Deutscher Medienanwalt eingeschaltet

Buch über Landammannfeier: Vertriebspartner zieht sich zurück

Dass das Buch über die Landammannfeier in den Buchhandelt kommt, hat Jolanda Spiess-Hegglin vorerst abgewendet – die Buchvernissage im Zürcher Kaufleuten findet dennoch statt. (Bild: Emanuel Ammon / Aura / ber)

Die Kontroverse um das Buch über die Zuger Landammannfeier 2014 schwappt über die Landesgrenzen hinaus. Michèle Binswangers Vertriebspartner aus Deutschland lässt die Veröffentlichung vorerst ins Wasser fallen.

Das Drama um das «umstrittenste Buch der Schweiz», wie «CH Media» das Buch von Michèle Binswanger bezeichnet, ist um ein Kapitel reicher. Letzte Woche noch hatte die Journalistin die Publikation angekündigt und einen Termin für die Buchvernissage angesetzt (zentralplus berichtete). Nun gibt sie auf Twitter bekannt, dass es einen «neuen Versuch» gebe, das Buch «Die Zuger Landammann-Affäre» zu verhindern.

Was ist passiert? Wie Binswanger am Sonntag twitterte, sei bei ihr ein Schreiben des deutschen Medienanwalts Ralf Höcker eingetroffen. Am Montag dann gab sie bekannt, das Buch sei «wegen Drohungen» aus dem Verkauf genommen worden.

Online-Shop rudert im Eiltempo zurück

Tatsächlich ist das Buch aus dem Online-Shop «Tredition» verschwunden, über welchen Binswanger das Buch vertreiben wollte. Noch bis Freitag war auf der Website eine Leseprobe mit dem Inhaltsverzeichnis und dem Vorwort zu finden. «Nach einer anwaltlichen Drohung der deutschen Anwaltskanzlei von Ralf Höcker hat Tredition beschlossen, es vorerst aus dem Vertrieb zu nehmen», bestätigt die Autorin dazu auf Anfrage von zentralplus. «Die deutschen Anwälte gehen zwar auf die bisher erfolglosen Gerichtsverfahren gegen das Buch ein, aber drohen dennoch.»

Die Landammannfeier und das Buchprojekt
Was in der Nacht der Zuger Landammannfeier 2014 geschehen ist, konnte nie geklärt werden. Klar ist, dass Jolanda Spiess-Hegglin danach Unterleibsschmerzen hatte, das Spital aufsuchte und dieses die Strafbehörden wegen eines mutmasslichen Sexualdelikts einschaltete. Das Verfahren richtete sich im Verlauf der Ermittlungen gegen den damaligen SVP-Kantonsrat Markus Hürlimann. Der Verdacht liess sich jedoch nicht erhärten, weshalb das Verfahren eingestellt wurde. Die beiden Parteien – Spiess-Hegglin und Hürlimann – stellten danach Strafanzeigen gegeneinander wegen des Verdachts auf üble Nachrede und Verleumdung. Beide Verfahren wurden von der Staatsanwaltschaft eingestellt. Ein Entscheid, den das Obergericht Zug am 18. August 2017 bestätigte. Die Journalistin Michèle Binswanger hat angekündigt, dass es in ihrem Buch um Hürlimanns Seite der Geschichte geht – sowie um das Verhalten von Medien, Politik und Justiz. Jolanda Spiess-Hegglin versuchte bis vor Bundesgericht erfolglos, das Projekt zu stoppen, bevor das Manuskript vorlag. Noch hängig ist nun eine Unterlassungsklage.

Binswanger nimmt keine Stellung dazu, mit welcher offiziellen Begründung sich «Tredition» aus dem Vertrieb zurückzieht. Auch die Frage, ob sie die Plattform vorgängig über das noch laufende Gerichtsverfahren informiert hat, lässt sie unbeantwortet. Es handelt sich dabei um eine Unterlassungsklage, die Jolanda Spiess-Hegglin eingereicht hatte, um die Veröffentlichung des Buchs zu verhindern (zentralplus berichtete).

Der bekannteste Medienanwalt Deutschlands

Die ehemalige Zuger Kantonsrätin bestätigt auf Anfrage, dass sie mit Ralf Höcker den wohl bekanntesten Medienanwalt Deutschlands mandatiert hat. Höcker hatte schon den Schweizer Wetterexperten Jörg Kachelmann im Zusammenhang mit einer vorverurteilenden Berichterstattung vertreten. Weiter war er der Anwalt des türkischen Präsidenten Recep Erdoğan in einem Verfahren gegen ein Vorstandsmitglied des Axel Springer Verlag.

«Wir haben den Tredition über die rechtliche Situation und die laufenden Gerichtsverfahren informiert.»

Jolanda Spiess-Hegglin über das Buch

Jolanda Spiess-Hegglin betont, dass sie keineswegs mit einer superprovisorischen Verfügung versucht habe, das Buch zu verhindern, wie dies der sonntägliche Tweet von Binswanger vermuten lassen könnte. «Wir haben den Tredition über die rechtliche Situation und die laufenden Gerichtsverfahren informiert. Weiter teilten wir mit, welche Auswirkungen eine Veröffentlichung auf mich und meine Familie hätte», sagt sie auf Anfrage.

Michèle Binswanger gibt nicht auf

Bereits dem in der Leseprobe enthaltenen Inhaltsverzeichnis sei zu entnehmen, dass in dem Buch persönlichkeitsverletzende Passagen enthalten seien. Eines der Kapitel heisst beispielsweise «Die Sache mit der Gebärmutter». Jolanda Spiess-Hegglin ist davon überzeugt, dass es intimste Details enthalten wird, die ihre Privatsphäre betreffen.

«Ich kann dazu nur sagen, dass ich das Buch auch über den Buchhandel vertreiben werde.»

Journalistin Michèle Binswanger

Die Recherche über die Zuger Landammannfeier 2014 wird vorerst also doch nicht in den Buchhandel kommen. Die angekündigte Vernissage im Zürcher Kaufleuten findet aber statt – und Michèle Binswanger hat inzwischen einen eigenen Webshop ins Leben gerufen. «Auch ein E-Book ist in Vorbereitung», kündigt sie an. Auf die Frage, ob sie mit «Tredition» noch in Verhandlungen steht, schreibt Binswanger: «Ich kann dazu nur sagen, dass ich das Buch auch über den Buchhandel vertreiben werde.»

Ihren Eigenverlag hat Binswanger übrigens «Truth Publications» genannt. Es handelt sich dabei nicht um den gleichnamigen Bibel-Verlag aus den USA, wie zentralplus letzte Woche aufgrund der damals verfügbaren Informationen spekulierte (zentralplus berichtete).

«Gut recherchiert», meint CH Media – ohne selber zu recherchieren

Unabhängig von den Querelen um die Veröffentlichung des Buches haben inzwischen Medien wie «CH Media» Rezensionsexemplare erhalten – nicht aber zentralplus. Das Werk sei «gut recherchiert und mit Aussagen aus den Verfahrensakten dokumentiert», schreibt die stellvertretende Chefredaktorin der Zentralredaktion.

Um ihre lobenden Worte zu begründen, übernimmt die Rezensentin ein Zitat aus einem Urteil des Zuger Obergerichts vom 18. August 2017, das «bislang unbekannt» gewesen sei und offenbar im Buch Verwendung findet. Demzufolge habe Jolanda Spiess-Hegglin Aussagen gemacht, die «den Eindruck erwecken» Markus Hürlimann «habe an ihr ein Sexualdelikt begangen, aber man könne es nicht beweisen. Einen Nichtbeschuldigten eines Delikts zu bezeichnen, ist ehrverletzend.»

Verfahren gegen Spiess-Hegglin wegen Verleumdung eingestellt

Das Zitat ist allerdings aus dem Zusammenhang gerissen. Inhaltlich geht es in diesem Entscheid um eine Strafanzeige von, nicht gegen Jolanda Spiess-Hegglin und die Frage, ob sich Markus Hürlimann einer Ehrverletzung schuldig gemacht hat, in dem er die ehemalige Kantonsrätin einer Verleumdung bezichtigte.

Offensichtlich lag der CH-Media-Journalistin die Originalquelle nicht vor. Ansonsten hätte sie erkannt, dass das Gericht in dieser Passage begründet, warum Hürlimann zunächst in gutem Glauben davon ausgehen durfte, dass sich Jolanda Spiess-Hegglin der Verleumdung schuldig gemacht haben könnte. Das hat sie gemäss Obergericht aber gerade nicht.

Denn exakt am gleichen Tag – nämlich ebenfalls dem 18. August 2017 – bestätigte das Obergericht in einem zweiten Urteil eine Einstellungsverfügung im Verfahren gegen Jolanda Spiess-Hegglin. Das heisst: Die beiden hatten sich zwar gegenseitig wegen Ehrverletzung angezeigt, wurden aber beide nicht verurteilt.

Verwendete Quellen
  • Tweet von Michèle Binswanger zum Schreiben von Ralf Höcker
  • Tweet von Michèle Binswanger zur Ankündigung, das Buch sei aus dem Verkauf genommen worden
  • Mailaustausch mit Michèle Binswanger
  • Online-Shop der Vertriebsplattform «Tredition» für Self-Publisch-Bucher
  • Archiv: Interview mit Ralf Höcker in der «NZZ»
  • Telefonat mit Jolanda Spiess-Hegglin
  • Leseprobe aus dem Buch: «Die Zuger Landammann-Affäre. Eine Recherche» (nicht mehr online)
  • Webshop von Michèle Binswanger
  • Artikel von «CH Media» über das Buch
  • Zwei Urteile des Obergerichts Zug vom 18. August 2017
  • Bitte um Rezensionsexemplar (unbeantwortet)
  • Medienanfrage an «Tredition» (unbeantwortet)
  • Nachfrage beim Kaufleuten, ob die Vernissage stattfindet
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11 Kommentare
  • Profilfoto von Peter Bitterli
    Peter Bitterli, 31.01.2023, 13:13 Uhr

    Es waren ja die Schreibenden von „Z+“, die das Zeug erst aufgebracht haben. Als Kompensation unterdrücken sie jetzt Meinungen zum Thema. Humoristische notabene.

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    • Profilfoto von Hans Peter Roth
      Hans Peter Roth, 31.01.2023, 14:34 Uhr

      Ihre Kommentare sind nur lustig, wenn man dem Nihilismus einen tieferen Sinn abgewinnen kann. 😄

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      • Profilfoto von Peter Bitterli
        Peter Bitterli, 31.01.2023, 18:27 Uhr

        Wieso Nihilismus? Ich bin nicht Marxist.

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  • Profilfoto von sandra.stalder
    sandra.stalder, 31.01.2023, 12:42 Uhr

    Danke für den Bericht. Ich finde Frau Biswangers Recherchen bisweil immer spannend.
    @zentral+ die videowerbung die aufpoppt beim lesen eines artikels ist sehr nervig! Diese verdirbt einem komplett den lesespass.

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  • Profilfoto von Roland Schygulla
    Roland Schygulla, 31.01.2023, 11:48 Uhr

    Das Buch ist hervorragend recherchiert, ich habe es von der ersten bis zur letzten Silbe gelesen. Wer hier der Binswanger noch ihre Fähigkeiten als Journalistin abspricht, macht sich zum Gespött.

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    • Profilfoto von tore
      tore, 02.02.2023, 16:48 Uhr

      «Die Binswanger» heisst übrigens Michèle Binswanger. An den journalistischen Fähigkeiten zweifelt wohl niemand. Aber trotzdem – woran machen Sie fest, dass Frau Binswanger hervorragend recherchiert hat? Sind die Quellen aufgelistet?

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      • Profilfoto von Roland Schygulla
        Roland Schygulla, 04.02.2023, 01:00 Uhr

        Ja.

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  • Profilfoto von mebinger
    mebinger, 31.01.2023, 11:26 Uhr

    Mir geht es nicht um das Buch, aber eine solche alleinige Deutungshoheit, wie sich Jolanda Spiess-Hegglin anmasst passt mir nicht

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    • Profilfoto von Catrin Candeia
      Catrin Candeia, 02.02.2023, 09:48 Uhr

      Jolanda Spiess-Hegglin schützt nur ihre Persönlichkeitsrechte und die ihrer Familie. Sie hat nie jemanden beschuldigt, sie wurde selber Opfer einer medialen Kampagne. Ich bewundere sie für ihren unermüdlichen Kampf gegen Verleumdung. Hoffentlich gelingt es ihr zu verhindern, dass diese Journalistin auf ihre Kosten Geld verdient. Ein unwürdiges Spiel.

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  • Profilfoto von Roli Greter
    Roli Greter, 30.01.2023, 22:33 Uhr

    Das Buch kann übrigens direkt bei der Autorin bestellt werden.

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  • Profilfoto von Thea Götte
    Thea Götte, 30.01.2023, 18:43 Uhr

    Hört dieses Thema denn wirklich nie auf?

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