Chef von Betrügerbande vor Gericht

Familien, Freunde, Firmen: Nichts war vor Gaunern sicher

Das Kriminalgericht verdonnert den Beschuldigten zu einer bedingten Haftstrafe. (Bild: Symbolbild: Adobe Stock)

Eine Gruppe Männer dachte, sie könnte alle an der Nase herumführen – sogar Krankenkassen und Versicherungen. Nun stand ein 37-Jähriger vor dem Luzerner Kriminalgericht.

Für sein Geld arbeiten und für Waren zu bezahlen? «Nicht mit mir.» So könnte der innere Monolog von Sven T. anfangs der 2000er-Jahre ausgehen haben. Gut zwanzigjährig war der heute 37-Jährige damals. Und er war auf das schnelle Geld aus. Sicherlich sei es jedenfalls nicht nur «jugendlicher Übermut» gewesen, der den in Portugal geborenen Schweizer zu seinen Taten verleitet hatte, schreibt die Luzerner Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift.

Diese hat es in sich. Gut 50 Seiten lang ist sie und umfasst zwei Dutzend Vorwürfe. Bei den meisten davon geht es um gewerbsmässigen Betrug. Denn Sven T. war einer der Köpfe einer Betrügerbande aus Luzern, die mit falschen Firmen versucht hatte, von Versicherungen, Krankenkassen bis hin zu Mobilfunkanbietern alle möglichen Gesellschaften über den Tisch zu ziehen.

Ermittler stiessen auf Betrugskonstrukt und viele Verstrickungen

Die Gruppe beschäftigt die Behörden seit Längerem. Zwölf Jahre ist es her, seit die Luzerner Ermittler auf die Betrugsfälle aufmerksam wurden. Seither dauerten die Ermittlungen an und führten zu 46 Verfahren, zig Anzeigen und mehreren Verurteilungen.

Es begann 2012 mit einer Anzeige einer Lebensversicherungsgesellschaft gegen eine der Firmen der Betrügerbande aus Luzern. 2013 folgte eine zweite Anzeige einer anderen Gesellschaft, wiederum gegen eine andere Betrugsfirma. Die Ermittler merkten daraufhin, dass die Maschen sich gleichen und die Köpfe dahinter miteinander verbandelt zu sein schienen. Auf dem Radar der Behörden erschienen immer mehr betrügerische Firmenkonstrukte. Die Spuren führten immer wieder zu Sven T., der mal stärker, mal weniger stark involviert war in die einzelnen Betrügereien und Firmenkonstrukte.

Betrüger zogen gar Familienmitglieder über den Tisch

Die Betrügereien begannen 2009. Der Beschuldigte und Komplizen wollten eine erste Firma gründen, mit der sie einen Versicherungsbetrug planten. Dabei täuschten sie einem Notar vor, dass sie über Kapital verfügten, dass sie gar nicht hatten.

Es ist eine Masche, die die Beschuldigten bei ihren anderen Firmengründungen ebenfalls verwendeten. Mit den Unternehmen nahmen Sven T. und seine Mitstreiter dann zunächst Lebensversicherungsgesellschaften ins Visier.

Der Plan: Als Vermittler auftreten, fingierte Verträge von Versicherungsnehmern einreichen und dafür Provision einstreichen. Die Idee stammte von Sven T. und einem Mitbeschuldigten, der mittlerweile verstorben ist. Ein Dritter im Bunde stellte den Kontakt zu den Versicherern her. Er wurde vergangenes Jahr zu anderthalb Jahren Gefängnis bedingt verurteilt.

Sven T. und seine Komplizen warben zunächst Vermittler an. Diese sollten für die Betrügerbande in Luzern nach Personen suchen, die gewillt wären, eine Lebensversicherung abzuschliessen. Die Vermittler suchten daraufhin vor allem in ihrem persönlichen Umfeld nach Personen, die sie über den Tisch ziehen konnten. Laut Anklage schreckten sie auch vor der eigenen Familie und Freunden nicht zurück. Denen soll versprochen worden sein, dass sie gar keine Prämien bezahlen müssten oder die Versicherung einfach aufgelöst werden könnte, sollen sie diese nicht mehr wollen. Das stimmte aber alles nicht.

Betrüger machten vor niemandem Halt

Die Daten der unter Druck gesetzten Familienmitglieder, Bekannten und Freunde übermittelten sie dann an Sven T. und den anderen Betrügern. Diese leiteten die einzelnen Anträge dann gleich an mehreren Versicherungsgesellschaften weiter und bezogen die Provision. Hunderte fingierte Anträge reichten sie ein und bezogen dafür Provisionen in der Höhe von Hunderttausenden von Franken. Die Gesellschaften blieben auf unbezahlten Prämien und die Versicherungsnehmer auf Versicherungen, die sie gar nicht wollten und nicht bezahlen konnten, sitzen.

Die gleiche Masche zog die Betrügerbande auch bei Krankenkassen ab. Teilweise setzten die Verantwortlichen selbst noch die Unterschriften auf Anträge oder füllten diese aus – jeweils mit den Angaben, die am meisten Provision einbrachten. Das Geld hoben die Betrüger jeweils kurz nach dem Eingang in Luzern in bar ab.

Als Nächstes wollten sie Mobilfunkanbieter über den Tisch ziehen. Das Vorhaben: Über ihre Firmen möglichst viele Abos abschliessen, die dazugehörigen Handys einsacken und diese dann weiterverkaufen, ohne die monatlichen Rechnungen zu bezahlen. Gut 40 Handys im Wert von knapp 30'000 Franken erbeuteten sie so. Einen Teil der ersten Rechnungen zahlten sie noch, um keinen Verdacht zu erwecken. Dann blieben die Zahlungen aus, bis die Anbieter die Verträge kündigten.

Pflanze, Zigaretten, Benzin oder Tische ergaunert

Wer nun meint, dass damit die Dreistigkeit zu Ende ist, irrt. Den nun gingen Sven T. und seine Komplizen unter anderem auf suf die Landi, Ikea, Tankstellen und andere Firmen los. Dabei liessen sie sich bei den Händlern ein Kundenkonto für ihre Firmen erstellen, sodass sie Waren auf Rechnung bestellen konnten. Bei der Landi «kauften» sie Pflanzen und Werkzeuge, bei einer anderen Firma kiloweise Papier und andere Büromaterialien und bei wiederum einer anderen Projektionseinwände und bei der Ikea zwei Tische. Die Rechnungen bezahlten sie nicht. Die «Einkäufe» waren scheinbar alle für den persönlichen Gebrauch gedacht.

Bei einem Tankstellenbetreiber liessen sie sich schliesslich zehn Tankkarten ausstellen, wiederum auf eine der Betrugsfirmen. Damit konnten sie Benzin beziehen oder aber an den Tankstellen Waren auf Kredit kaufen. Einmal, so schildert es die Staatsanwaltschaft, machten sie einen Streifzug mit mehreren Autos, bei dem sie ein Dutzend Tankstellen abfuhren und überall so viele Zigaretten «kauften», wie sie konnten. Die Kreditkartenrechnungen blieben selbstredend unbeglichen.

Mit Auto in Café gebrettert

Eine andere Spritztour des Beschuldigten endete weitaus spektakulärer. Deretwegen stand er gleich auch noch vor Gericht. Passiert war Folgendes: An einem Abend im Februar 2019 war Sven T. in Luzern im Ausgang. «Er trank ein Glas Rotwein nach dem anderen», schreibt die Staatsanwaltschaft. Kurz vor Mitternacht setzte er sich hinters Steuer seines Autos und fuhr davon. Auf der Gerliswilstrasse verlor er aber die Kontrolle über sein Fahrzeug, rauschte über die Strasse und knallte in ein Café. «Mann brettert schwer betrunken in Restaurantgarnitur», titelte zentralplus damals (zentralplus berichtete).

Der Beschuldigte fuhr 2019 betrunken in ein Café. Das war vor Gericht aber nur ein kleiner Teil der Vorwürfe. (Bild: Luzerner Polizei)

Das Luzerner Kriminalgericht verurteilt Sven T. nun zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren bedingt. 232 Tagen davon hat er schon in der Untersuchungshaft abgesessen. Sven T. akzeptiert das Urteil. Er ist über weite Strecken geständig. Das Urteil ist rechtskräftig.

Offen ist nun nur noch ein Verfahren gegen ein weiteres Mitglied der Bande. Dann enden voraussichtlich die langjährigen Ermittlungen gegen eine dreiste Betrügerbande aus Luzern, die alle an der Nase herumführen wollte und dabei schliesslich auf selbige fiel.

Verwendete Quellen
  • Urteile Luzerner Kriminalgericht
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