Erfolg für Jolanda Spiess-Hegglin

Für den «Blick» heisst es jetzt: «Hose abe!»

Jolanda Spiess-Hegglin wehrt sich vor dem Kantonsgericht Zug gegen die Berichterstattung aus dem Verlagshaus Ringier. (Bild: ber)

Jolanda Spiess-Hegglin erzielt am Zuger Kantonsgericht einen Zwischenerfolg: Der «Blick» muss dem Gericht eine Reihe von Infos schicken, die er eigentlich geheim halten wollte.

Angaben zu Seitenaufrufen, Absatz, Aboverkäufen und Werbeeinnahmen gelten in der Medienbranche als Geschäftsgeheimnis. Der «Blick» muss diese Zahlen nun aber dem Zuger Kantonsgericht offenlegen. Die Richterinnen wollen ausrechnen, wie hoch der Gewinn ist, den die Boulevardzeitung mit vier Artikeln gemacht hat, die in den Jahren 2014 und 2015 über Jolanda Spiess-Hegglin erschienen sind (zentralplus berichtete).

Diese waren persönlichkeitsverletzend, wie das Kantonsgericht in seinem am Donnerstag veröffentlichen Urteil festhält. Inhaltlich drehen sich alle Berichte um die Zuger Landammannfeier 2014. Die Geschehnisse des Abends hatten in den Monaten danach als «Zuger Sexskandal» Schlagzeilen gemacht. Sie lösten mehrere Strafverfahren aus. Die Staatsanwaltschaft ermittelte zum einem wegen eines mutmasslichen Sexualdelikts gegen den Zuger Kantonsrat Markus Hürlimann – und zum anderen wegen Ehrverletzung gegen Jolanda Spiess-Hegglin. Beide Verfahren wurden längst rechtskräftig eingestellt.

Opfer von Straftaten müssen besonders geschützt werden

Zu dem Zeitpunkt, als die umstrittenen «Blick»-Artikel erschienen sind, war das aber noch anders. Es stand der Verdacht im Raum, dass Jolanda Spiess-Hegglin an jenem Abend im Dezember Opfer eines Sexualdelikts geworden sein könnte. Die Boulevardzeitung berichtete darüber, ohne Rücksicht zu nehmen auf die erhöhte Schutzbedürftigkeit einer Frau, der möglicherweise Gewalt angetan wurde.

Stattdessen breitete der «Blick» genüsslich Details aus – bis hin zu Angaben der Unterwäsche, die Jolanda Spiess-Hegglin in der Nacht getragen haben soll. Weiter stellte die Redaktion Mutmassungen über den Alkoholkonsum der damaligen ALG-Kantonsrätin an und zeichnete das Bild einer Ehebrecherin. Damit hat der «Blick» ihr gesellschaftliches Ansehen beschädigt und ihre Persönlichkeitsrechte verletzt, wie das Kantonsgericht festhält.

Öffentliches Interesse rechtfertigt nicht alles

Die Frage ist: War eine solche Berichterstattung durch das öffentliche Interesse gerechtfertigt? Auch hier ist das Urteil recht klar: Alle eingeklagten Artikel zielten auf Unterhaltung ab, waren «übertrieben verletzend», «unnötig skandalisierend» und persönlichkeitsverletzend.

«Für den öffentlichen Diskurs ist es – nach wie vor – nicht von Belang‚ welche Art von Unterwäsche die Klägerin an der Landammannfeier trug», schreibt das Kantonsgericht dazu. Nur bei einem der fünf eingeklagten Artikel kommen die Richter zum Schluss, dass die festgestellte Persönlichkeitsverletzung gerechtfertigt war.

Jolanda Spiess-Hegglin hat sich selber in den Fokus der Öffentlichkeit gestellt

Konkret geht es um einen Bericht mit dem Titel «Zuger Sex-Skandal: Die sechs Männer um Jolanda Spiess‐Hegglin». Der Inhalt war zwar «herabsetzend und somit persönlichkeitsverletzend», weil die ehemalige Kantonsrätin als Ehebrecherin dargestellt wird. Aber: Das Strafverfahren gegen ihren Ratskollegen war zu dem Zeitpunkt bereits rechtskräftig eingestellt. Das bedeutet, dass sich Jolanda Spiess-Hegglin nicht mehr auf den Opferschutz berufen konnte.

Weiter habe sie sich selber mehrfach zu den Geschehnissen geäussert und «sich damit eigens in den Fokus der Öffentlichkeit» gestellt. Deshalb bejaht das Kantonsgericht in diesem Fall das öffentliche Interesse.

Drei Schritte noch – dann kommt die teure Quittung

Als Nächstes geht es jetzt um die Gewinnherausgabe. Diese läuft in drei Schritten ab. «In einem ersten Schritt ist zu eruieren, ob und in welchem Umfang ein Umsatz mittels der Publikation eines rechtswidrigen Artikels generiert wurde», so das Kantonsgericht. In einem zweiten Schritt werden die Kosten für die «Produktion» der Artikel abgezogen. «In einem letzten Schritt ist schliesslich der errechnete Gewinn ermessensweise im Hinblick auf die Kausalität zu begrenzen und zu bereinigen.»

Konkret heisst das: Das Verlagshaus Ringier muss die Zahlen liefern und das Kantonsgericht Zug legt dann fest, wie viel der «Blick» an Jolanda Spiess-Hegglin zahlen muss. Über den Betrag kann derzeit nur spekuliert werden, weil es keine Vergleichsfälle gibt. Klar ist nur: Der Streitwert liegt über 30'000 Franken.

Jolanda Spiess-Hegglin feiert «Meilenstein in der Mediengeschichte»

Bei Jolanda Spiess-Hegglin ist die Freude gross. Für sie bedeutet der Entscheid, dass Medien künftig vorsichtiger sein müssen im Umgang mit Persönlichkeitsrechten. «Wenn das Geld am Schluss zurückgegeben werden muss, lohnt sich Clickbait nicht mehr. So einfach», schreibt sie in einer Medienmitteilung. Das sei ein «Meilenstein in der Mediengeschichte».

Rechtskräftig ist der Entscheid allerdings noch nicht.

Verwendete Quellen
  • Urteil A1 2020 56 des Kantonsgerichts Zug
  • Medienmitteilung von Jolanda Spiess-Hegglin
  • Urteil 5A_256/2016 des Bundesgerichts (Fall Hirschmann)
  • Blog von Jolanda Spiess-Hegglin
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3 Kommentare
  • Profilfoto von Fabrizio
    Fabrizio, 30.06.2022, 15:35 Uhr

    Endlich bekommt dieses Hetzblatt die gerechte Strafe.

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  • Profilfoto von transit
    transit, 30.06.2022, 13:34 Uhr

    Und schon wieder steht sie in der Öffentlichkeit… Eigentlich müssste sie mal die Hosen runter lassen und mit der Wahrheit rausrücken. Immer sind die anderen Schuld – ganz schlimm was die Frau sich alles erlaubt.

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    • Profilfoto von Goeggeler
      Goeggeler, 02.07.2022, 13:55 Uhr

      Ja, wer die Öffentlichkeit so sucht wie sie muss sich nicht wundern…. Wer sucht der findet, manchmal noch mehr als er/sie sucht.

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