Es soll eine Todesdrohung gewesen sein, welche die Frau schliesslich bewegt haben soll, aus der Beziehung zu flüchten. Seit 2013 wohnt die ursprünglich deutsche Familie in der Schweiz. Die Ehefrau habe gearbeitet, der Mann sei arbeitslos gewesen.
Laut der Schilderungen der Staatsanwaltschaft war es eine toxische Beziehung. Drohungen sollen zur Tagesordnung gehört haben. Bis im Herbst 2014.
Schliesslich soll der Mann seiner Frau ein Sportprogramm verordnet haben, da er scheinbar der Meinung war, dass sie abnehmen müsse. Zufrieden war er aber offenbar nicht. Er soll plötzlich seine damalige Frau gepackt und ihr gedroht haben, sie mit einer Hantel zu verletzen. Die Frau hatte laut der Anklage Todesangst und flüchtete.
Gewalt gehörte in der Beziehung offenbar auch beim Sex dazu. Wie viel davon einvernehmlich war, darum ging es kürzlich bei einem Prozess vor dem Luzerner Kriminalgericht. Der Vorwurf: Der 60-jährige Beschuldigte soll seine Frau während Monaten zu Sadomasosex gezwungen haben. Mehrfache sexuelle Nötigung und mehrfache Vergewaltigung, lautet die Anklage.
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wie die Vorwürfe zu den BDSM-Praktiken lauten
was die Tochter dem Beschuldigten vorwirft
weshalb das Gericht den Mann dennoch nicht verurteilt
Zwischen 2013 und 2014 hätte das Ehepaar durchschnittlich zweimal pro Woche Bondage- und Sadomasopraktiken ausgeübt (kurz BDSM). Der Mann hatte dabei scheinbar die dominierende Rolle, die Frau soll seine «Sklavin» gewesen sein. Die Rollenspiele sollen dabei jeweils unterschiedlich abgelaufen sein. Oft kamen laut Staatsanwaltschaft Schlaginstrumente zum Einsatz.
Mitgemacht aus Angst vor härterer Bestrafung
Dabei habe der Mann der Frau auf verschiedene Körperteile geschlagen. Andere Male soll er sie gefesselt oder verbal erniedrigt haben. Die «Spiele» hätten jeweils erst mit dem Zusammenbruch der Frau geendet, wenn sie die Qualen nicht mehr ausgehalten habe, heisst es in der Anklage. Wenn sie sich widersetzte, hätte die Gewalt angedauert und zugenommen.
Die Frau habe sich gefügt, da sie Angst vor noch härterer Bestrafung gehabt haben soll. Dabei habe sie die BDSM-Praktiken nie gewollt.
Weitere Anklagepunkte sind noch gravierender. So soll der Beschuldigte seine Tochter während Jahren mehrfach missbraucht haben. Die Schilderungen in der Anklage sind erschreckend, wenn sie denn stimmen.
Aussage gegen Aussage
Der Beschuldigte streitet sämtliche Vorwürfe ab. Und Zweifel hat auch das Kriminalgericht. Es sei eine klassische Aussage-gegen-Aussage-Konstellation. Bis auf die Aussagen der Frau gebe es keine Beweise dafür, dass sie zum Sadomasosex gezwungen worden sein soll. Der Beschuldigte gibt nur zu, dass es zu BDSM-Handlungen gekommen sei, aber nicht, dass er Zwang ausgeübt hatte.
Das Gericht liess die Aussagen der ehemaligen Frau des Beschuldigten von einem Gutachter überprüfen. Das Fazit: zu unglaubwürdig. Es gebe zu wenig Hinweise darauf, um eine Unfreiwilligkeit am Sadomasosex zu belegen. Die Aussagen seien nicht ausreichend, um den Beschuldigten zu verurteilen.
Hat Missbrauch gar nie stattgefunden?
Selbiges gilt für den Vorwurf, der 60-Jährige habe seine Tochter missbraucht. Laut Urteil hat die mittlerweile erwachsene Tochter eine schwere psychische Erkrankung. In der Einvernahme gab sie an, sich an vieles nicht richtig erinnern zu können.
Eine Gutachterin kam zum Schluss: Es könne sein, dass ihre Aussagen durch (auto-)suggestive Effekte beeinflusst worden seien, also dadurch, dass sie sich das angeblich Erlebte nur eingeredet hatte. Das Gericht urteilt: «Es bestehen unüberwindliche Zweifel daran, dass die eingeklagten sexuellen Handlungen tatsächlich stattgefunden haben.»
Es spricht den Deutschen somit von allen Anklagepunkten frei. Ein Verfahren wegen mehrfacher Drohung stellt es wegen Verjährung ein. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es wurde Berufung eingelegt. Der Fall geht also eine Instanz weiter.
Schreibt gerne über harte Fakten und skurrile Aufreger. Seit über zehn Jahren Journalist bei Online, Print und Fernsehen. Für zentralplus schreibt der Wahl-Luzerner seit 2024.