Damit der Vater in die Wohnung kann, muss Nachbar Ja sagen
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Ein skurriler Nachbarschaftsstreit beschäftigt die Zuger Justiz. Es geht um eine neue Wohnung, die nur über das Nachbarschaftsgrundstück zugänglich ist. Und die Frage, wie leichtfertig der Bau ebenjener war.
Heiliges Gut ist das Land, welches innerhalb der eigenen Gartenzäune liegt. Wehe dem, der den Garten unbefugt betritt – selbst wenn es nicht anders geht.
Ob es nicht anders geht, das ist eine Frage, die derzeit die Zuger Justiz beschäftigt. Die Streitparteien: zwei Nachbarn in einer Zuger Gemeinde. Sie stritten sich bereits vor dem Kantonsgericht und nun in zweiter Instanz vor dem Obergericht. Es geht dabei um ein sogenanntes Durchgangsrecht und die Frage, ob Nachbar 1 das Grundstück von Nachbar 2 betreten darf.
Wohnung gebaut in der Hoffnung, alte Abmachung gilt noch
Worum geht es konkret? Seit 2020 wohnen die beiden Streitparteien nebeneinander. Die einen wohnen schon etwas länger an der Strasse. Im Sommer 2020 kauften die anderen das Haus auf der Parzelle nebenan. Die Vorbesitzer der beiden Grundstücke hatten 1998 miteinander abgemacht, dass für das eine Grundstück ein Durchgangsrecht besteht, also dass der eine Nachbar durch den Garten des anderen zu seinem Haus darf. Solche Rechte gibt es oft, wenn ein Haus nur über das Nachbargrundstück zugänglich ist.
In der Zuger Gemeinde war es nun der Fall, dass Nachbar 1 das neu gekaufte Haus umbauen liess. Ursprünglich hatte es zwei Wohnungen drin. Nun kam eine dritte dazu – gedacht für den Vater von Nachbar 1, damit dieser nahe bei den Enkeln und der Familie wohnen kann. Der Weg dazu führte teilweise über das Nachbarschaftsgrundstück. Alles kein Problem, dachte sich Nachbar 1 wohl, schliesslich gebe es ja die Abmachung der Vorbesitzer von 1998, und eine solche Abmachung könne man ebenfalls wieder neu treffen.
Überraschung, Empörung, Gang vor Gericht
Wie es in einem Urteil des Obergerichts heisst, hätte es zwar im Haus selbst noch eine Verbindung von der Wohnung des Familienältesten in die anderen Wohnungen gegeben – diese zu benutzen, würden die Bewohner des Hauses aber für «unzumutbar» befinden – warum genau, das steht nicht im Urteil.
Es folgte schliesslich die Überraschung, als Nachbar 2 plötzlich die Benützung des Durchgangswegs auf seinem Grundstück verwehrte und das Wegrecht kündigte. Das Durchgangsrecht konnte mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten aufgelöst werden. Eine neue Abmachung gibt es nur unter Auflagen.
Auf die Überraschung folgte die Empörung und schliesslich der Gang vor Gericht. Nachbar 1 stützte sich dabei auf eine angebliche mündliche Zusicherung von Nachbar 2, dass er dessen Grundstück betreten dürfe, Nachbar 2 wiederum pochte darauf, dass sein Nachbar einen zweiten Zugang zur Wohnung schaffe – dann könne man schon wieder über ein Wegrecht diskutieren.
Das aber wollte Nachbar 1 nicht. Ein Zugang zur Wohnung des Vaters von der anderen Seite wäre für diesen gar nicht nutzbar. Die Kündigung des Durchgangsrechts sei «schikanös und rechtsmissbräuchlich».
Weg zur Wohnung nur über Nachbargarten? Selbst schuld, findet Gericht
Das Kantonsgericht, als erste Instanz, sah dies aber anders. Selbst schuld, wenn ihr eine Wohnung baut, die nur über das Nachbarschaftsgrundstück zugänglich sei, befand dieses vereinfacht zusammengefasst. Damit hätte Nachbar 1 selbst für eine verzwickte Situation gesorgt und nicht einfach davon ausgehen können, dass das Durchgangsrecht weiterhin gelte. Somit sei die Kündigung dessen auch nicht rechtsmissbräuchlich.
Dagegen wehrte sich Nachbar 1 vor dem Zuger Obergericht. Es ging ihm dabei darum, dass er keineswegs «leichtfertig» selbst die Situation herbeigeführt habe. «Sie würden daran glauben und darauf vertrauen, dass ihre Mitmenschen – speziell diejenigen, zu denen sie ein gutes Vertrauensverhältnis pflegten – ihnen wohlwollend begegnen und sich an das gesprochene Wort halten würden. Die Welt sei im Übrigen – gerade in gut nachbarschaftlichen Verhältnissen – voll von Nutzungen, die nicht dinglich abgesichert seien» zitiert das Obergericht den Nachbarn aus der Berufung.
Leichtfertig, oder nicht? Eigentlich egal
Nun hat auch das Obergericht ein Urteil gefällt. Dabei ging es auch um ein sogenanntes Notwegrecht. Dies kann beantragt werden, wenn es wirklich gar keinen anderen Weg zu einer Liegenschaft gibt als jenen über ein fremdes Grundstück. Ein solches könne aber nicht geltend gemacht werden, befand die zweite Instanz im rechtskräftigen Urteil. Weiter sieht sie es gleich wie das Kantonsgericht. Nachbar 1 habe die Wegnot selbst herbeigeführt, ob leichtfertig oder nicht, sei dabei erst mal völlig egal.
Somit bleiben dem Kläger nur die Gerichtskosten von gut 4000 Franken. Entweder kann er nun versuchen, doch noch ein Durchgangsrecht mit dem Nachbarn zu verhandeln, oder aber irgendwie nach einem anderen Zugang zur Wohnung des Vaters suchen.
- Urteil Obergericht Zug