Nach Massenschlägerei am Rathausquai

Zwei FCL-Anhänger verteidigen sich vor Gericht

Zwei FCL-Anhänger wehrten sich vor dem Luzerner Bezirksgericht gegen eine Verurteilung wegen Landfriedensbruchs. (Bild: Martin Meienberger/ freshfocus)

Im November 2021 gehen FCL-Fans und Anhänger des FC Basel aufeinander los. Erst hagelt es Fäuste, dann Strafbefehle. Dagegen haben sich am Mittwoch zwei Luzerner vor Gericht gewehrt. Ihre Begründung: Mit der Schlägerei hätten sie nie etwas zu tun gehabt.

«Chömed nor! Chömed nor!», schreit einer aus dem Klüngel dem Feind entgegen. Die beiden Gruppen stehen bereit auf dem gepflasterten Weg an der Reuss, wo sie zuvor schon aufeinandergeprallt sind wie zwei Wellen aus schwarzen Jacken und Wut. Fäuste sind geflogen, Tritte durch die Luft geschnellt. Und wer keinem Kontrahenten im maskierten Angesicht gegenüberstand, hüpfte auf und ab, als wartete er, bis das Kuddelmuddel aus Leibern in seine Richtung wogt.

Was am frühen Nachmittag des 28. November 2021 am Luzerner Rathausquai geschah, ist auf Handyvideos gut dokumentiert und im Internet rasch gefunden. Rund 20 Personen seien aufeinander losgegangen, «mutmasslich Anhänger des FC Luzern und des FC Basel», schrieb später die Luzerner Polizei in einer Medienmitteilung (zentralplus berichtete).

Einsprache gegen bedingte Geldstrafen

Heute weiss man: Es waren eher 30 statt 20. Und was die Polizei vor dem Spiel der 15. Runde der Super-League-Saison 2021/2022 als Schlägerei bezeichnete, heisst auf Juristisch Landfriedensbruch.

Das Vergehen setzt voraus, dass jemand an einer «öffentlichen Zusammenrottung teilnimmt, bei der mit vereinten Kräften gegen Menschen oder Sachen Gewalttätigkeiten begangen werden.» Bis zu drei Jahre Gefängnis sieht das Strafgesetz vor. 40 Tagessätze Geldstrafe à 90 und 100 Franken bedingt haben ein 22- und ein 28-jähriger Luzerner gefasst, als sie ein halbes Jahr nach dem Kampf von der Luzerner Staatsanwaltschaft verurteilt wurden. Hinzu kamen 900 und 1'000 Franken Busse.

Obwohl die Staatsanwaltschaft deutlich weniger weit ging, als ihr der Strafrahmen einräumt, akzeptierten beide die Strafbefehle nicht. Deshalb nahmen am frühen Mittwochnachmittag zwei junge Männer Platz vor Roland Huber, Richter am Bezirksgericht Luzern, Grabenstrasse 2, Gerichtssaal Nummer 1, Parterre rechts vom Eingang.

Das Urteil steht noch aus

Lediglich eine Stunde dauerte die Verhandlung, an deren Ende es kein Urteil zu vermelden gab. Dieses eröffnet das Gericht schriftlich. Wann das sein wird, weiss man nicht. Erst dann wird sich zeigen, ob das Gericht zum gleichen Schluss kommt wie die Strafverfolger. Oder ob es den Anwälten folgt, die Freisprüche für ihre Mandanten gefordert hatten.

Es war für mich sehr belastend, aus heiterem Himmel für etwas beschuldigt zu werden, das ich nicht getan habe. Und das alles nur, weil ich an einen FCL-Match wollte.

Beschuldigter FCL-Fan

Vor allem sie waren es, die am Mittwochnachmittag sprachen. Die Staatsanwaltschaft war gar nicht erst zur Verhandlung erschienen und die Beschuldigten – einer im schwarzen Hemd, der andere mit weissem Strickpulli, beide mit der nahezu identischen schwarzen Jacke vor Gericht erschienen – verweigerten die Aussage zur Sache.

Er sei schon im Dezember 2021 eingehend befragt worden, weshalb er jetzt nicht noch einmal aussagen wolle, sagte der 28-Jährige anlässlich des letzten Worts, das vor Gericht die Beschuldigten haben. Und abgesehen davon, dass der 22-Jährige die meiste Energie dafür investierte, sich als redlichen Menschen darzustellen, der im Militär war und pünktlich seine Rechnungen zahlt, sagte er: «Es war für mich sehr belastend, aus heiterem Himmel für etwas beschuldigt zu werden, das ich nicht getan habe. Und das alles nur, weil ich an einen FCL-Match wollte.»

Schläger? Fussballfans!

Anwältin und Anwalt verfolgten im Kern die gleiche Strategie. Diese bestand darin, das Gericht zu überzeugen, dass ihre Mandanten erstens unbescholtene Fussballfans sind. Und dass der Staatsanwaltschaft zweitens die Beweise für eine Verurteilung fehlen.

Diese hatte dem 28-Jährigen die Teilnahme an der Schlägerei mit dem Argument vorgeworfen, die Polizei habe nach dem Kampf einen Zahnschutz bei ihm gefunden, wie man ihn aus dem Eishockey oder vom Boxen kennt. Und der 22-Jährige hatte laut dem Strafbefehl eine Sturmhaube bei sich, die «auf Mundhöhe Blutspuren aufwies». Beides beweise, so die Strafverfolger, dass die Männer an einer Schlägerei teilgenommen hätten, kurz bevor sie im «Vögeligärtli» in eine Polizeikontrolle geraten seien.

Zahnschutz für den Fanmarsch, ohne Verletzung keine Schlägerei

Das aber stimme nicht, so die Anwältin des 28-Jährigen. Ihr Mandant habe den Zahnschutz dabei gehabt, um sich zu schützen, falls er beim Fanmarsch zum Stadion angegriffen würde. Das sei ihm schon in der Vergangenheit passiert. Derweil attackierte der Anwalt des 22-Jährigen die Arbeit der Strafverfolger. Die Polizei habe seinem Mandanten die Sturmhaube abgenommen, ohne den dafür benötigten Beschlagnahmebefehl gehabt zu haben. Deshalb sei dies nicht als Beweis verwertbar. Zudem beweise die Haube nicht, dass sein Mandant an der Schlägerei dabei gewesen sei. Und: Mehrere Tests hätten gezeigt, dass, egal was an der Haube geklebt habe, es kein Blut gewesen sei.

Nicht zuletzt sei bei keinem der beiden eine Verletzung festgestellt worden, als die Polizei sie eine gute halbe Stunde nach dem Kampf kontrolliert habe – beim «Vögeligärtli», was laut der Anwältin des 28-Jährigen dafür spreche, dass ihr Mandant nie in der Nähe der Schlägerei am Rathausquai gewesen sei. Stattdessen sei dieser von zu Hause zum Bahnhof und von dort zum Fanlokal Zone 5 unterwegs gewesen. Auf dem Weg habe er den 22-Jährigen und einen weiteren Fussballfan getroffen.

In seiner Beurteilung, darauf deutete an der Verhandlung vieles hin, wird sich Richter Roland Huber an Indizien und Wahrscheinlichkeiten halten müssen, Beweise wie eine Videoaufnahme oder ein Geständnis fehlten den Strafverfolgern für ihre Anklage. Auch auf frischer Tat konnte die Polizei niemanden ergreifen, da die an der Schlägerei Beteiligten sich aus dem Staub machten, als die Polizei am 28. November vorfuhr.

Deshalb kann man heute nicht sagen, wer als Sieger aus der Schlägerei hervorging. Ein zählbares Resultat gab es auf dem Fussballplatz dafür allemal – wenn auch kein befriedigendes aus Luzerner Sicht: Mit 1:3 verlor der FCL damals gegen den Gegner aus Basel.

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3 Kommentare
  • Profilfoto von Remo
    Remo, 06.04.2023, 10:52 Uhr

    Dumm, dümmer, Fussballfans.

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  • Profilfoto von Dolfino
    Dolfino, 31.03.2023, 12:29 Uhr

    Früher hat es geheissen mitgegangen -mitgefangen. Aber diese Pöbelbrüder haben noch die Frechheit alles abzustreiten. Hoffentlich kapieren es die Richter endlich und bestrafen diese Radaubrüder richtig. Zum andern gebe ich Franz recht, lässt diese Halbstarken einander verprügeln und dann knallhart die Behandlungskosten der Schlägerei selbst bezahlen. Dass die Fanarbeiter und einer Decke stecken habe ich schon öfters geschrieben. Wenn die für Ruhe sorgen wollten sollen sie die Radaubrüdermelden. Aber dabei riskieren sie selbst eins auf die Schnauze zu kriegen.

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  • Profilfoto von Franz
    Franz, 29.03.2023, 17:13 Uhr

    Warum greift die Polizei überhaupt ein, wenn zwei Fanlager aufeinander losgehen? Statt einfach zu warten, bis die Keilerei vorbei ist. Dann die angeschlagenen Beteiligten einsammeln wäre viel einfacher. Keiner könnte bestreiten, dabei zu sein. Und der Arzt und das Spital würden aus dem eigenen Sack bezahlt. Der Kuschelkurs gegen diese Hools muss endlich aufhören, sonst ändert sich nichts. Zusätzlich alle sog. Fanarbeiter ignorieren, das sind nichts als Komplizen.

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