopften Lavabos über 7000 Franken verlangt und damit die Notlage einer Frau ausgenutzt, so das Verdikt. Solche Urteile sind jedoch selten.
Rückzahlung versprochen, bis jetzt noch nichts passiert
Der Konsumentenschutz warnt denn auf seiner Webseite davor, gleich vor Ort eine überteuerte Rechnung bar zu bezahlen. «Sofern dies nicht im Vorfeld vereinbart wurde, dürfen sie aber auf Zahlung per Rechnung bestehen. Wenn Sie vom Handwerker gedrängt werden, drohen Sie damit, die Polizei anzurufen und tun Sie dies gegebenenfalls auch», schreibt der Konsumentenschutz.
Rechnungen von über tausend Franken für wenige Minuten Arbeit seien nicht üblich bei seriösen Handwerkern. Als Richtgrösse nennt der Konsumentenschutz einen Stundenansatz von 100 Franken. Bei Arbeiten in der Nacht sei ein Aufschlag von 50 Prozent üblich. Dazu kommen nochmals einige Franken an Weg- und Materialkosten.
Der zentralplus-Leser habe wegen der überrissenen Rechnung interveniert, wie er erzählt. Daraufhin sei ihm versprochen worden, dass er einen Teil des Geldes – rund 400 Franken – zurückerhalten würde. Bis heute sei dies aber nicht passiert. Wenn die Chamer Firma die Rechnung nicht bald korrigiere, wolle er Anzeige erstatten.
Schreibt gerne über harte Fakten und skurrile Aufreger. Seit über zehn Jahren Journalist bei Online, Print und Fernsehen. Für zentralplus schreibt der Wahl-Luzerner seit 2024.