Er setzte eigenmächtig neuen Arbeitsvertrag auf

CEO verursachte Turbulenzen bei Zuger Blockchain-Firma

Der CEO einer Blockchain-Firma aus Zug soll versucht haben, seinen digital hinterlegten Arbeitsvertrag zu löschen und zu ersetzen. (Bild: Pixabay)

Das Obergericht muss sich mit einem Fall auseinandersetzen, dem die Staatsanwaltschaft zu wenig Beachtung geschenkt hat. Der Chef einer Blockchain-Firma aus Zug wollte dem Verwaltungsrat einen Arbeitsvertrag unterjubeln, der nur ihm Vorteile gebracht hätte.

Pippi Langstrumpf ist nicht nur das Vorbild vieler Kinder – das stärkste Mädchen auf Erden muss auch den CEO einer Zuger IT-Firma nachhaltig geprägt haben. Wie die beliebte Figur aus Astrid Lindgrens Geschichten machte nämlich auch er sich die Welt, «Widdewiddewitt» wie sie ihm gefällt.

Konkurrenzverbot im Arbeitsvertrag? Doof. Deine Arbeit bleibt geistiges Eigentum deiner Firma? «Spunk!» – Davon wollte der Mann nichts mehr wissen, der bis 2020 CEO des Unternehmens war, das sich auf die Blockchain-Technologie spezialisiert hat. Kurzerhand löschte er den bestehenden, nur elektronisch gespeicherten Arbeitsvertrag. Danach griff selber in die Tasten – und setzte «widdewiddewitt» einen Neuen nach seinem Gusto auf.

Der Versuch scheitert – dank der Aufmerksamkeit eines Kollegen

Er beauftragte die HR-Verantwortliche, diesen von einer weiteren zeichnungsberechtigten Person unterschreiben zu lassen. Vielleicht hatte er die Hoffnung, diese würde nicht so genau hinsehen? Falsch gedacht. Dem Kollegen stach sofort ins Auge, dass die Vertragsbedingungen sehr zu Ungunsten der Firma abgeändert wurden – und verweigerte die Unterschrift.

Die Sache hat nun eine strafrechtliche Komponente. Das IT-Unternehmen zeigte seinen CEO an. Wegen versuchter ungetreuer Geschäftsführung, Datenbeschädigung und Unterdrückung von Urkunden.

Fragwürdige Anweisung an die Personalchefin der Blockchain-Firma aus Zug

Von den Vorwürfen wollte der Mann nichts wissen. Er behauptete, er habe lediglich Ordnung schaffen und ausmisten wollen. Nie habe er beabsichtigt, die alten Veträge zu löschen. Tatsächlich konnte er das ohnehin nicht, weil er nicht über die entsprechenden Adminstratorenrechte verfügte.

Aber: Als er das merkte, wies er die Head of HR telefonisch an, die Löschung vorzunehmen – sagt jedenfalls die Verantwortliche. Der ehemalige CEO streitet das ab und macht zudem geltend, dass er ja gar nicht autorisiert gewesen wäre, der Personalchefin Derartiges in Auftrag zu geben.

Das mag sein. Aus Sicht der Firma hat er damit aber trotzdem einen Versuch unternommen, die Daten zu beschädigen.

Das Obergericht Zug glaubt nicht an ein Missverständnis

Was den Arbeitsvertrag angeht, so behauptet der ehemalige CEO, dieser habe lediglich «Vorschläge» enthalten, wie er sich sein künftiges Arbeitsverhältnis vorstelle. Es sei ein Fehler der Personalchefin gewesen, den Vertrag dem weiteren Zeichungsberechtigen zur Unterschrift vorzulegen.

Ist das glaubhaft? Die Zuger Staatsanwaltschaft war der Meinung, dass sie ihm das Gegenteil nicht beweisen könnte. Das Obergericht hingegen scheint ein Pippi-Langstrumpf-Muster in der Argumentation des Mannes zu erkennen. Wie sagt sie in dem Kinderbuch so schön? «Ich lüge so, dass meine Zunge schwarz wird, hörst du das nicht? Du musst doch merken, dass das gelogen ist.»

Im Zweifel muss Anklage erhoben werden

Das Obergericht jedenfalls schenkt dem Mann keinen Glauben. Es ist davon überzeugt, dass der Mann aufgrund seiner Stellung als CEO «ohne Weiteres» davon ausgehen durfte, dass die Personalchefin seine Anweisungen befolgen und seinen Arbeitsvertrag löschen würde. In den Akten befindet sich zudem eine Nachricht, in der explizit die Rede davon ist, dass der neue Arbeitsvertrag «zur Unterschrift» vorbereitet werden sollte.

Seinen Ausflug in die Pippi-Langstrumpf-Welt könnte der Mann demnach noch einiges kosten. Das Obergericht hebt den Entscheid der Staatsanwaltschaft auf, das Verfahren einzustellen. Heisst: Die Untersuchungsbehörden müssen nochmals über die Bücher – und im Zweifelsfall Anklage gegen den Mann erheben.

Dass ausgerechnet die Blockchain-Firma aus Zug beinahe Opfer einer Manipulation an einem digitalen Vertrag geworden wäre, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Geht es bei dieser Technologie doch unter anderem darum, Verträge fälschungssicher abzuschliessen und digital zu unterlegen.

Wie ist dieser Artikel entstanden?

Das Obergericht des Kantons Zug veröffentlicht seine Entscheide im Internet. Die Datenbank wird seit dem 1. Januar 2022 aufgebaut und enthält inzwischen Hunderte von anonymisierten Gerichtsentscheiden.

Die Zuger Justiz kommt mit der Publikation ihrer Entscheide einem von der Öffentlichkeit zunehmend geäusserten Wunsch nach einer grösseren Transparenz in der Zuger Zivil- und Strafrechtsprechung nach. Heisst: Du kannst dir dort jederzeit selber ein Bild machen, wie die Rechtsprechung im Kanton funktioniert und wie die Entscheide zustande kommen. Einen guten Überblick diesbezüglich bietet dir aber auch die Berichterstattung von zentralplus.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von RA lic.iur. Marc Fischer
    RA lic.iur. Marc Fischer, 20.12.2022, 13:58 Uhr

    «Die Zuger Justiz kommt mit der Publikation ihrer Entscheide einem von der Öffentlichkeit zunehmend geäusserten Wunsch nach einer grösseren Transparenz in der Zuger Zivil- und Strafrechtsprechung nach.»

    Nein, das Gericht ist gemäss Art. 30 Abs. 3 der Schweizerischen Bundesverfassung dazu verpflichtet. Vgl. dazu auch der Bundesgerichtsentscheid (BGE) 134 I 286.

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    • Profilfoto von Lena Berger
      Lena Berger, 20.12.2022, 14:28 Uhr

      Urteile sind grundsätzlich öffentlich – das stimmt. Relativ neu ist – und darauf bezieht sich der Satz – dass das Obergericht seine online Entscheide anonymisiert publiziert. Dazu ist es meines Wissens nicht verpflichtet. In Luzern beispielweise können die Entscheide des Kantonsgerichts nur vor Ort und unter Aufsicht im Öffentlichkeitsordner eingesehen werden.

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