Dutzende Scheinfirmen – Chefs von Eisenlegerfirma verurteilt
Die Eisenlegerbranche macht immer wieder Schlagzeilen. (Bild: Adobe Stock)
Drei Kaderleute einer Eisenlegerfirma wurden zu Gefängisstrafen verurteilt. Sie sollen Millionen von Franken an Lohnsummen verschleiert haben. Es handelt sich um ein Luzerner Traditionsunternehmen.
Plötzlich fuhr die Polizei auf dem Firmengelände auf. Razzia. Die Mitarbeiter wurden nach Hause geschickt. Andere durften das Areal nicht mehr betreten. Polizeifahrzeuge standen rund um das Unternehmen. Fahnder in Uniform und Zivil streiften umher. Das war 2017. Was genau die Polizei beim Traditionsunternehmen in einer Luzerner Gemeinde wollte, war damals unklar. Es laufe ein Strafverfahren, hiess es lediglich.
Nun herrscht Klarheit – acht Jahre später. Angeklagt waren drei Mitglieder der Chefetage des Unternehmens. Es handelt sich dabei um eine Eisenlegerfirma. Gegründet wurde sie vor über 70 Jahren. Sie beschäftigt gut 100 Angestellte. Kürzlich standen die drei Chefs vor dem Luzerner Kriminalgericht. Nun liegt das Urteil vor.
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Bei den Beschuldigten handelt es sich um den Inhaber der Firma, den Verwaltungsratspräsidenten und ein weiteres Geschäftsleitungsmitglied.
Vorwurf: Millionen Franken an Löhnen verschleiert
Der Vorwurf: Sie sollen die Ausgleichskasse Luzern, die Suva und die Stiftung für den flexiblen Altersrücktritt (FAR) – sie setzt das Pensionierungsalter 60 für die Branche um – um total 1,4 Millionen Franken an Beiträgen und Prämien betrogen haben. Dies in den Jahren 2012 bis 2018. Die Anklage lautete auf gewerbsmässigen Betrug, Urkundenfälschung, Gläubigerschädigung durch Vermögensminderung und Misswirtschaft.
Dies, indem sie fast alle der 100 Eisenleger auf andere Gesellschaften auslagerten. 27 solcher Scheinfirmen sollen die Verantwortlichen genutzt haben. Dort waren sie aber laut den Behörden nur zum Schein angestellt. In Tat und Wahrheit sollen sie immer noch für die beiden Hauptfirmen der Beschuldigten gearbeitet haben. Die Scheinunternehmen sind jeweils nach kurzer Zeit liquidiert worden und hatten hohe Ausstände hinterlassen.
Durch diese «Auslagerungen» sollen der Ausgleichskasse, der Suva und der FAR insgesamt 46 Millionen Franken an Lohnsumme vorenthalten worden sein.
Hohe Dunkelziffer und Balkanclans
Die Masche ist in der Eisenlegerbranche weitverbreitet. Oft sind es dubiose Firmen mit Verbindungen in den Balkan, die Schlagzeilen machen (zentralplus berichtete). Meist geht es dabei auch um Schwarzarbeit. Grosse Baufirmen lagern die Armierungsarbeiten oft an andere, kleinere Firmen aus. Die grossen Firmen müssen so keine Sozialversicherungen zahlen, und die Verantwortung der illegalen Beschäftigung wird nach unten delegiert. Oft ist ein Netz von Unternehmen am Werk, welches es schwierig macht, nachzuvollziehen, wer nun wo angestellt ist.
Dass der Kampf gegen Schwarzarbeit kompliziert sei, betont auch die Kantonale Industrie- und Gewerbeaufsicht (Kiga) von WAS Wirtschaft Arbeit Soziales. «Wie viele Fälle von Schwarzarbeit es im Kanton Luzern effektiv gibt, können wir nur mutmassen. Es gibt bestimmt eine entsprechende Dunkelziffer», schrieb das Amt kürzlich auf Anfrage von zentralplus.
Hauptangeklagter erhält Haftstrafe
Derweil bereitet das Problem auch den Berufsverbänden Bauchschmerzen. Denn die Firmen, die betrügen, würden oft für einen starken Preisdruck sorgen und zudem die ganze Branche in Verruf bringen. So sagte Kurt A. Zurfluh, Geschäftsführer der Zentralschweizerischen Baumeisterverbände, vor Kurzem gegenüber zentralplus: «Da es ziemlich viele Anbieter im Markt hat, ist die Chance gross, dass ein Tiefflieger einen Auftrag erhält. Die öffentlichen Bauherren haben sich an den Gesamtarbeitsvertrag zu halten, was bei den ‹Privaten› nicht gilt. Und genau in diesem Bereich ‹tummeln› sich dann viele Unternehmer, welche dieses Namens einfach nicht würdig sind» (zentralplus berichtete).
Die drei Beschuldigten im aktuellen Fall wurden nun zu, teils bedingten, Gefängnisstrafen verurteilt. Der Hauptangeklagte, der Inhaber der Firma, erhielt eine Haftstrafe von drei Jahren. Acht Monate davon muss er absitzen. Die anderen beiden Beschuldigten erhielten bedingte Haftstrafen von zwei Jahren respektive 16 Monaten. Dies bei Probezeiten von drei respektive zwei Jahren.
Happiger sind da die Gerichtskosten, die die drei zahlen müssen. Es sind jeweils knapp 18’000 Franken, knapp 14’000 Franken und knapp 12’000 Franken. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Schreibt gerne über harte Fakten und skurrile Aufreger. Seit über zehn Jahren Journalist bei Online, Print und Fernsehen. Für zentralplus schreibt der Wahl-Luzerner seit 2024.