Gegner sind plötzlich Pro-Podium

Jürg Messmer: «Ich stehe hinter dem Podium 41»

Das Podium 41: für die einen ein offener Ort mit sozialer Funktion, für die anderen ein rechtsfreier Raum und eine «Drogenhölle».

Warum muss die Stadt Zug am 29. November eigentlich noch abstimmen? An der «kontroversen» Podiumsdiskussion waren sich plötzlich alle einig, dass es den sozialen Treffpunkt braucht. Man könne das Podium 41 ja auch nach einem Ja zum Referendum weiterführen, der Stadtrat habe bestimmt einen Plan B, sagt SVP-Gemeinderat Jürg Messmer. Der allerdings widerspricht.

An der Abstimmung vom 29. November geht es um die Zukunft einer sozialen Institution, die heuer 25 Jahre alt geworden ist. Bei einem Ja wird das Podium 41 weiterhin unterstützt. Bei einem Nein, wird die Stadt ihre Beiträge streichen – das Podium muss wohl dicht machen.

Befürworter in der Mehrheit

Zirka 80 Personen kamen am Freitagabend an die kontradiktorische Podiumsdiskussion in den Burgbachsaal (siehe Bildergalerie unten). Dem Klatschen nach zu urteilen, waren die Unterstützer der sozialen Institution in der Mehrheit.
Die anwesenden Vertreter des Referendumskomitee aus SVP- und FDP-Kreisen hatte einen schweren Stand. Sie betrieben auffallend wenig Podium-41-Bashing. Ihre Argumentationen wurden aber gegen Schluss immer eigenartiger.

«Ihr seid mit eurem Referendum weit übers Ziel hinausgeschossen», sagte Karen Heather Umbach (Gemeinderätin, FDP), welche das Pro-Komitee vertrat, zum Schluss. Jürg Messmer (Gemeinderat, SVP): «Ein halbes Referendum wäre wohl besser gewesen. Aber man konnte den Beschluss nur als Ganzes bekämpfen.» Er sei ja nicht für die Schliessung des Podiums.

Eine halbe Million Einnahmen jährlich

Darum gehts

Am 29. November stimmt die Stadtzuger Bevölkerung darüber ab, ob die Stadt der GGZ für die nächsten vier Jahre einen Betriebszuschuss von 335'000 Franken fürs Podium sprechen soll, oder nicht. Der Grosse Gemeinderat (GGR) hatte diesen Zuschuss in der Debatte beschlossen, allerdings ergriff ein überparteiliches Komitee, ein Referendum. Dem Komitee gehört die vollständige SVP-Fraktion im GGR und einzelne FDP-Gemeinderäte an. Nun kommt die Vorlage am 29. November zur Urnenabstimmung.

Aber von Anfang an. Peter Fehr, Geschäftsführer der Gemeinnützigen Gesellschaft Zug (GGZ), die das Podium 41 im Auftrag der Stadt betreibt, erläuterte die soziale und gesundheitliche Funktion des Gastrobetriebs mit einem Fokus auf Randständige.

Gemäss Fehr erwirtschaftet der Restaurationsbetrieb mit Essen und Getränken jährlich Einnahmen von einer halben Million Franken. «Wir haben einen Eigenfinanzierungsgrad von über 60 Prozent. Das darf man nicht vergessen bei der Diskussion um die Frage, ob 335’000 Franken jährlich ein grosser Betrag ist oder nicht», so Fehr. Harte Alkoholika gehörten im übrigen nicht zum Angebot.

«Hausordnung kein Papiertiger»

Das Podium hätte nicht so viele externe Gäste – laut Fehr rund die Hälfte der Besucher –, wenn es eine offene Drogenszene und offene Gewalt im Podium gäbe, wie die Gegner behaupteten. «Wenn dem so wäre, würde die GGZ das Podium gar nicht führen.»

Fehr äusserte sich auch zu den Regeln der Hausordnung bezüglich Drogen. Der Konsum von illegalen Drogen (inklusive Cannabis) sei gesetzlich verboten und könne von der Polizei gebüsst werden. Beim Konsum harter Drogen verhänge die GGZ ein Hausverbot. «Die Hausordnung ist kein Papiertiger», meinte Fehr.

«Ich bin selbst ein strammer Bürgerlicher, aber vielleicht habe ich ein wenig mehr Herz.»

Peter Fehr, Geschäftsführer GGZ

Peter Fehr machte auch klar, dass sich die GGZ vorbehalte, den Betrieb des Podiums 41 einzustellen, falls die weitere Finanzierung abgelehnt werde (also bei einem Nein am 29. November). «Das Podium 41 ist für die GGZ keine strategisch wichtige Position», so Fehr, «aber ein menschlich wertvolle Institution.» Er sei selbst ein «strammer Bürgerlicher, aber vielleicht habe ich ein wenig mehr Herz», fügte er hinzu.

Drogen der Hauptgrund des Referendums

In der anschliessenden, von Harry Ziegler von der Neuen Zuger Zeitung moderierten Diskussion, versuchte dieser, Klarheit über die Motive der Referendumsbefürworter zu schaffen. Aber auch deren Bedenken zu Drogen und Sicherheit den Befürwortern vorzulegen.
Der wichtigste Grund für das Referendum laut SVP-Gemeinderat Jürg Messmer: «Es wird gekifft. Das Gesetz muss eingehalten werden.» Erst wenn die Mitarbeiter des Podiums bei jedem Vorfall die Polizei benachrichtigen, sei diese Forderung erfüllt (Raunen im Saal).
Ziegler fragte Messmer auch, worum es dem Referendumskomitee eigentlich gehe bei dieser Abstimmung – um den Platz, um das Geld oder um die Drogen. Messmers Antwort: «Um die Drogen. Ich mag jedem seinen Joint gönnen, aber in seinem Garten bitte.» (Lachen im Saal)

Ich mag jedem seinen Joint gönnen, aber in seinem Garten bitte.»

Jürg Messer, Zuger SVP-Gemeinderat

Karen Heather Umbach (Gemeinderätin, FDP) vom Pro-Komitee warf Messmer und dem Referendumskomitee vor, den demokratischen Entscheid des Grossen Gemeinderats einfach nicht akzeptieren zu wollen und aus Trotz das Referendum ergriffen zu haben. «Nun haben wir eine fatale Situation. Wenn das Volk Nein sagt, gibt es kein Podium mehr.»

Doch Messmer und andere Vertreter des Referendumkomitees sehen das anders. Er sei «schockiert», dass die GGZ mit der Schliessung drohe, sagte Messmer. «Ich bin überzeugt, dass der Stadtrat auch nach einem Nein, das Podium am 1. Januar 2016 weiterführen wird.» Dass mit einem Nein dem Podium mit sofortiger Wirkung der Geldhahn zugedreht wird, sieht Messmer nicht so eng. Der Stadrat könne ja einen Notkredit sprechen. «Ich bin überzeugt, dass der Stadtrat einen Plan B hat.»

«Ich habe kein As im Ärmel.»

Stadtrat Urs Raschle

Urs Raschle erklärte im Namen des Stadtrats, er habe kein As im Ärmel, damit das Podium weiter existieren könne. Es werde sicher eine Notlösung geben, die den Betrieb aber «höchstens zwei bis drei Monate» weiter gewährleisten könne.

Slogans für ein Nein oder ein Ja

Ziegler sagt daraufhin, dass es keine Annäherung der Standpunkte gab. Jeder dürfe kurz sagen, warum man Nein respektive Ja stimmen soll.
Jürg Messmer, Referendumskomitee: «Stimmen Sie Nein für einen Neuanfang im Podium 41, damit man sich dort ans Gesetz hält. Die Randständigen werden weiterhin ihren Sonnenplatz in Zug haben.»
Karen Heather Umbach, Pro-Komitee: «Stimmen Sie Ja, weil das Podium 41 eine Erfolgsgeschichte ist. Stadtrat, Grosser Gemeinderat, GGZ, Polizei stehen hinter derm Podium. Geben Sie der GGZ ein Zeichen, dass diese Hiobsbotschaft nicht der Wille der Bevölkerung ist.»

Gemeinderäte dafür oder dagegen

In der anschliessenden Fragerunde äusserten sich vor alle allem anwesende Gemeinderätinnen und Gemeinderäte und nutzten die Runde teilweise für lange Statements (aus der geplanten halbstündigen Diskussion wurden zwei Stunden).
Michèle Kottelat (GLP) will vom Referendumskomitee wissen, ob es den Platz des Podiums 41 frei haben will und die Randständigen ins Industriegebiet schicken will wie in der Gemeinderatsdebatte erwähnt. Das sei nie ein Thema im Referendumskomitee gewesen, erklärt Jürg Messmer.

Barbara Gysel (SP) bezeichnet die Diskussion als Scheindebatte. «Wenn wir wirklich Drogen bekämpfen wollen, dann führen wir eine sachliche Diskussion darüber.» Kokain werde in Zug bis zum Abwinken konsumiert, so Gysel.
Eliane Birchmeier (FDP) schliesst sich an. «Drogen sind ein allgemeines Gesellschaftsproblem. Hängen Sie das nicht am Podium 41 auf.»

Eine ehemalige Gemeinderätin fragt Messmer, warum das Referendumskomitee nicht einen parlamentarischen Vorstoss gemacht hat und Änderungen im Podium 41 verlangt hat, statt nun die Institution zu gefährden.

Der Stadtzuger CVP-Präsident Benny Elsener erwähnte die Interpellation der CVP ins Spiel, mit welcher seine Partei einen Ausweg aus der verfahrenen Situation weisen wolle. Die CVP hat dafür einen 6-Punkte-Planvorgeschlagen (der von der SVP abgelehnt wird). (zentral+ berichtete)

Gegner äusserten sich ebenfalls

Vom Referendumskomitee äussert sich Gregor Bruhin. Er habe als frischgebackener Gemeinderat in der Geschäftsprüfungskommission und als SVP-ler den Kompromissvorschlag der GPK unterstützt. Er sah einen Beitrag über zwei statt über vier Jahre vor, die GPK verlangte ferner eine Standortüberprüfung. «Aber zu meiner grossen Enttäuschung hat der GGR den GPK-Vorschlag verworfen.»

Rainer Leemann hieb ihn die gleiche Kerbe und erklärte, man habe ein Zeichen setzen wolle. «Jedes Mal, wenn man den Beitrag für vier Jahre gesprochen hat, ist nachher nichts passiert. Zwei Jahre wäre besser gewesen.» Man nehme die Bedenken nicht ernst.

Neue Versprechen von Urs Raschle

Urs Raschle (CVP) als Zuger Sozialvorstand machte ausserdem zwei Versprechungen. «Ich sage hiermit klar: Nachdem wir die Abstimmung gewonnen haben (Klatschen im Saal), lade ich alle Interessierten zu einem riesigen Runden Tisch ein, wo wir miteinander diskutieren, wie es weitergeht mit dem Podium und Lösungen finden.»

Raschle meinte ausserdem zum Problem der auswärtigen Personen, die nicht aus Zug stammten, dies sei eine Zentrumslast. «Wenn das Podium weiter geführt wird, gibt es aber einen Antrag von mir an die Zuger Gemeinden, dass sie ans Podium zahlen müssen.»

«Koch kann nicht Kiffenden nachrennen»

Am Schluss melde sich auch Carl Utiger, Geschäftsführer GGZ@work, noch zu Wort. Er wehrte sich gegen den Vorwurf, dass die Mitarbeiter des Podiums 41 nichts gegen den Drogenkonsum unternähmen. Es werde durchaus interveniert, die Polizei informiert und Hausverbote ausgesprochen. «Doch der Koch, der Mittagsmenü kocht, kann nicht jeder kiffenden Person nachrennen und deren Identität feststellen.»

Apropos Kiffer: Jürg Messmer sagte, er wäre der erste, der eine Initiative zur Legalisierung von Cannabis unterschreiben würde. Aber das steht am 29. November nicht zur Debatte.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von digiradio
    digiradio, 24.10.2015, 23:36 Uhr

    Erschreckend, aber keineswegs überraschend. SVP Politiker sind wahre Weltmeister im Finger-Pointing. Geht es jedoch darum, durchdachte Lösungen zu präsentieren, geraten die Herrschaften glatt ins Schleudern.

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