Freispruch, weil Bank Betrugsversuch hätte merken müssen
Vor dem Luzerner Kriminalgericht fand kürzlich ein aussergewöhnlicher Prozess um einen mutmasslichen Betrug statt. (Bild: Adobe Stock)
Ein Luzerner Geschäftsmann soll einen Covid-Kredit von 1,5 Millionen Franken erschlichen haben. Vor Gericht wurde er des Betrugs freigesprochen. Denn: Die Bank soll gepfuscht haben.
Mehr als ein Betrüger machte sich die Pandemie zunutze, um die Covid-Kredite des Bundes und der Kantone für andere Zwecke einzustreichen oder sich daran zu bereichern. Die Strafverfolgungsbehörden haben immer noch alle Hände voll zu tun, ihnen habhaft zu werden und sie vor Gericht zu bringen.
Der Fall, der kürzlich vor dem Luzerner Kriminalgericht verhandelt wurde, ist aber aussergewöhnlich. Im Fokus: Ein 82-jähriger, «erfahrener» Geschäftsmann, wie ihn die Staatsanwaltschaft bezeichnet. Er soll für drei Firmen seiner Gesellschaft ungerechtfertigte Covid-Kredite in der Höhe von total 1,5 Millionen Franken beantragt haben. Der Prozess nahm aber eine unerwartete Wendung.
Weiterlesen, sonst verpasst du:
wo der Geschäftsmann laut Staatsanwaltschaft betrogen haben soll
wieso ihn das Gericht aber trotzdem des Betrugs freispricht
was die Bank alles gewusst haben soll
Aber von vorne: Anfang 2020. Die Wirtschaft serbelt vor sich hin, pandemie- und lockdownbedingt. Zig Firmen bangen um ihre Existenz und brauchen Staatshilfe (zentralplus berichtete). So auch die IT-Firma des Beschuldigten aus Luzern. Es handelt sich dabei um eine Holding mit drei Tochterfirmen, eine davon in Indien, die Softwarelösungen auf den Markt bringt.
Der Beschuldigte war zu dem Zeitpunkt jeweils Verwaltungsrat oder Geschäftsführer der drei Firmen. Um über die Runden zu kommen, beantragt er drei Covid-Kredite und reizt dabei das Mass des Möglichen aus. Dreimal 500’000 Franken will er – total 1,5 Millionen Franken.
Umsatz viel zu hoch?
Wie ihm die Staatsanwaltschaft aber vorwirft, soll er gar keinen Anspruch darauf gehabt haben. Denn die Firmen machten viel weniger Umsatz, als er angegeben hatte, oder waren teils gar nicht operativ tätig, womit er auch keinen Anspruch hätte. Statt eineinhalb Millionen hätte er höchstens einige Hunderttausend Franken beantragen können, heisst es in der Anklage.
Die Bank zahlte aber aus. Der Fall flog schliesslich auf und landete vor dem Luzerner Kriminalgericht. Die Vorwürfe: mehrfacher Betrug und mehrfache Urkundenfälschung.
Dabei stritt der Geschäftsmann gar nie ab, dass die Angaben auf den Formularen falsch waren. Nur soll alles ein grosser Irrtum gewesen sein. Und: Die Bank habe ihren Anteil daran gehabt.
Das soll die Bank gewusst haben
Wie er behauptet, habe die Bank genau gewusst, wie es um die Bücher, den Geschäftsgang sowie die Struktur der drei Firmen steht.
Seit über 20 Jahren bestehe die Geschäftsbeziehung. Er gehe regelmässig mit seinen Kundenberatern Mittagessen und werde bei der Bank als VIP geführt. Als die Pandemie kam, sei ihm von diesen geraten worden, für alle drei Firmen je 500’000 Franken zu beantragen.
Dass er auf den Formularen falsche Angaben gemacht hatte, liege daran, dass er zu dem Zeitpunkt unter Medikamenten und Antidepressiva gestanden habe, die Dokumente teils missverstanden habe oder schlicht das Kleingedruckte nicht habe lesen können.
Diese Fehler, bezüglich Umsatzes etwa, hätten den Bankmitarbeiterinnen aber auffallen müssen. Schliesslich hätten sie die Gesellschaft gut gekannt, argumentiert der Beschuldigte. Die Bank habe aber nicht reagiert und die Kredite ausbezahlt. Erst als er einen Teil des Geldes in eine andere Tochterfirma verschoben hatte – was nicht erlaubt war – intervenierte die Bank.
Gericht gibt Beschuldigten recht – Strafe gibt es trotzdem
Das Luzerner Kriminalgericht kann der Argumentation folgen, wie aus einem neu publizierten Urteil hervorgeht. Zwar sei nicht erwiesen, dass der Kundenberater des Geschäftsmannes diesem zu den drei Krediten geraten hatte.
Es sei aber erstellt, dass zwischen der Bank und der Firma eine langjährige Geschäftsbeziehung bestand. Die internen Unterlagen der Bank zeigten, dass sie sowohl über die Struktur der Gesellschaft als auch über ihre Finanzen Bescheid wusste.
Demnach lagen laut Gericht Informationen vor, aufgrund deren die Bankmitarbeiterinnen hätten erkennen können, dass die Angaben auf dem Kreditgesuchformular unwahr waren. Es könne nicht zweifellos ausgeschlossen werden, dass der Kundenberater um die Falschheit der deklarierten Angaben gewusst und sich trotzdem für die Gewährung des Kredits eingesetzt hat, schreibt das Kriminalgericht.
Somit könne auch nicht mehr von einer Täuschung ausgegangen werden. Der Beschuldigte sei somit vom Vorwurf des Betrugs freizusprechen.
Deswegen muss Beschuldigter trotzdem bezahlen
Nicht davonkommen lassen will es den Beschuldigten aber bezüglich des Vorwurfes der Urkundenfälschung. Dass er unter Medikamenten gestanden habe und nicht urteilsfähig gewesen sei sowie die Dokumente missverstanden habe, sei eine Schutzbehauptung.
Das Kriminalgericht verurteilt den 82-Jährigen somit zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 100 Franken – total 15’000 Franken. Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig. Es wurde Berufung angemeldet.
Schreibt gerne über harte Fakten und skurrile Aufreger. Seit über zehn Jahren Journalist bei Online, Print und Fernsehen. Für zentralplus schreibt der Wahl-Luzerner seit 2024.