Stephan Zimmerli, Sonderermittler im Fall Marti

Dieser Luzerner jagt den «scharfen Hund aus Winterthur»

Der Luzerner Anwalt Stephan Zimmerli ermittelt in den Corona-Leaks. (Bild: zvg)

Stephan Zimmerli ermittelt in der Affäre um den ehemaligen Kommunikationschef von Alain Berset. Wer ist dieser Luzerner Anwalt, der Peter Marti nachjagt, dem «scharfen Hund aus Winterthur»? Porträt eines Mannes, der die Öffentlichkeit scheut.

Nach fünf Tagen Funkstille schreibt Stephan Zimmerli zurück. Und entschuldigt sich, dass er lange nichts von sich hat hören lassen: «Aber das Absagen der unerwartet zahlreichen Medienanfragen erweist sich als zeitaufwendig.»

Er will es nicht sein, doch Stephan Zimmerli – Jahrgang 1972, hohe Stirn, schmales Gesicht und Ziegenbart – ist ein gefragter Mann. Denn der Nidwaldner mit Advokatur in Luzern ermittelt als ausserordentlicher Staatsanwalt des Bundes gegen Sonderermittler Peter Marti.

Hat Peter Marti sein Amt missbraucht?

Zimmerli tut das seit dem 20. Dezember 2022 (zentralplus berichtete). Und er tut es in einer Geschichte, über die das Land seit Wochen spricht: die Corona-Leaks. Also jenes Kuddelmuddel aus Indiskretionen, Verfahren und unklaren Absichten, das allein in den letzten drei Wochen über 2'000 Presseartikel produziert hat.

Die Sache hat zu zwei Untersuchungen geführt (durch das Bundesamt für Informatik und Telekommunikation und durch eine Arbeitsgruppe der Geschäftsprüfungskommission des National- und Ständerats – zentralplus berichtete) sowie zur Einsetzung von drei Sonderermittlern: Einer soll klären, wie die geheimen Untersuchungsakten in einer Ermittlung gegen Peter Lauener, den früheren Kommunikationschef von Bundesrat Alain Berset, an CH-Media gelangten. Peter Marti, einst Bezirksanwalt, Zürcher Oberrichter und SVP-Kantonsrat, ermittelt in der Frage, wie «NZZ» und «Tages-Anzeiger» einen unveröffentlichten Bericht in der Untersuchung zur Zuger Crypto AG in die Finger kriegten (zentralplus berichtete). Und einer hat herauszufinden, ob Sonderermittler Peter Marti Amtsmissbrauch begangen hat, als er seine Crypto-Untersuchung ausweitete und Berset-Sprecher Lauener ins Visier nahm.

Dieser eine ist Stephan Zimmerli.

Stephan Zimmerli scheut die Öffentlichkeit

Wer ist dieser Mann, der einem pensionierten Richter nachjagt, den der «Tages-Anzeiger» den «scharfen Hund aus Winterthur» nannte? Wie tickt Zimmerli, der gegen einen der profiliertesten Juristen der Schweiz ermittelt? Einen, der als harter Strafverfolger berüchtigt ist?

Stephan Zimmerli, so viel ist sicher, ist ein Mensch, der die Öffentlichkeit scheut. Zumindest jetzt. Er wolle sich auf seine Arbeit fokussieren, daher müsse er «leider mitteilen», nicht für einen Artikel zur Verfügung zu stehen, schreibt er, als zentralplus ihn ein erstes Mal um ein Interview bittet. Auch schriftlich beantwortet er keine Fragen.

Die Zurückhaltung passt zum Bild eines Menschen, der darauf bedacht scheint, wenig von sich preiszugeben. Das zeigt Zimmerlis Präsenz in den sozialen Medien, wo ein Linkedin- und ein Xing-Profil im Wesentlichen wiedergeben, was auf der Website seiner Luzerner Advokatur über ihn steht. Dass er auf Straf- und Versicherungsrecht spezialisiert ist. Dass er an der Universität Bern doktoriert hat und für seine Dissertation mit dem Prädikat magna cum laude (mit grossem Lob) ausgezeichnet wurde. Und dass er dem Berner und dem Luzerner Juristenverein sowie dem Luzerner Anwaltsverband angehört.

Daneben ist Zimmerli – laut Telefonbuch verheiratet mit einer Seklehrerin, laut Facebook und Instagram Fan von Töffs und Rockmusik – Stiftungsratspräsident einer Pensionskasse im Kanton St. Gallen; Mitglied der Kirchenpflege Hergiswil und: einer von 19 gewählten amtlichen Verteidigern des Kantons Luzern.

Zimmerli verteidigte Spanier, der den Lebenspartner angezündet hat

In den letzten fünf Jahren vertrat er vor dem Luzerner Kriminalgericht sechs Beschuldigte, darunter einen Spanier, dem im August 2019 vorgeworfen wurde, seinen Lebenspartner mit Benzin übergossen und angezündet zu haben. Das Gericht verurteilte den Beschuldigten wegen versuchter vorsätzlicher Tötung zu vier Jahren Gefängnis. Das Bundesgericht bestätigte das Urteil vergangenen Februar. Stephan Zimmerli hatte einen Freispruch mangels Beweisen gefordert und vor Kriminalgericht argumentiert, mehrere Zeugenaussagen seien nicht verwertbar.

Im März 2021 verteidigte Zimmerli einen von drei Beschuldigten im Fall «Pro Integral», einer Organisation, die für 63 Millionen Franken ein Zentrum für Menschen mit Hirnverletzung bauen wollte (zentralplus berichtete). Die Staatsanwaltschaft hatte zwei Männern und einer Frau vorgeworfen, trotz Überschuldung der Firmengruppe die Bilanz nicht deponiert, den Konkurs verschleppt und damit Gläubiger geschädigt zu haben. Anstatt des von Zimmerli beantragten Freispruch, verurteilte das Gericht dessen Mandanten zu 90 Tagessätzen Geldstrafe bedingt wegen Misswirtschaft.

Die Branche schweigt

Die Anwälte, die im Fall «Pro Integral» die zwei anderen Beschuldigten vertraten, könnten berichten, wie sie Stephan Zimmerli erlebt haben. Doch keiner gibt Auskunft. Einer lässt eine Anfrage unbeantwortet, der andere schreibt zurück, er äussere sich nicht über Berufskollegen. Diese Haltung ist weit verbreitet im Luzerner Juristenkosmos. Zentralplus hat über 20 Personen kontaktiert und wollte Fragen stellen – zu Zimmerlis Wesen und Schaffen, aber auch zu den Herausforderungen, die sein Mandat mit sich bringt. Egal ob frühere Weggefährten, ehemalige Richterin, Anwälte oder Professor – die wenigsten reagierten. Und niemand wollte mehr sagen, als dass der 52-Jährige ein «absolut seriöser und hochqualifizierter Strafrechtsspezialist» sei – schon gar nicht mit Namen.

Das gilt auch für die Luzerner Anwältin Luzia Vetterli, die trotz Schweigens eine Verbindung zwischen Zimmerli und seinem Mandat als Sonderermittler darstellt. Gleich wie Zimmerli ist Vetterli amtliche Verteidigerin in Luzern; seit 2015 gehören beide einem Verein an, der den «Gedankenaustausch» und «verteidigungsspezifische Weiterbildung» der amtlichen Verteidiger zum Ziel hat.

Luzern-Connection in der Aufsichtsbehörde

Gleichzeitig ist Vetterli Mitglied der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) – jenes Gremiums, das Sonderermittler wie Stephan Zimmerli und Peter Marti einsetzt. Ausser zur ehemaligen Luzerner SP-Grossstadträtin hat Stephan Zimmerli zu keinem anderen Mitglied der Aufsichtsbehörde eine nachvollziehbare Beziehung. Dennoch bleibt unklar, ob die Luzern-Connection in der AB-BA Grund dafür ist, dass Stephan Zimmerli die wohl am stärksten beobachtete Untersuchung seit den Fifa-Ermittlungen übernommen hat. Die Behörde äussert sich auf Anfrage nicht dazu.

«Wer solche Mandate nur des Geldes wegen übernimmt, hat von vornherein eine falsche Arbeitsauffassung.»
Stefan Keller, ehemaliger Sonderermittler in der Fifa-Affäre

Sicher ist: Stephan Zimmerli steht auf einer Liste von rund 50 Personen, welche die AB-BA anfragt, wenn Bedarf nach Sonderermittlern besteht – ein unbeliebter Job, wie man aus Juristenkreisen hört, da er bei wenig Geld viel Aufwand und noch mehr Druck verspricht.

Der Obwaldner, der sich mit der Fifa anlegte

In der Vergangenheit haben immer wieder Zentralschweizer Juristinnen und Juristen Sonderermittlerposten angenommen. So im Fall des Bündner Baukartells oder in der Untersuchung der sogenannten «Schweizerhof-Affäre», den unprotokollierten Treffen zwischen Ex-Bundesanwalt Michael Lauber und Fifa-Präsident Gianni Infantino. Bis Mai 2021 hiess der ausserordentliche Staatsanwalt des Bundes in der Sache Stefan Keller, damals wie heute Obergerichtspräsident des Kantons Obwalden. «Wer solche Mandate nur des Geldes wegen übernimmt, hat von vornherein eine falsche Arbeitsauffassung», sagt er auf Anfrage.

Er habe Licht ins Dunkel bringen und den Beteiligten ein faires Verfahren bieten wollen: «Beides ist mir meines Erachtens gelungen», so Keller, der in Sachen Kommunikation das Gegenteil von Zimmerli war: Er informierte mehrmals in eigenen Medienmitteilungen über den Stand der Untersuchung und musste dafür Kritik einstecken.

Keller kennt die Schwierigkeiten und wünscht viel Glück

Im Mai 2021 hatte Keller seine Untersuchung abgegeben, nachdem ihm das Bundesstrafgericht auch aufgrund seiner offensiven Kommunikation Befangenheit unterstellt hatte (Keller: «in einem parteiischen, aber beim Bundesgericht nicht anfechtbaren Entscheid.»).

Eine Anzeige wegen Amtsgeheimnisverletzung verlief im Sand, da National- und Ständerat Kellers Immunität einstimmig nicht aufhoben. Noch heute sagt er, zwei grosse Medienhäuser hätten damals nicht unabhängig berichtet und hätten ihn mit «nachweislich falschen Vorwürfen» attackiert.

Die grosse Schwierigkeit in Zimmerlis Fall sei, dass ein Sonderermittler einen anderen Sonderermittler beurteile: «Der Spagat besteht darin, die Sonderermittlung Marti nicht zu behindern und gleichzeitig die Vorwürfe effizient zu untersuchen.»

Er kenne ihn zwar nicht, sagt Keller, dennoch wünsche er Stephan Zimmerli «viel Glück und Erfolg bei seiner anspruchsvollen Aufgabe». Eine Aufgabe, um die ihn wohl nur wenige beneiden. Und eine Aufgabe, von der man sich bei Sonderermittler Stephan Zimmerli sicher sein kann: Er will sie in Ruhe hinter sich bringen.

Verwendete Quellen
  • Medienmitteilung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements
  • Artikel im «Tages-Anzeiger»
  • Schriftlicher Austausch mit Stephan Zimmerli
  • Website von Stephan Zimmerlis Advokatur
  • Artikel im «Tages-Anzeiger»
  • Artikel von «CH Media»
  • Artikel in der «Republik»
  • Artikel in der «Republik»
  • Linkedin-, Xing-, Facebook- und Instagramprofil von Stephan Zimmerli
  • Angaben aus den Handelsregistern der Kantone Luzern und St. Gallen
  • Angaben von telsearch.ch
  • Website der Gemeinde Hergiswil
  • Liste amtlicher Verteidigerinnen und Verteidiger des Kantons Luzern
  • Gesuch um Urteilseinsicht beim Luzerner Kriminalgericht
  • Urteil 2O6 19 18 des Luzerner Kriminalgerichts
  • Artikel in der «Luzerner Zeitung»
  • Urteil 1Q6 20 84-86 des Luzerner Kriminalgerichts
  • Schriftliche und telefonische Anfragen an rund zwei Dutzend Personen, die im Text nicht zitiert und/oder nicht namentlich genannt werden
  • Telefonische Anfrage bei Luzia Vetterli
  • Artikel in der «Luzerner Zeitung», erschienen am 11. Februar 2015 (online nicht auffindbar)
  • Website der AB-BA
  • Schriftlicher Austausch mit dem Sekretariat der AB-BA
  • Artikel in der «Luzerner Zeitung»
  • Medienmitteilung der AB-BA
  • Artikel im «Tages-Anzeiger»
  • Schriftlicher Austausch mit Stefan Keller
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1 Kommentar
  • Profilfoto von Rudolf Schweizer
    Rudolf Schweizer, 06.02.2023, 09:44 Uhr

    Der Corona Blödsinn führt von einem Schwachsinn zum andern auf Kosten der Steuerzahler. Während des Lockdowns hat man dem geschunden Kleingewerbe 0% Kredite zur Überbrückung Schmackhaft gemacht, statt Mietzinserlasse um zu setzten. Die Kredite müssen dann und wann wieder zurück bezahlt werden. Mit dem geschaffenen Krieg in der Ukraine wurden die Rohstoffe künstlich eingeschränkt zum künstlichen Gewinn der Rohstoffhändler. Statt das man hier einen Sonderermittler einsetzt, setzt man ihn dann für den Schwachsinn des Bundes ein. Mit dem überteuerten Einkauf von Schutzmasken und Corona Impfstoffen die man dann wiederum in der Müllverbrennungsanlage entsorgt, erhöht man dann die Krankenkassenprämienlast der Kleinen, kommen dann noch die Umstände dazu das z.B. Regierungsrat Guido Graf CVP Luzern den Lohn für den Verwaltungsratspräsidenten für einen 50% Job um 56 % erhöht, statt das der Sonderermittler hier eingesetzt wird, setzt man ihn für den grössten Schwachsinn des 21. Jahrhunderts ein.

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